1 Samuel 26:10

Der Speer und der Wasserkrug

Als David und Abisai bei Saul sind, spricht Abisai David darauf an, dass es Gottes Führung ist, jetzt mit seinem Feind abzurechnen. Das letzte Mal, als Saul in die Höhle zu David und seinen Männern kam, haben seine Männer denselben Vorschlag gemacht und mit derselben Motivation (1Sam 24:5). Da sagten sie, dass David mit Saul tun könnte, was er wollte. Es scheint, dass Abisai vom vorigen Mal gelernt hat, dass David es selbst nicht tun wird, und dass er darum anbietet, es zu tun. Er wird es mit Sauls eigenem Speer tun, mit der Versicherung, dass ein Speerstoß ausreichend ist. Mit großer Selbstsicherheit sagt er dabei, dass ein zweites Mal nicht nötig sein wird.

Wäre es nicht eine gerechte Vergeltung, Saul mit der Waffe zu töten, mit der er selbst mehrere Male David töten wollte? Würde hiermit nicht das Wort Gottes erfüllt, dass, wer anderen eine Grube gräbt, selbst hineinfällt (Spr 26:27)?

Was die Bemerkung Abisais betrifft, dass es Gottes Leitung ist, dass David Saul in der Hand hat, gibt es noch eine Lektion zu lernen. Es kommt in bestimmten Glaubensgemeinschaften regelmäßig vor, dass jemand zu einem anderen sagt, was Gott will, dass der andere tut. Das kann sogar mit den Worten „so spricht der Herr“ eingeleitet werden, einem Ausdruck, dem wir im Neuen Testament nirgends in Bezug auf die Gemeinde begegnen. Eine solche Wortwahl kann beeindruckend klingen, ist aber in der Regel Manipulation und in jedem Fall hochmütig.

Jemand kann wohl sagen, dass wir etwas tun müssen und sich dabei auf den Willen des Herrn berufen, aber wir müssen zuallererst selbst davon überzeugt sein, dass etwas der Wille des Herrn ist. Andere können den Willen des Herrn für uns nicht bestimmen. Gott macht seinen Willen jedem der Seinen persönlich durch sein Wort bekannt. Indem man selbst darin liest, oder indem man das, was ein anderer gesagt hat, daran prüft, können wir seinen Willen für unser Leben kennen lernen.

David widersteht der Versuchung mit demselben Argument wie das vorige Mal. Saul ist für ihn immer noch „der Gesalbte des HERRN“. Wir sehen hier wieder diesen schönen Charakterzug bei David, dass er die von Gott eingesetzte Autorität anerkennt. Er schaut nicht auf den Charakter des Würdenträgers, sondern auf die Position, die dieser hat. Das ist eine wichtige Lektion für uns in unserer Haltung gegenüber der Obrigkeit, für die dasselbe gilt (Röm 13:1; 2).

In 1. Samuel 24 hat David die Sache in die Hände des HERRN gegeben. Das tut er hier auch, aber er sagt doch dabei, wie Saul sein Ende finden wird. David weiß, dass der HERR mit Saul handeln wird. Der HERR kann mit ihm handeln, indem Er ihn schlägt, sodass er stirbt, wie das bei Nabal geschehen ist (1Sam 25:38). Er kann ihn auch im Kampf fallen lassen, was später tatsächlich geschieht. Der Glaube wartet auf Gottes Handeln und greift nicht vorweg, indem man die Sache in die eigene Hand nimmt.

David tut wohl etwas anderes. Er nimmt den Speer und den Krug von Saul mit. Damit nimmt er Saul seine Verteidigung oder königliche Würde und seine Erfrischung. Der Speer ist doch das Symbol der Kraft Sauls. Ohne Speer ist er ein schwacher Mensch.

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