Acts 21:27-36

Paulus im Tempel gegriffen

Paulus verbringt die sieben Tage der Reinigung im Tempel. Als diese Zeit fast abgelaufen ist und er kurz davor steht, zu opfern, läuft die Sache aus dem Ruder. Juden aus Asien, wo Paulus lange gearbeitet hat, besonders in Ephesus, wodurch viele ihn kannten und ihm widerstanden, erkennen ihn wieder. Sie sind ebenfalls in Jerusalem, um das Pfingstfest zu feiern. Als sie ihn sehen, bringen sie die Menge in Aufruhr. Sie ergreifen ihre Chance und auch Paulus. Paulus wollte ja gerade durch sein Handeln zeigen, dass er einer von ihnen war, um so Eingang für das Evangelium bei ihnen zu erhalten. Doch sie wenden sich massiv gegen ihn.

Der Aufruhr, der hier stattfindet, erinnert an den Aufruhr in Ephesus (Kapitel 19). Dort ging es um einen heidnischen Tempel, hier geht es um den Tempel Gottes. Dort waren die Verursacher Götzendiener, hier ist es das alte Volk Gottes. In beiden Fällen geschah es mit unsauberen Mitteln.

Während sie ihn festhalten, schreien sie, dass die Männer von Israel ihnen zur Hilfe kommen sollen. Sie haben den Mann gepackt, der die schrecklichsten Dinge lehrt und tut. In den Augen dieser ungläubigen Juden ist Paulus ein abgefallener Jude. Er predigte nicht die Exklusivität des Judentums und forderte von den Nationen nicht, dass sie sich den Vorschriften des Gesetzes unterwarfen. Er öffnete den Heiden die Tür zu Gott, indem er ihnen das Evangelium predigte, ohne sie zu verpflichten, sich dem Volk Israel anzuschließen und ohne ihnen das Gesetz Israels aufzuerlegen.

Sie beschuldigen ihn, dass kein Mensch („alle“) und kein Ort („überall“) vor seinen bösen Lehren sicher ist. Seine bösen Lehren betreffen „das Volk und das Gesetz und diese Stätte“. Seine Lehren gegen „das Volk“ erkennt man daran, dass er die Exklusivität des Judentums aufhebt und das Heil außerhalb des Judentums anbietet. Seine Lehren gegen „das Gesetz“ zeigen sich daran, dass er den Nationen das Gesetz nicht auferlegt, sondern im Gegenteil sagt, dass die Gläubigen aus den Nationen frei sind vom Gesetz. Seine Lehren gegen „diese Stätte“, das ist der Tempel, zeigen sich in seiner Unterweisung über die Gemeinde, die er auch vergleicht mit einem Tempel (1Kor 3:16; Eph 2:21; 22).

Sie äußern Beschuldigungen, von denen sich Paulus gemäß Jakobus und den Ältesten gerade durch Unterwerfung unter das Gesetz hätte frei machen sollen. Seine Feinde setzen noch eins drauf, indem sie hinzufügen, dass er auch noch einen Heiden in den Tempel eingeschleust hat, nicht nur in den Vorhof der Heiden, sondern in den Teil, der nur den Juden vorbehalten war. Dadurch hat er den Tempel entweiht.

Sie beschränken sich dabei nicht nur auf einen Griechen, den sie zusammen mit Paulus gesehen haben, sondern sprechen von Griechen im Allgemeinen, die er in den Tempel gebracht habe. Sie gründen ihre Unterstellung oder Schlussfolgerung auf die Tatsache, dass sie Paulus gemeinsam mit seinem ursprünglich heidnischen Freund Trophimus in der Stadt gesehen haben. Es ist eine törichte Unterstellung, sie wird aber dennoch geäußert und diese Beschuldigung bringt das Fass zum Überlaufen. Viele Menschen sind wegen des Festes anwesend, und durch ihr Rufen entsteht ein Volksauflauf.

Die Gemüter erhitzen sich immer mehr. Sie ergreifen Paulus und schleppen ihn aus dem Tempel hinaus. Direkt hinter ihm schließen sich die Türen des Tempels. Äußerliche Heiligkeit ist alles. Der Tempel ist in ihren Augen verunreinigt und muss erst wieder gereinigt werden, bevor dort wieder Dienst ausgeübt werden kann. Vielleicht tun sie das auch, um zu verhindern, dass Paulus sich losreißt und in den Tempel flieht, um die Hörner des Altars zu ergreifen und so seiner Strafe zu entkommen (2Mo 21:13; 14; 1Kön 2:28; 29).

Paulus von den Römern befreit

Es scheint so, als hätte Paulus´ letzte Stunde geschlagen. So hat er das wahrscheinlich selbst empfunden. Die Juden, sein Volk, sind gegen ihn. Von seinen jüdisch-christlichen Mitbrüdern hören wir hier nichts mehr. Doch dann führt der Herr es so, dass der Oberste der Schar davon erfährt. Dieser tritt entschlossen auf. Er kennt die leicht reizbaren Juden, und sicher wird er seine Soldaten wegen des Festes in höchste Alarmbereitschaft versetzt haben, um bei einem Zusammenstoß sofort eingreifen zu können. In der Burg Antonia war immer eine Garnison Soldaten, die bereit war, einzugreifen. Von dieser Burg aus hatten sie einen guten Überblick über den Tempelplatz.

Der Oberste nimmt eine Abteilung seiner Soldaten mit und geht an den Ort, wo die Lynchjustiz in vollem Gange ist. Als die, die sich an Paulus vergreifen, den Obersten und die Soldaten sehen, hören sie auf, Paulus zu schlagen. Er wird schon so einiges an Fausthieben und Tritten abbekommen haben. Der Oberste befreit Paulus, jedoch nicht, um ihn frei zu lassen. Er gibt Befehl, Paulus mit zwei Ketten zu binden. Wer sich derart den Zorn des Volkes zuzieht, der hat doch wohl ordentlich etwas auf dem Gewissen, wird er gedacht haben. Er erkannte sofort, dass das nicht ein gewöhnlicher Streit war. Er befragt die Volksmenge nach der Person des Paulus und nach dem Verbrechen, das er offensichtlich begangen hat. Wie so oft, ist die Menge nicht einstimmig, weil viele in den Tumult einbezogen sind, die gar nicht wissen, worum es ging.

Der Oberste wird daraus nicht schlau und befiehlt, dass Paulus zum Lager in der Burg Antonia geführt wird, um dort verhört zu werden. Der Weg führt über die Treppe, die vom Vorhof der Heiden zur Burg führt. Diese Treppe wird die Bühne für die Rede des Paulus an das Volk. Es hat eine symbolische Bedeutung, dass er zu dem Volk spricht, das hier im Vorhof der Heiden versammelt ist. Der Vorhof der Heiden ist übrigens aufgrund des Wortes gebaut worden, dass das Haus Gottes ein Bethaus für alle Völker sein soll (Jes 56:7).

Paulus wurde zwar befreit und von dem Obersten und den Soldaten gefangengenommen, doch das bedeutet nicht, dass die Blutgier der Menge gestillt ist. Sie sehen ihre Beute entschwinden und versuchen, ihn wieder in die Hände zu bekommen. Die Soldaten müssen ihn vor der Gewalt der Menge beschützen; sie nehmen ihn in ihre Mitte und tragen ihn. Da die Beute ihrer Hand entkommt, schreien sie: „Weg mit ihm!“ So haben sie auch beim Herrn Jesus geschrien (Lk 23:18). Paulus teilt hier die Leiden des Christus (Phil 3:10).

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