Acts 6:2-4

Murren in der Gemeinde

Mit der Zunahme der Anzahl der Jünger nehmen auch die Gefahren zu, dass das sündige Fleisch, das jeder Gläubige in sich hat, wirkt. Im vorigen Kapitel ist es in zweien der Jünger in wohlüberlegter und daher durchtriebener Weise zum Ausdruck gekommen. Dem entsprechend war das Gericht. Jetzt offenbart sich das sündige Fleisch in einer anderen Form als im vorigen Kapitel.

Es geht nicht um eine durchtriebene, wohlüberlegte Sünde, sondern es entsteht ein Geist des Unfriedens in der Gemeinde, der sich in Murren äußert. Es ist kein Aufstand, aber dennoch tödlich, wenn nicht auf die richtige Weise darauf reagiert wird (1Kor 10:10). Genau wie bei Ananias und Sapphira ist Geld der Anlass. Bei ihnen ging es darum, es abzugeben, hier geht es darum, dass es ausgeteilt wird, möglicherweise vor allem in Form von Gütern und dergleichen.

Das Murren entsteht durch die unterschiedlichen Lebensbedingungen der Jünger. Die Griechisch sprechenden Juden sind der Meinung, dass ihre Witwen bei der Verteilung der Güter, die die Gemeinde von ihren reicheren Gliedern bekam, nicht gleich behandelt werden mit denen der Hebräer. Wir sehen hier zwei Gruppen mit unterschiedlichem Hintergrund. Die Griechisch sprechenden Juden sind Juden, die aus der Zerstreuung kommen. Sie sprechen die griechische Sprache und sind mit der griechischen Kultur vertraut, was möglicherweise deutlich in ihrem Verhalten zu sehen war. Die Hebräer sind die Hebräisch oder Aramäisch sprechenden Juden. Sie haben ihre Wurzeln in Israel und sind durch das Gesetz geprägt.

Es sind also zwei Gruppen, die beide ihre Gefahren haben und lernen müssen, einander zu ertragen. Die Griechisch sprechenden laufen Gefahr, die weltliche Lebensweise in die Gemeinde einzuführen; die Hebräer laufen Gefahr, die Gesetzlichkeit in die Gemeinde einzuführen.

Der Prediger hat diese Gefahr bereits beobachtet und davor gewarnt (Pred 7:15-18). Er redet von dem Gegensatz zwischen dem Gerechten, der sich auf seine Gerechtigkeit beruft (jemand, der sich selbst als Norm sieht, diese Norm in Gesetze übersetzt und sie anderen auferlegt), und dem Gesetzlosen, der sich auf seine Freiheit beruft (er erkennt kein einziges Gesetz an). Die einzige Möglichkeit, weder in das eine noch in das andere Extrem zu verfallen, ist Gottesfurcht.

Der Gottesfürchtige hat Ehrfurcht vor dem Wort Gottes und fügt ihm nichts hinzu und nimmt nichts davon weg und entgeht dadurch beiden Gefahren. Der Herr Jesus hat auf dem schmalen Pfad gewandelt, mitten auf den Steigen des Rechts (Spr 8:20), weder rechts noch links davon. Wir müssen uns immer wieder an Ihm ausrichten (Jes 30:21). Wenn wir das nicht tun, wird es Satan gelingen, durch Unzufriedenheit und Neid Uneinigkeit unter die Gläubigen zu bringen.

Satan benutzt die kleinen Unterschiede, die es in der Gemeinde gibt, um sie gegeneinander auszuspielen. In diesem Fall geht es um irdische Güter. Wenn wir mit dem, was wir haben, zufrieden sind (Heb 13:5), werden wir nicht neidisch werden auf das, was andere haben oder tun können. Zufriedenheit ist untrennbar mit Gottesfurcht verbunden (1Tim 6:6).

Die Apostel – hier „die Zwölf“ genannt – erkennen das Problem. Sie sehen sogar ein, dass sie an seiner Entstehung mitgewirkt haben. Sie haben Aufgaben übernommen, die nicht direkt ihre Aufgaben sind. Damit fordert man Probleme heraus. Eine Begleiterscheinung davon ist auch, dass sie ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr umfassend ausüben konnten.

Wenn jemand mehr tut, als ihm aufgetragen ist, wird nichts mehr richtig gemacht. Die Apostel kommen nicht mehr dazu, ihrem eigentlichen Auftrag, das Wort Gottes zu predigen, nachzukommen; die Aufgabe, die sie sich zusätzlich aufgebürdet haben, das Bedienen der Tische, wird nicht gut ausgeführt. Das Bedienen der Tische bezieht sich auf das Verteilen von Geld und Gütern unter den Gläubigen.

Es ist auch für uns ein wichtiger Hinweis, uns an das zu halten, was der Herr uns als Aufgabe aufgetragen hat. Wenn wir, wie gut das auch immer gemeint sein mag, andere Aufgaben übernehmen, für die Er uns keinen Auftrag gegeben hat, geht das zu Lasten der eigentlichen Aufgabe. Auch die zusätzliche Aufgabe wird dann nicht befriedigend ausgeführt.

Die Apostel empfinden selbst, dass das unbefriedigend ist. Zum Glück sehen sie rechtzeitig ihren Irrtum ein. Sie hören die Signale der Unzufriedenheit aufgrund des Murrens und handeln, bevor es zum Tumult kommt. Dadurch können sie die Gefahr eindämmen und wegnehmen. Sie wollen wieder ihre ursprüngliche Aufgabe wahrnehmen. Der soziale Aspekt der Gemeinde, den es auch gibt und der sehr wichtig ist, muss anderen übertragen werden.

Anstellung der sieben Diakone

Um den aufgekommenen Schwierigkeiten zu begegnen, schlagen die Apostel den Brüdern vor, dass sie sieben Männer auswählen, die ihnen diese Aufgabe (die Verteilung der Gelder und Güter) abnehmen können. Die Apostel wählen sie nicht aus, sondern geben nur Anweisungen, worauf die Gemeinde für die Ausführung dieser Aufgabe achten muss. Die beschriebenen Qualitäten, die solche Brüder besitzen müssen, zeigen die Bedeutung dieses Dienstes. Die Männer, die für dieses Werk in Betracht kommen könnten, müssen in ihrer Umgebung ein gutes Zeugnis haben. Auch muss der Heilige Geist frei in ihnen wirken können, und sie müssen mit Weisheit ihrer Aufgabe nachkommen können (vgl. 1Tim 3:8-13).

Obwohl es um praktische Dinge geht, müssen die Brüder, die diese Dinge ausüben, gewissen geistlichen Kennzeichen entsprechen. Es geht nicht um praktisch eingestellte Brüder, die z. B. gut buchhalten können, sondern um geistlich gesinnte Brüder, die die Not der Gläubigen empfinden und ihr mit Weisheit begegnen. Die Gemeinde ist keine Organisation, kein System mit Regeln, wo man sieht, wie alles auf die beste Weise geregelt werden kann. Es ist der Geist Gottes, der in seiner Weisheit alle Nöte kennt und genau sagen kann, wo und wie ihnen begegnet werden muss und wie es zur Verherrlichung Christi gereicht.

Diese Männer werden von der Gemeinde gewählt (2Kor 8:19). Das funktioniert anders als mit den Gnadengaben der Gemeinde. Die werden nicht von der Gemeinde bestimmt, sondern vom Herrn gegeben und in der Gemeinde eingesetzt (1Kor 12:28). Die Gemeinde muss sie annehmen und als vom Herrn gegeben anerkennen (Eph 4:7; 11). Kurzum: Die Gemeinde gehört dem Herrn, und deswegen wählt Er die Gaben aus und gibt die, die für die Auferbauung der Gemeinde nötig sind; allerdings verwaltet die Gemeinde treu das Geld und bestimmt die, die für die Verwaltung verantwortlich sein sollen.

Nachdem die Apostel ihren Vorschlag gemacht haben, sagen sie auch, wofür sie selbst sich einsetzen werden. Sie haben gesagt, dass sie das Wort Gottes vernachlässigt haben. Wenn sie aber nach Übertragung der Sorge für die praktischen Dinge ihre Hände dafür wieder frei haben, ist das Erste, was sie tun wollen: beten. Und das nicht nur einmal oder bei einer besonderen Gelegenheit, sondern sie wollen darin verharren. Dann fügen sie noch hinzu, dass sie auch im Dienst des Wortes verharren wollen.

Es ist bemerkenswert, dass die Apostel hier als erstes das Gebet als ihren Auftrag nennen und danach die Predigt. Ihr Kampf gegen die Macht des Bösen wird zunächst einmal im Gebet geführt. Im Gebet werden wir uns mehr als in anderen Diensten der Kraft Gottes bewusst, die für jeden anderen Dienst nötig ist. Es ist wichtig, zunächst mit Gott über Menschen zu reden und dann mit Menschen über Gott zu reden.

Der Vorschlag der Apostel findet bei der Menge der Gläubigen allgemeine Zustimmung. Sie wählen sieben Männer aus, die den gestellten Anforderungen entsprechen. Das bedeutet, dass auch die Gemeinde geistlich vorgegangen ist, und es hat sich gezeigt, dass sie in der Lage war, diese Voraussetzungen bei diesen Männern zu erkennen. Lukas nennt die Namen der sieben, die gewählt werden. Bei Stephanus erwähnt er noch das zusätzliche Kennzeichen, dass er „voll Glaubens und Heiligen Geistes“ ist. Er vertraut völlig auf Gott, so dass der Heilige Geist ohne Hindernis in ihm wirken kann.

Soweit man sehen kann, sind alle Namen der sieben, die genannt werden, Griechen. Das ist sicherlich ein liebevolles Entgegenkommen gegenüber der Gruppe der Gläubigen, die sich beklagt hat. Aus dieser Gruppe kann kein Vorwurf der Bevorzugung mehr kommen. Wenn die Liebe Gottes die Herzen erfüllt, überwindet sie Selbstsucht und Engherzigkeit. Die heutige Kirche wird auf der Basis der Demokratie gesteuert, wobei jede Gruppierung fordert, dass ihre Vertreter in jeder Kommission sind, die man meint, ins Leben rufen zu müssen.

Nach dem bekannten Bibelausleger F. W. Grant (1834–1902) haben die Namen folgende Bedeutung:

1. Stephanus – Krone

2. Philippus – Pferdeliebhaber, Schnellläufer

3. Prochorus – Leiter des Lobgesangs

4. Nikanor – Überwinder

5. Timon – ehrbar

6. Parmenas – bleibend

7. Nikolaus – Überwinder des Volkes.

Von diesen Männern stechen zwei hervor, denen wir noch mehrmals in diesem Buch begegnen werden: Stephanus und Philippus.

Die Gemeinde stellt diese sieben Männer vor die Apostel. Bevor die Apostel sich durch das Auflegen der Hände mit der Wahl der Gemeinde einsmachen (vgl. 3Mo 3:2; 4Mo 27:18; 5Mo 34:9), beten sie. Sie werden sicher für diese Männer gebetet haben, dass ihnen der Herr Gnade und Weisheit gebe, um diese wichtige Aufgabe recht ausführen zu können. Es geht schließlich um das Wohlergehen der Gemeinde.

Es scheint so, dass der vermehrte oder zunehmende Einfluss des Wortes auf das Leben der Gläubigen, worüber Lukas in Apg 6:7 spricht, ein Ergebnis der Wahl der Diakone ist. Dadurch sind die Apostel ja wieder frei, das Wort zu predigen, was nicht ohne Folgen bleibt. Das geistliche Leben der Gläubigen wächst dadurch. Und nicht nur das. Wir lesen auch, dass die Anzahl der Jünger in Jerusalem sehr zunimmt. Es kommen also auch Menschen durch die Predigt des Wortes zum Glauben. Unter diesen Menschen befindet sich eine große Menge Priester. Sie werden dem Glauben gehorsam. Das steht im Gegensatz zu ihrem bisherigen Leben, denn das stand unter dem Zeichen des Gehorsams gegenüber dem Gesetz.

Übrigens kann man Apg 6:7 als einen Vers sehen, der zwei Teile miteinander verbindet. Wir finden ähnliche Verse noch einige Male (Apg 9:31; Apg 12:24; Apg 16:5; Apg 19:20; Apg 28:30; 31). Dadurch teilt sich das Buch in sechs Teile ein.

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