Deuteronomy 32:5-38

Gottes Sorge für sein Volk

Die Haltung des Volkes ist eine der größten Dummheiten, denn in einer solchen Haltung kann Gott sie nicht als seine Söhne anerkennen (vgl. 5Mo 14:1). Ein guter Sohn ähnelt seinem Vater, aber in diesem Volk erkennt Gott nichts von sich selbst. Er nennt sein Volk „ein verkehrtes und verdrehtes Geschlecht“. Dieselben Worte benutzt Paulus, als er über die Welt spricht (Phil 2:15). Das deutet darauf hin, dass Gottes Volk der Welt gleich geworden ist.

Dasselbe sehen wir in der Christenheit. Gleichförmigkeit mit der Welt ist das größte Übel, an dem wir leiden. Das kommt zum Ausdruck in der Art und Weise unseres Redens, wie wir miteinander umgehen und welchen Dingen wir nachstreben. Wenn wir uns so verhalten, kann Gott uns nicht als seine Kinder anerkennen (2Kor 6:17; 18).

Die Anklage Gottes gegen sein Volk wird als Frage formuliert. Das müsste ihr Gewissen ansprechen und sie dazu bringen, darüber nachzudenken. Mit diesem Ziel stellt Gott häufig Fragen an den Menschen (1Mo 3:9; 1Mo 4:9) oder an sein Volk (Mich 6:3; 4).

Über Gott als Vater wird im Alten Testament nur einige Male gesprochen (5Mo 32:6; Jes 63:16; Jes 64:7; Mal 2:10). Immer geht es um seine Haltung zu seinem Volk als Ganzes, wobei Er dann als der Schöpfer, der Ursprung aller Dinge, vorgestellt wird. Er hat das Volk gebildet. Von Grundlegung der Welt an ist Er mit diesem Volk beschäftigt.

Das ist ein großer Unterschied zu Gott, dem Vater, im Neuen Testament für die Gläubigen der Gemeinde. Dort geht es ausdrücklich um das persönliche Verhältnis des Gläubigen zu Gott. Wir dürfen Ihn ansprechen als „Abba, Vater“. Dies ist für den einzelnen Israeliten undenkbar.

Das Volk wird aufgerufen, an die früheren Zeiten zurückzudenken, an das, was Gott für sein Volk getan hat. Sie müssen ihre Väter und die Ältesten danach fragen. Die werden die mächtigen Taten Gottes in Ägypten und sein Sorgen für sie in der Wüste bezeugen können.

Er dachte schon an sie, als Er durch die Sprachverwirrung in Babel die Völker in ihre eigenen Gebiete vertrieb. Jedem Volk stellte er die Grenzen fest (Apg 17:26) „nach der Zahl der Kinder Israel“. Da war noch keine Sprache von einem Volk, aber es bestand schon in dem Ratschluss Gottes, und was in Gottes Ratschluss besteht, ist für Gott ebenso wahr, als ob das Volk schon in Wirklichkeit existiert.

In seiner wunderbaren Erwählung und Gnade hat der HERR dieses Volk als sein Erbteil genommen (Ps 33:12). Von Ihm „ist der Erdkreis und seine Fülle“ (Ps 50:12), doch Israel ist in ganz besonderer Weise sein Eigentum. Es ist sein „verschlossener Garten“ (Hld 4:12), dem Er in besonderer Weise seine Liebe zuwendet und von dem Er eine besondere Liebe erwarten darf. Die Erwählung kommt ausschließlich von Ihm selbst und es ist nichts in dem Volk, was Ihm dazu einen zusätzlichen Anstoß gegeben hätte (5Mo 7:7). Er wusste, auf was Er sich einließ.

Diese besondere Verbindung hat Gott in Christus in dieser Zeit mit der Gemeinde. Er hat die Glieder der Gemeinde erwählt mit einer ewigen Auserwählung (Eph 1:4; Eph 3:9). Er hat sie gerettet „aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe“ (Kol 1:13).

Um sein Vorhaben, seine Erwählung zu verwirklichen, hat der HERR sie aus Ägypten befreit. Danach hat Er in der Wüste für sie gesorgt und sie gelehrt, wie sie sich in allerlei Umständen zu verhalten haben (Hos 11:1-4). Dazu hat Er ihnen seine guten Satzungen gegeben. Sie sind für Ihn wie der äußerst zarte und empfindliche Augapfel (Sach 2:12b; Ps 17:8a), den Er vor jeder schmerzhaften Berührung schützen will. Jedes Mal, wenn sie zu straucheln drohten, war Er bei ihnen, um sie aufzufangen, so wie ein Adler seine Jungen beschützt, wenn sie fliegen lernen (2Mo 19:4).

Bei diesem Beschützen, dem Behüten und Bewahren, war Gott nicht auf die Hilfe anderer angewiesen. Er verfügt über alle Möglichkeiten in sich selbst, um seiner Liebe und seiner Fürsorge für sein Volk Ausdruck zu verleihen und so hat Er völlig selbstständig und eigenmächtig gehandelt. Das ist zugleich ein Argument, um Israel davor zu bewahren, zu anderen Göttern Zuflucht zu nehmen.

Dann versetzt Mose sich im Geist hinter den Einzug in das Land und blickt zurück auf Gottes Handeln. Er berichtet, wie der HERR das Volk einherfahren ließ auf den Höhen der Erde, das heißt, mächtige Feinde konnten überwunden werden. Ferner genießen sie dort einen Überfluss an Segen. Das Allerbeste, was Boden, Vieh und Land liefern können, ist ihr Teil.

Die reichste Frucht, Honig und Öl, kommt als Beweis von Gottes Wirken aus dem denkbar unfruchtbarsten Boden, der unmöglich bewirtschaftet werden konnte. Das Vieh ist gesund und liefert die beste Milch, aus der auch die reinste Butter produziert werden kann. Das Vieh liefert auch das beste Fleisch. Der Weizen ist von der feinsten und nahrhaftesten Sorte, der Wein ist jedes Jahr von der besten Qualität. Das sind alles Beweise von Gottes Güte, die ihnen aus Gnade geschenkt wurden. Was ist ihre Antwort?

Dasselbe gilt für die Gemeinde, die auch im Überfluss die geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern genießen darf. Die herrlichsten Segnungen sind für sie und sie gehen über die von allen anderen Geschlechtern hinaus. Was ist ihre Antwort?

Die Undankbarkeit Israels

Die Antwort auf so viel Güte ist schockierend – wenn wir uns selbst nicht ein wenig kennen. Trotz aller Fürsorge Gottes, aller Maßnahmen und Segnungen, verwirft das Volk Ihn. Sie sinken immer tiefer ab in ihrem Aufstand gegen Gott. Nach dem Ausschlagen gegen Ihn ist nun die Sprache von Verlassen, Verachten, Vernachlässigen und schließlich Vergessen. Widerstand gegen Gott führt am Ende in einen Zustand, in dem Gott keinen Platz mehr hat. Jede Verbindung mit Ihm, dem Felsen, der sie erweckt hat, ist bedeutungslos für sie. Selbst die Gedanken an den Gott, der sie gezeugt hat, sind verschwunden. Mose vergleicht Gott hier mit einem Vater („gezeugt“) und einer Mutter („geboren“).

Dieser Niedergang des Volkes Gottes beginnt mit dem Genuss der Segnungen, ohne Gott dafür zu danken. Die Segnungen werden genossen, aber der Geber wird nicht einbezogen. Selbstzufriedenheit steigt im Herzen auf. Es ist die Sprache der Gemeinde in Laodizea: „Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts“ (Off 3:17a). Doch für den Herrn war kein Platz mehr: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an“ (Off 3:20a).

Mose nennt das Volk „Jeschurun“, das heißt „der Gerade“ oder „der Rechtschaffene“. Gott hat seinem Volk seine eigenen Merkmale gegeben. Aber statt eine Widerspiegelung von Gott zu sein, rühmt sich das Volk seiner eigenen Gerechtigkeit. Sie haben alle Ehre sich selbst zugeschrieben. Weil der Mensch nicht ohne ein Objekt der Anbetung auskommt, sind sie dem Götzendienst zum Opfer gefallen. Anstatt Ihm treu zu bleiben, der sich ihnen gegenüber so treu gezeigt hat, haben sie sich fremden Göttern zugewandt. Das ist für Gott außergewöhnlich verletzend. Die Opfer, die sie den Göttern bringen, werden von Dämonen in Empfang genommen. Ein Götze von Holz und Stein ist nichts, doch hinter diesen toten Materialien verbergen sich real existierende und lebende böse Geister (1Kor 10:19; 20; Ps 106:36; 37).

Das Urteil wird angekündigt

Wenn Gottes Volk Gott vergisst, muss Er sie verwerfen. Darum geht es in diesen Versen. Er ist gegenüber sich selbst treu und muss sie deshalb richten. Er sagt solche harten Worte gerade deshalb, weil sie seine geliebten Kinder sind. Er verwirft sein Volk, weil es Ihn zuerst verworfen hat.

In 5Mo 32:5 hat er bestritten, dass es seine geliebten Kinder sind. Dort sieht der HERR sie an als unverbesserlich und unerreichbar. Hier wird gesprochen über „seine Söhne und seine Töchter“ (5Mo 32:19), nicht als eine Anerkennung seinerseits, dass sie es seien, sondern weil sie vorgeben, es zu sein. Doch Er kann sie als solche nicht anerkennen. Er verbirgt sein Angesicht vor ihnen, das heißt, Er sieht nicht mit Wohlwollen auf sie herab. Er blickt mit Zorn auf sie nieder und wird zuschauen, wie es mit ihnen weitergeht.

Als Er die Verbindung mit seinem Volk einging, hatte Er sie Kinder genannt, die nicht treulos sein werden (Jes 63:8). Das ist leider nicht so geblieben. Sie haben sich zu den Götzen gewandt, was Gott zur Rivalität und Eifersucht gereizt hat. Gottes Antwort darauf ist, dass Er sein Volk auch zur Eifersucht reizen wird. Gott benutzt die umliegenden Völker, um sie zu züchtigen und zurückzubringen, aber auch, damit sie eifersüchtig werden. Darum lässt Gott das Heil ausgehen zu den Völkern. Nicht das Gericht durch die Völker, sondern die Gnade für die Völker soll bezwecken, sie zur Einsicht zu bringen (Röm 10:19).

Mose verkündet außerdem, wie verzehrendes Feuer als Symbol des Gerichtes Gottes sein Verderben bringendes Werk tun wird. Es wird den Ertrag des Landes, durch den sie fett und dick geworden waren, aufzehren. Naturkatastrophen werden ihr verwüstendes Werk tun. Mit seinen Pfeilen wird Er sie einholen und die treffen, die zu entkommen glauben. Hunger, Fieber und Krankheit werden ihre Opfer fordern. Auch die wilden Tiere haben ihren Anteil an der Ausführung des Zornes Gottes. Es wird kein einziger Flecken vorhanden sein, der Sicherheit bietet und niemand wird Mitleid haben.

Der HERR ist der Fels seines Volkes

Wenn hier nicht die Rede von einem göttlichen Eingreifen wäre, würde niemand entkommen. Dieses Eingreifen Gottes, wodurch eine Umkehr zustande kommt, wird in 5Mo 32:27 angedeutet mit den Worten „wenn ich … nicht“. Zwei Motive liegen dieser Umkehr zugrunde. Erstens geht es um den Namen Gottes in dieser Welt, das Zeugnis seines Namens inmitten der Völker (5Mo 32:27; Jos 7:9), und zweitens geht es um die Größe Gottes selbst (5Mo 32:39).

Wenn Gott sein Volk vertilgen würde, könnten sich die Feinde ihrer Kraft rühmen und den HERRN für unfähig halten, sein Volk zu beschützen. In ihrer Verwegenheit haben sie kein Auge für den wahren Zustand des Volkes Gottes, ebenso wenig, wie sie das in Bezug auf ihren eigenen Zustand haben. Der Unglaube ist immer anmaßend und blind und leider gilt das auch für Gottes Volk. Es begreift einfach nicht, dass es allein durch die Kraft Gottes den Feind besiegen konnte. Es fehlt die Einsicht, dass ein Einzelner eine große Übermacht nur deshalb in die Flucht schlagen konnte, weil ihr Fels das bewirkte. Die Kraft des Volkes Gottes liegt nicht im Selbstvertrauen, sondern im Vertrauen auf Gott (Jes 30:15). Durch ihr Selbstvertrauen werden die Rollen vertauscht (Jes 30:17a).

„Denn vom Weinstock Sodoms ist ihr Weinstock“ (5Mo 32:32). Das scheint sich auf die Feinde Israels zu beziehen, die reif waren zum Gericht. Das Maß ihrer Ungerechtigkeit war voll (1Mo 15:16). Gott lieferte sie deshalb dem Schwert Israels aus, das sie ohne Schwierigkeiten besiegte. Der Fels des Feindes, das sind ihre Götter. Darin ist überhaupt keine Kraft. Der Weinstock gibt ihren Ursprung an, der in der Sündhaftigkeit Sodoms und Gomorras liegt, und seine Frucht stimmt damit überein.

Doch diese Verse können auch auf Israel selbst hinweisen (Ps 80:9). Es wurde als ein edler Weinstock gepflanzt, in der Gesamtheit ein naturgetreuer Same. Doch die Sünde hat sie in entartete Ranken eines fremden Weinstocks verwandelt (Jer 2:21). Sie haben die Sünde und Ungerechtigkeit Sodoms übernommen und selbst die noch übertroffen (Jer 23:14; Hes 16:48). Gott bezeichnete sie als seinen Weinberg, einen Garten seiner Freude. Gott hatte gute Früchte erwartet, aber sein Weinberg hatte schlechte Früchte hervorgebracht (Jes 5:1-4).

Sie würden von der Frucht selbst trinken und dadurch umkommen. Auf welche Weise das geschieht, hält Gott verborgen. Er vergisst keine der geschehenen Sünden (Ps 90:8), ob es nun die Sünden der Völker sind oder die seines eigenen, unbußfertigen Volkes. Er führt Buch darüber, das zu einer durch ihn bestimmten Zeit geöffnet werden wird (Off 20:12).

Weil Gott nicht unmittelbar richtet, sündigen die Menschen gelassen weiter (Pred 8:11). Doch seine Vergeltung wird kommen, sowohl über die Feinde des Volkes (Jes 59:18) als auch über sein eigenes abgefallenes Volk (Heb 10:30). Das Wanken der Füße ist ein Bild von einem beginnenden Fall oder Absturz (5Mo 32:35; Ps 38:17; Ps 94:18).

Gleichzeitig mit dem Richten des Volkes, wird Er sich über seine Knechte erbarmen (5Mo 32:36), das sind die Treuen innerhalb des untreuen Volkes in seiner Gesamtheit. Diese Treuen leiden in doppelter Hinsicht: von Seiten der Feinde des Volkes Israel und von Seiten ihrer gottlosen Volksgenossen.

Noch einmal weist Gott auf das Ende aller Gottlosen hin. Es ist keine Kraft in ihnen übriggeblieben. Spottend ruft Gott sie auf, sich an ihre Felsen, ihre Götter, zu wenden bezüglich ihrer Rettung und Beschirmung (Ri 10:14). Mit dieser Redensweise will der HERR sein Volk von der Nichtigkeit der Götzen sowie der Torheit des Götzendienstes überzeugen und zur Erkenntnis seiner allein wahren Gottheit bringen (5Mo 32:39).

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