Esther 5:2-8

Das goldene Zepter

Am dritten Tag, d. h. nach drei Tagen Fasten, ging Esther zum König. Wie wird sie von ihm empfangen werden? „Der Himmel an Höhe, und die Erde an Tiefe, und das Herz der Könige sind unerforschlich“ (Spr 25:3). Aber Gott neigt das Herz eines Königs, „wohin immer er will“ (Spr 21:1). Das Leben ist kein Fatalismus. Gott möchte, dass die Seinen bei der Ausführung seiner Absicht mitarbeiten. Sie können dies tun, indem sie ihr Leben in seine Hand geben, so dass Er es lenken kann.

„Der dritte Tag“ bezieht sich in der Heiligen Schrift auf den Tag der Auferstehung Christi (Mt 16:21; Lk 24:46; 1Kor 15:3; 4; 1Pet 1:21). Christus ist am dritten Tag auferstanden, und wir können uns Gott nur auf der Grundlage seiner Auferstehung nähern (Röm 4:24; 25; Röm 5:1; 2). Das sehen wir im Bild bei Esther. Sie geht nicht in ihrer eigenen Kleidung, sondern „königlich“ gekleidet, d. h. in Kleidung, die der König ihr geschenkt hat. Sie geht im Bild nicht aufgrund ihres eigenen Verdienstes, sondern aufgrund des Verdienstes von Gottes Werk in Christus.

Der Ort, an dem sie stehen bleibt, wird ausführlich beschrieben. Die ganze Beschreibung beeindruckt. Sie zeichnet eine Atmosphäre der königlichen Würde und Regierung, in die jemand nur auf eine Weise eintreten kann, die diesem Zweck angemessen ist. Esther hat die entsprechende Kleidung. Sie ist im Bild „bekleidet mit Kleidern des Heils“, mit „dem Mantel der Gerechtigkeit“ (Jes 61:10). Sie trägt „das beste Gewand“ (Lk 15:22), das sie passend macht, um in der Gegenwart des Königs zu erscheinen. Die Frage ist nun, wie der König reagieren wird. Das scheint kaum noch eine Frage zu sein, denn alles, auch Esther, entspricht seiner Majestät.

Der König sieht Esther im Hof stehen (Est 5:2). Bemerkenswert ist, dass wir lesen, dass er dort „Königin Esther“ stehen sieht. Damit wird einmal mehr deutlich, dass sie nicht nur die passende Kleidung, sondern auch die passende Position hat. Für den König und für uns ist es daher keine Frage mehr, ob er Esther akzeptieren wird. Für Esther ist diese Frage zu diesem Zeitpunkt immer noch da. Die Spannung ist für uns bereits gebrochen, wenn wir lesen, dass „sie Gnade in seinen Augen“ erlangt. Das zeigt die Gesinnung des Königs. Aus dieser Gesinnung heraus reicht der König Esther dann das goldene Zepter entgegen, was die Spannung auch für Esther beendet.

Was jetzt noch zu tun bleibt, ist, dass Esther die ihr angebotene Gnade annimmt. Sie tut dies, indem sie herzutritt und die Spitze des Zepters anrührt. Wir sehen hier im Bild, dass jemand, der zu Gott kommt, nicht auf der Grundlage des Gesetzes, sondern auf der Grundlage des vollendeten Werkes Christi von Gott nur in Gnade angenommen werden kann. Esther weiß, dass sie auf Gnade angewiesen ist, aber jetzt erfährt sie diese Gnade, weil sie tatsächlich zum König ging und das Zepter anrührte.

Esthers erste Bitte

Es kommt nun zu einer Reihe von Dialogen zwischen Esther und dem König, in denen die Spannung ihren Höhepunkt findet. Die Art und Weise, wie Esther mit dieser Spannung umgeht, zeugt von großer Weisheit. Sie weiß die Gnade zu schätzen und richtig einzusetzen. Von dem Moment an, in dem sie vom König in Gnade angenommen wird, weiß sie, wie sie sich zu verhalten hat.

Die ersten Worte des Königs an sie sind ermutigend. Der König spricht sie mit Titel und Namen an. Der König hat Esther in Gnade angenommen. Er beruhigt sie noch mehr, indem er ihr zwei Fragen stellt, die sich auf ihre Wünsche beziehen (Est 5:3). Er merkt, dass sie etwas fragen will. In gleicher Weise lädt Gott seine Kinder ein, mit ihren Fragen und Wünschen mit Freimütigkeit zu Ihm zu kommen. Gott ist der gebende Gott, der es liebt, unsere Gebete zu beantworten. Er wird uns sogar alle Dinge mit Christus geben (Röm 8:32).

Dies ist die Gelegenheit für Esther, ihr Anliegen zugunsten der Juden zu äußern. Das tut sie nicht. Diese Bitte behält sie nach wie vor bei sich. In ihrer Antwort weist sie nach der gezeigten und akzeptierten Gnade taktvoll zunächst auf das Belieben des Königs hin (Est 5:4). Dabei appelliert sie an seine freundliche Gesinnung ihr gegenüber. Durch das Essen, das sie für den König zubereitet hat, will sie diese Gesinnung des Königs weiter anregen. Sie möchte auch, dass Haman dabei ist, denn es geht um seine Demaskierung.

Wir sehen, dass sie während des Fastens nicht still gesessen hat, sondern mit diesem Treffen beschäftigt war und sich darauf vorbereitet hat. Sie handelt nach einem Plan, den sie sich während der Fastenzeit ausgedacht hat. Außerdem wird klar, dass sie einen wohlwollenden Empfang durch den König und eine positive Antwort auf ihre Bitte, zu dem von ihr zubereiteten Mahl zu kommen, in Betracht gezogen hatte.

Esthers zweite Bitte

Der König kommt der Bitte Esthers nach und beschleunigt die Angelegenheit sogar (Est 5:5). Er möchte, dass Haman so bald wie möglich kommt. Ohne weitere Mitteilungen über Boten, die Haman abholen werden oder wo das Mahl stattfinden wird, wird direkt zu dem Mahl übergeleitet, das Esther bereitet hat. Woraus das Mahl besteht, ist unwichtig. Wichtig ist, was der König in Bezug auf Esther beschäftigt und was Esther in Bezug auf ihr Volk beschäftigt.

Der König kommt mit Haman zum Mahl. Beim Trinken des Weins fragt der König erneut, was Esther wünscht (Est 5:6; Est 5:3). Er stellt seine Frage sogar zweimal, wobei er zunächst das Wort „Bitte“ und beim zweiten Mal das Wort „Begehr“ verwendet. Er verpflichtet sich unwiderruflich, ihr zu geben, worum sie bittet, oder ihrem Begehr nachzukommen. Der Ausdruck „bis zur Hälfte des Königreichs“ deutet auf seine unbegrenzte Großzügigkeit hin.

Ahasveros ist auch hier wieder ein Abbild Gottes. Gott ermutigt uns, Ihn zu bitten, indem Er uns sagt, dass wir Ihn um alles bitten dürfen. Wir können dies im Vertrauen darauf tun, dass Er es tun kann. Er hat die Enden der Erde in seinem Besitz und zu seiner Verfügung. Er gewährt die Bitten, wem Er will. Es ist Ihm eine Freude, seiner „kleinen Herde“ das Reich Gottes zu geben, nicht nur die Hälfte (Lk 12:32). Das Angebot des Königs – für uns: von Gott – ist ein Blankoscheck. Der Allmächtige sagt: „Was ist deine Bitte?“, und zum Glauben sagt Er: „Euch geschehe nach eurem Glauben“ (Mt 9:29).

Auf Esther ruht eine enorme Last. Das Schicksal des ganzen Volkes hängt von ihr ab. Was wird sie sagen? Sie handelt weise, mit einer Weisheit, die sie von Gott erhalten haben muss. In ihrer Antwort nimmt Esther die Worte des Königs auf und sagt: „Meine Bitte und mein Begehr ist …“ (Est 5:7). Wir würden erwarten, dass sie dann um die Rettung ihres Lebens und des Lebens ihres Volkes bittet, aber das tut sie nicht. Ihre Antwort auf das erste Angebot des Königs ist bereits erstaunlich (Est 5:4); die Antwort, die sie jetzt gibt, ist noch erstaunlicher: Sie lädt den König und Haman zu einem neuen Mahl ein, das sie zu diesem Zweck bereiten wird (Est 5:8). Dort will sie das Übel von Haman aufdecken.

Wegen dieser Vorgehensweise scheint es eine Verzögerung für die Rettung des Volkes zu geben. Die Lage wird für Mordokai und sein Volk zunehmend schlimm. Noch vor der nächsten Mahlzeit will Haman Mordokai hängen lassen. Doch Gott steht über und hinter all dem. Die Bosheit Hamans muss ihren Höhepunkt erreichen. Das fällt mit jener besonderen Nacht zusammen, über die wir im nächsten Kapitel lesen werden.

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