Isaiah 38:10-14

Hiskias Dankeslied

Der historische Teil von Jesaja 36–39 findet sich, wie bereits erwähnt, auch in 2. Könige 18–20 und 2. Chronika 32. Eine Ausnahme bilden diese Verse. Damit wird sofort klar, dass die erste Bedeutung dieses Abschnitts nicht praktisch, sondern prophetisch ist. Er ist geschrieben als ein Psalm des Dankes, aber mit der Struktur eines Klageliedes. Es ist ein Begräbnislied, das auf einmal ein Geburts- und Lebenslied geworden ist. Es besteht ebenfalls aus zwei Teilen:

1. Ein Gebet des Flehens wegen Hiskias Krankheit und seiner Leiden (Jes 38:10-14)

2. Ein Lied der Danksagung wegen Hiskias Heilung und neuem Leben (Jes 38:15-20)

Hiskia durchlebt seine Krankheit und Heilung als aus der Hand des HERRN kommend. Es hat ihn in tiefe Übungen gebracht. Er hat das Bedürfnis, diese Übungen aufzuschreiben (Jes 38:9). Darin erkennen wir vieles von dem wieder, was wir in dem Buch der Psalmen über die Gefühle des Überrestes in großer Not lesen. Es ist der Geist Christi, der sich mit dem Überrest verbindet und der auch in Hiskia wirkt. Das Leiden Hiskias ist auch das Leiden des Überrestes in der großen Drangsal, von der sie erkennen werden, dass sie wegen ihrer Sünden über sie kommt.

Als Sohn Davids ist Hiskia auch ein Bild des Herrn Jesus. Was er hier erlebt, ist auch ein Bild von dem, was der Herr Jesus durchgemacht hat. Er hat die Leiden des Todes geschmeckt (Heb 2:9), nicht für seine eigenen Sünden, sondern für die Sünden seines Volkes. Er hat darum gefleht, aus dem Tod errettet zu werden, und Er wurde errettet (Heb 5:7). Ihm wurde eine Verlängerung des Lebens gegeben, nicht nur fünfzehn Jahre, sondern bis in Ewigkeit (Heb 7:17).

In Jes 38:10 wird der Scheol vorgestellt, als ob dieser Pforten hätte, durch die der Mensch nach innen geht (vgl. Hiob 38:17; Ps 9:14). In seiner Krankheit sieht sich Hiskia in der Kraft seines Lebens mit dem Tod konfrontiert, der ihn daran hindert, seine Jahre zu erfüllen. Dies stimmt mit den prophetisch aufgezeichneten Empfindungen des Herrn Jesus überein (Ps 102:24; 25a; vgl. Lk 23:31). „In der Hälfte meiner Tage“ heißt wörtlich „im Gleichgewicht meiner Tage“. Gleichgewicht bedeutet: auf halbem Weg. Das ist wahr für Hiskia, für den Herrn Jesus, aber auch für das Volk Israel.

In seiner Krankheit denkt er mit Schmerz daran, dass dies das Ende seiner Gemeinschaft mit dem HERRN und den Menschen bedeutet (Jes 38:11). Er wird nicht mehr in den Tempel hinaufgehen können (Ps 27:4). Er spürt, wie durch seine Krankheit sein Körper, sein „Hirtenzelt“, abgebrochen und weggeführt wird (Jes 38:12; vgl. 2Kor 5:1; 2Pet 1:13; 14). Er vergleicht den HERRN mit einem Weber. So wie ein Weber das Gewebe aufrollt (vgl. Jes 22:17; 18a), weil das Weben beendet ist, so sieht Hiskia sein Leben als beendet an. Er verstärkt diesen Gedanken, indem er vom „Abschneiden“ des Gewebes vom Weberbaum spricht.

Er fühlt sich durch den HERRN den Schmerzen des Todes preisgegeben, ohne Ruhe zu finden (Jes 38:13). Er empfindet es auch als etwas, das plötzlich über ihn kommt. Sowohl am Ende von Jes 38:12 als auch von Jes 38:13 sagt er: „Vom Tag bis zur Nacht wirst du ein Ende mit mir machen.“ Damit scheint er auf eine plötzliche, dramatische Veränderung seiner Lebensumstände hinzuweisen: Morgens ist er noch völlig gesund, abends wäre er tot.

In einem weiteren Bild sieht er den HERRN als einen Löwen, der ihm alle Knochen zerbricht. Er erlebt dieses Handeln des HERRN als so schwer, dass er wieder sagt, dass er die Pein darüber Tag und Nacht spürt. Er ist nicht eine Sekunde lang frei davon. Er hat nicht mehr die Kraft zu rufen. Seine Stimme ist geschwächt wie das Zirpen einer Schwalbe und das Girren einer Taube (Jes 38:14).

Hiskia vergleicht sich nicht ohne Grund mit diesen Vögeln. Es sind Vögel, die in besonderer Weise die Verbindung mit der Gegenwart des HERRN symbolisieren (Ps 84:4; Mk 1:10). Er verlangt nach der Gegenwart des HERRN, aber er erfährt Distanz und Ablehnung. Seine schmachtenden Augen richten sich nach oben, während er dem HERRN seine Angst sagt und Ihn bittet, sein Bürge zu sein (Hiob 17:3a), sodass er nicht dem Scheol preisgegeben wird.

Jetzt, wo er seine Gefühle während seiner Krankheit wiedergegeben hat, sie durchlebte und nunmehr geheilt ist, weiß er nicht, was er noch sagen soll (Jes 38:15). Immerhin hatte der HERR gesagt, dass er sterben würde und auch, dass er wieder gesund werden würde. Er hat sich erholt und wird nach seinem bitteren Seelenleiden noch Jahre leben.

Er lebt durch diesen Umgang des HERRN mit ihm (Jes 38:16). Was er vom HERRN empfangen hat, hat ihm seine Geisteskraft zurückgegeben. Das liegt nicht allein an der Tatsache und dem Zeitpunkt der Heilung, sondern geschah bereits schon ab dem Moment, da der HERR ihm die Verheißung gab. Das Sprichwort „die Hoffnung stirbt zuletzt“ ist wahr für alle, die weiterhin darauf vertrauen, dass Gott alle seine Verheißungen erfüllen wird.

Es hat eine enorme Veränderung stattgefunden. Die bittere Prüfung hat sich in Heil verwandelt (Jes 38:17). Die Rettung ist so groß, weil die Prüfung so groß und bitter gewesen ist. Hiskia weiß, dass er dem Grab in dem Moment nahe war, als sein Leben beinahe dort geendet hätte. Dies hat nichts mit dem vollständigen Aufhören der Existenz zu tun. Es hat mit dem Verschwinden von der Weltbühne zu tun. Er würde im Grab verschwinden und nie wieder gesehen werden. Es schien, als ob er nicht mehr existierte, aber der HERR rettete ihn vor diesem Schicksal.

Er sieht darin den Beweis, dass der HERR alle seine Sünden hinter seinen Rücken geworfen hat (vgl. Mich 7:19). Wenn Hiskia gestorben wäre, hätte er den HERRN auf der Erde nicht mehr preisen können (Jes 38:18). Er weiß noch nicht, dass die gestorbenen Gläubigen in der Gegenwart des Herrn Jesus leben (Lk 23:43). Paulus sehnt sich sogar danach, die vollkommene Gemeinschaft bei Ihm in der Herrlichkeit zu genießen (Phil 1:23).

Die Erwartung der alttestamentlichen Gläubigen war jedoch, dass sie eines Tages auferstehen und dann den Segen der Gemeinschaft mit dem HERRN genießen werden (Hiob 19:25-27; Ps 17:15). Für Hiskia ist das Loben des HERRN mit dem Leben auf der Erde verbunden (Jes 38:19). Er möchte dies auch an seine Kinder weitergeben, an die nächste Generation (Ps 22:31; 32; Ps 71:18). Ein Vater ist einer, der seinen Kindern von der Treue des Herrn erzählt.

Obwohl wir als neutestamentliche Gläubige, das sind die Glieder der Gemeinde, nicht mit der Erde, sondern mit dem Himmel verbunden sind, soll unser Leben auf der Erde doch auch dieses große Kennzeichen haben: dass es ein fortwährender Lobgesang in Bezug auf die Herrlichkeit des Herrn Jesus ist (Heb 13:15; 1Pet 2:5). Wir dürfen auf der Erde mit etwas beginnen, das wir bis in alle Ewigkeit fortsetzen werden, und das ist „den Vater anzubeten in Geist und Wahrheit“ (Joh 4:23). Lasst uns das an zukünftige Generationen weitergeben, bis der Herr kommt, um uns zu holen.

In Jes 38:20 versetzt sich Hiskia zurück zu dem Moment, als Jesaja ihm im Namen des HERRN mitteilt, dass er wieder gesund werden wird. Hiskia ist darüber so erfreut, dass er sein ganzes Volk – wie das Wort „wir“ beweist – in den Jubel darüber einbezieht. Der Ort, an dem diese Freude zum Ausdruck kommt, ist das Haus des HERRN. Es ist auch kein kurzlebiger Ausdruck, sondern einer, der „alle Tage unseres Lebens“ da sein wird.

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