Job 30:3

Einleitung

Im vorangegangenen Kapitel erinnerte sich Hiob an seinen vergangenen und nun verschwundenen Wohlstand. Nun ist er gezwungen, in die Realität des Jetzt zurückzukehren. In diesem Kapitel befasst er sich erneut mit seinem derzeitigen Elend. Er beginnt die Beschreibung mit „und nun“ (Hiob 30:1; vgl. Hiob 30:9), was den Kontrast zum vorherigen Kapitel unterstreicht.

Dramatischer als in diesen beiden Kapiteln lässt sich der Wandel vom Wohlstand zur Katastrophe nicht beschreiben. Wenn wir ein bisschen Gefühl dafür bekommen, können wir uns vorstellen, wie sehr Hiobs Seele von dieser Veränderung überwältigt ist. Früher wurde er von den angesehensten und bedeutendsten Menschen geehrt, heute wird er vom Abschaum der Gesellschaft verachtet. Früher wurde er gepriesen, heute ist er zum Gespött geworden. Früher hat Gott ihn beschützt, jetzt ist Gott ein Grausamer für ihn geworden.

Seine schrecklichen Spötter

In diesen Versen beginnt Hiob seine Beschreibung des Ausmaßes seines Unglücks, indem er auf die Art von Menschen hinweist, die ihn jetzt schmähen. Sie sind der Abschaum der Menschheit. In verächtlichen Worten äußert sich Hiob über die Menschen, denen er früher Gutes tat, die sich aber jetzt über ihn stellen.

Wie oben bereits erwähnt, deutet das Wort „und nun“ auf eine Veränderung gegenüber dem vorangegangenen Kapitel hin (Hiob 30:1). Das Wort „nun“ in diesem Kapitel steht im Gegensatz zu „den Monaten der Vorzeit“ am Anfang des vorangegangenen Kapitels (Hiob 29:2). Hiob wird nun verspottet. Und von wem? Von Menschen, die jünger sind als er (Hiob 19:18). Früher hatten sich die jungen Leute versteckt, wenn er zum Tor ging (Hiob 29:8), aber jetzt lachen sie über ihn, sie machen sich über ihn lustig, indem sie Witze über ihn machen.

Leider kommt es in unserer Zeit immer häufiger vor, dass sich junge Menschen abfällig über ältere Menschen äußern oder sie negativ kritisieren. Eine solche Haltung steht im Widerspruch zu Gottes Wort. Wer das tut, bekommt es mit Gott selbst zu tun (3Mo 19:32). Junge Menschen werden aufgerufen, sich den Älteren unterzuordnen (1Pet 5:5a). Die Älteren sollten sich aber fragen, ob sie sich so verhalten, dass es für die Jüngeren nicht so schwierig ist.

Hiob sagt von diesen spöttischen Jugendlichen, sie seien die Nachkommen minderwertiger Väter. Wie kann man von solchen Vätern erwarten, dass sie ihren Kindern Anstand beibringen? Er würde diesen Vätern nicht einmal einen Platz unter den (Hirten-)Hunden geben wollen – das einzige Mal, dass in der Bibel diese Hunde erwähnt werden. Ein Platz unter Hunden bedeutet große Verachtung, denn im Osten waren Hunde verachtete Tiere (2Sam 16:9).

Hiob wollte diese Menschen nicht gebrauchen, sie waren aber auch untauglich, um gebraucht zu werden (Hiob 30:2). Sie konnten und wollten nichts leisten. Sie hatten nie gelernt, anzupacken, weil sie es nicht wollten. Als sie alt und kraftlos wurden, war von ihnen erst recht nichts mehr zu erwarten. Und die Nachkommen dieser Sorte Menschen haben die Frechheit, Hiob zu verspotten.

Die Väter litten Mangel und Hunger und waren deshalb „abgezehrt“, d. h., aus ihren Händen kam nichts, was anderen von Nutzen war (Hiob 30:3). Sie wurden auch nirgendwo geduldet. Deshalb „nagen sie das dürre Land ab“. Ihr unfruchtbares Leben passte perfekt zu einem dürren Land, das auch von Unfruchtbarkeit spricht. Sie blieben in dunklen Höhlen inmitten von Verwüstung und Verödung. Ihr ganzes Lebensumfeld zeugt von Leere, Dunkelheit und Trostlosigkeit.

Sie lebten von Kräutern, die sie pflücken konnten, und von den Blättern der Sträucher (Hiob 30:4). So schienen sie ein tierähnliches Leben zu führen. Aus der „Wurzel des Ginsters“ wurde die beste Holzkohle hergestellt, die tagelang brennen konnte. Zu Hiobs Zeiten war dies eine Arbeit für die unterste Schicht der Menschen.

Die Gesellschaft wollte sie nicht dabei haben. Wenn sie an die Tür klopften, wurden sie wie Bettler weggejagt, und die Leute schrien ihnen nach, dass sie gemeine Diebe seien (Hiob 30:5). Es waren keine bedauernswerten Menschen, die man bemitleiden musste, sondern Menschen, die in keinster Weise ein anständiges Leben führen wollten. Sie hatten diese Art von Leben gewählt.

Sie zogen es vor, an den Hängen der Täler zu leben, wo sonst niemand leben wollte (Hiob 30:6). Wie Kaninchen gruben sie Löcher in den Staub oder zogen in solche, die sich in den Felsen befanden.

Ihre gegenseitige Kommunikation erfolgte durch Kreischen (Hiob 30:7). Das gleiche Wort wird für die Laute eines Esels verwendet (Hiob 6:5). „Unter Dorngestrüpp“ kauerten sie zusammen, um sich zu wärmen, aber auch, um ihren sexuellen Trieben zu frönen. Sie waren völlig schamlos. Vielleicht hat auch das ungenierte Kreischen im Gebüsch damit zu tun. Sie lebten in jeder Hinsicht wie die Tiere.

Diese Väter waren selbst auch „Kinder von Verworfenen“, das heißt von Vätern, die ohne Gott und ohne Gebot gelebt hatten (Hiob 30:8). Sie kamen aus einem Milieu, das wir heute als asozial bezeichnen, und zwar von der schlimmsten Sorte. Sie waren ehrlos und unbedeutend. Es gibt wenig, was die Würde eines Menschen so sehr beeinträchtigt, wie so zu tun, als gäbe es ihn nicht, als wäre er Luft. Die Menschen, von denen Hiob spricht, sind solche Menschen, die keine Existenzberechtigung haben, weil sie keinerlei Verantwortung übernommen haben. Deshalb wurden sie „hinausgepeitscht aus dem Land“.

Und es sind die Nachkommen dieser Nichtsnutze ohne Anstand und ohne Ehre, die nun zu Hiob kommen, um ihre Verachtung für ihn auszudrücken. Die Frage ist, ob wir in der Lage sind auch nur ansatzweise zu begreifen, was für einen Kummer das für ihn bedeuten muss. In jedem Fall erfordert es von uns ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Wenn wir uns im Geist neben Hiob setzen, werden wir etwas von der Bitterkeit des Leids spüren, das ihm damit angetan wird.

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