Job 38:16

Ungekannte Tiefen und Breiten

Gott fragt Hiob, ob er etwas über „die Quellen des Meeres“ und „die Gründe der Tiefe“ weiß (Hiob 38:16). Hat er den Grund des Meeres gesehen und erforscht, sodass er die Quellen, aus denen das Meer entspringt, entdeckt hat? Und ist er auf dem Grund des Meeres so zu Hause, dass er dort spazieren gegangen ist? Das Meer birgt unbekannte Tiefen, in denen es völlig dunkel ist, wo der Mensch nicht hinkommt, und wenn er hinkäme, könnte er nichts sehen.

Vor Gott bergen diese unzugänglichen Tiefen keine Geheimnisse. Er wandelt dort auf Ihm völlig bekanntem Terrain (Ps 77:20). Dem Menschen fehlt das Wissen über diese Tiefen, weil er nicht dorthin gehen kann. Wenn er die natürlichen Tiefen nicht kennt, was weiß er dann über Gottes Weg in seinem Leben mit den Tiefen, durch die Er ihn manchmal führt? Es mag genügen, dass Gott seinen Lebensweg und sein Lebensziel kennt, mitten durch das Meer und die großen Wasser der Prüfungen hindurch.

In Hiob 38:17 stellt Gott Hiob eine Frage über eine noch größere und dunklere Tiefe als die des Meeres, und zwar über die Tiefen des Totenreichs. Solange man sich im Land der Lebenden befindet, bleibt es ein Rätsel, was genau „die Pforten des Todes“ sind, wie man sie sich vorstellen muss. Er hat keine Ahnung davon und keinerlei Einsicht in diese Dinge. Indem Gott auch von den „Pforten des Todesschattens“ spricht, fügt Er dem Zustand des Todes den Aspekt der Dunkelheit hinzu.

Um Antworten auf diese Fragen geben zu können, muss ein Mensch sie erst einmal erfahren. Wenn er es einmal erfahren hat, kann er nicht mehr zurückkehren, um es zu erzählen, weil er tot ist. Der Mensch weiß nicht aus Erfahrung, was der Tod ist oder wie er aus dem Leben scheidet und wie sich das anfühlt. Vor Gott hat der Tod keine Geheimnisse (Hiob 26:6). Er weiß genau, wie der Tod vonstatten geht.

Auch der neutestamentlich Gläubige weiß nicht, wie der Tod genau funktioniert. Was er jedoch wissen kann, ist, dass der Tod keine Macht mehr über ihn hat. Es kann passieren, dass er stirbt. Er weiß nicht, wie es geht, aber er weiß, wohin er geht, nämlich zu seinem Herrn und Heiland in das Paradies (Lk 23:43; Phil 1:23). Der Gläubige gehört zur Gemeinde, von der der Herr Jesus sagte: „Die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16:18b).

Nach den Tiefen geht es um die Breiten. Gott fragt Hiob, ob seine Einsicht „in die Breiten der Erde“ reicht (Hiob 38:18). Die Bedeutung der Frage ist, ob Hiob den Breiten der Erde, d. h. der Erdoberfläche im Gegensatz zum Meer, besondere Aufmerksamkeit schenkte und dadurch eine gründliche und umfassende Kenntnis von ihnen erlangte. Hiob wusste nicht, dass die Erde eine Kugel ist und dass der Äquator der breiteste Punkt der Erde ist. Für ihn waren die Breiten der Erde das, was er um sich herum sah. Das muss Hiob zu der Erkenntnis gebracht haben, dass das Blickfeld des Menschen auf den Horizont beschränkt ist, Gott aber alles überblickt.

Gott schließt diese Reihe von Fragen mit der Einladung – oder vielleicht eher der Herausforderung – an Hiob, es Ihm mitzuteilen, wenn er das alles weiß. Es geht Ihm nicht um die konkrete Antwort auf die einzelnen Fragen, sondern um die Antwort auf alle Fragen, um ihren Zusammenhang, weil alle Fragen miteinander zusammenhängen. Hiob schweigt und antwortet nicht. Angesichts dessen, was Gott ihn fragt, beginnt es ihm zu dämmern, dass er „Worte ohne Erkenntnis“ gesprochen hat (Hiob 38:2).

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