John 1:1-18

Einleitung

Wenn wir eine Person beschreiben, können wir das aus verschiedenen Blickwinkeln tun. So können wir beispielsweise jemanden als Vater einer Familie beschreiben. Danach können wir dieselbe Person auch möglicherweise als einen Kollegen oder einen Nachbarn beschreiben. Wir sehen, wie auf diese Weise vier Evangelisten – unter der Inspiration des Heiligen Geistes – über das Leben des Herrn Jesus während seines Hierseins auf der Erde berichtet haben. In den vier Lebensbeschreibungen, die wir dadurch in der Bibel haben, berichtet Matthäus in seinem Evangelium über den Herrn Jesus als König, Markus stellt Ihn als Diener vor, Lukas beschreibt Ihn als den wahren Menschen und Johannes schreibt schließlich über Ihn als den ewigen Sohn Gottes.

Die vier lebendigen Wesen im Buch der Offenbarung (Off 4:7) sind ausgezeichnete Symbole für jedes der vier Evangelien. Das vierte dieser vier lebendigen Wesen ist gleich einem fliegenden Adler. Dieses Symbol passt zu dem Evangelium, das den Herrn Jesus als den Sohn Gottes vorstellt, der aus dem Himmel auf die Erde gekommen ist. Die Farbe, die zu diesem Evangelium passt, ist das Blau.

Das Ziel dieses Evangelium ist, dass wir den Herrn Jesus als Gott, den Sohn, betrachten. Daher auch die Aufforderung „Siehe da, euer Gott“ (Jes 40:9). Auf der einen Seite lesen wir, dass niemand Gott jemals gesehen hat oder sehen kann (Joh 1:18; 1Tim 6:16), doch andererseits wird vom Herrn Jesus gesagt, dass Er als der eingeborene Sohn, der in dem Schoß des Vaters ist, Ihn kundgemacht hat (Joh 1:18b; Joh 14:9). Das wird in diesem Evangelium auf einzigartige Weise beschrieben.

Einer der Korrekturleser gab bei der Abgabe seiner letzten Korrekturen seinen Eindruck von diesem Evangelium wie folgt wieder: „Wir haben es hier mit einem begrenzten Flussbett zu tun, aber der Strom selbst ist nicht begrenzt. Und das ist ein beglückender Gedanke. Ich hoffe, dass ich dir mit meinem Beitrag helfen konnte. Es war ein großes Vorrecht, dieses Evangelium so intensiv zu lesen und zu überdenken. Allerdings meine ich fast, dass ich nun noch weniger davon verstehe als vorher, weil es besonders reich ist. Welch ein Glück ist es, durch den Glauben das Leben in seinem Namen zu haben.“

Einleitung auf das Evangelium nach Johannes

Das Johannesevangelium hat einen besonderen Charakter. Jeder, der es aufmerksam liest, wird das feststellen, selbst wenn man nicht immer deutlich versteht, warum das so ist. Es beeindruckt nicht nur den Geist, sondern zieht in einzigartiger Weise das Herz an: Dieses Evangelium stellt die Person des Sohnes Gottes als den vor, der sich so erniedrigt hat, dass Er sagen konnte: „Gib mir zu trinken“ (Joh 4:7).

Dieses Evangelium unterscheidet sich deutlich von den drei anderen Evangelien. Dort finden wir sehr wertvolle Einzelheiten über das Leben des Heilands auf der Erde wie seine Geduld und seine Gnade. Er ist der vollkommene Ausdruck des Guten inmitten des Bösen. Seine Wunder sind allesamt (mit Ausnahme der Verfluchung des Feigenbaums) Wunder der Güte, Äußerungen göttlicher Kraft in Güte. Dabei sehen wir mit zunehmender Deutlichkeit, wie Er, der auf diese beeindruckende Weise Gott in Güte und Gnade offenbart, verworfen wird.

Johannes zeigt Ihn uns ganz anders. Er stellt Ihn uns als eine göttliche Person vor, Gott, offenbart in der Welt. Diese göttliche Person ist das ewige Leben. In Ihm ist dieses Leben zu sehen. Aber es ist deutlich, dass die Welt und die Seinen (gemeint ist Israel) von Anfang an keine Verbindung damit haben. Es geht in diesem Evangelium nicht um die Bedürfnisse des Sünders, sondern um das Verlangen des Herzens Gottes, des Vaters, Kinder bei sich im Vaterhaus zu haben. Und diesen Segen des Vaterhauses möchte Er jetzt schon mit seinen Kindern teilen.

Außerdem geht es in diesem Evangelium, abgesehen von einigen wenigen Stellen, nicht um den Himmel. Fast immer geht es um die Gnade und die Wahrheit im Sohn hier auf der Erde.

Johannes schreibt sein Evangelium, um den Einfluss der sogenannten Gnostiker zu entkräften. Diese Leute (wörtlich „Wissende“) leugneten jede gewisse Kenntnis über Gott und über göttliche Dinge. Sie leugneten sowohl die eigentliche Gottheit als auch die wirkliche Menschheit des Sohnes. Johannes formuliert das Ziel des Evangeliums in Kapitel 20,30.31, das er mit seinem Evangelium verfolgt.

Durch den merklich zunehmenden Einfluss, den der Islam auf Christen ausübt, ist dieses Evangelium auch in dieser Hinsicht aktuell. Ich las in der Monatsschrift De Oogst (Die Ernte) vom April 2008 Folgendes: „Dass die Gottheit Jesu Christi um den Preis einer guten Beziehung zum Islam ausverkauft wird, zeugt von der Aushöhlung und dem Verfall des Christentums. … Kürzlich hieß es in einer Untersuchung über Willow Creek, dass von einer zunehmenden Zusammenarbeit zwischen der Kirche und dem Islam viel Heil zu erwarten sei; Christen und Moslems müssten eine stets wachsende Einheit bilden. Schließlich seien sie beide Menschen des Buches, sie verehrten gemeinsam denselben Propheten, sie stimmten in sehr vielen religiösen Bereichen überein wie Gebet, Sexualität, Sünde und Familie. Auch in sozialer Hinsicht bestünden viele Übereinstimmungen zwischen Christen und Moslems. Sie sollten im Kulturkampf der kommenden Jahre Bundesgenossen werden.“

Glücklicherweise ist dieses Evangelium noch immer Teil des Wortes Gottes. Noch immer können wir es lesen und uns damit gegen die Listen des Teufels wappnen.

Obwohl Johannes nirgends seinen Namen nennt, spricht er doch über sich, und zwar als den Jünger, „den Jesus liebte“, das bedeutet, dass er vom Herrn geliebt wurde (Joh 13:23; Joh 19:26; Joh 20:2; Joh 21:7; 20).

Das Wort

Johannes beginnt sein Evangelium damit, dass er den Herrn Jesus als „das Wort“, den Logos, vorstellt. Das bedeutet: So wie Worte Gedanken ausdrücken, ist Er der vollkommene Ausdruck dessen, wer Gott ist. Darum finden wir hier kein Geschlechtsregister von Ihm wie in Matthäus (wo Er als der König vorgestellt wird) und in Lukas (wo gezeigt wird, dass Er auch als Mensch der Sohn Gottes ist). Wie bei Johannes, so finden wir auch bei Markus kein Geschlechtsregister von Ihm; hier ist der Grund, dass für einen Diener seine Abstammung nicht von Bedeutung ist. Im Johannesevangelium ist ein Geschlechtsregister einfach unvorstellbar. Wie sollte das bei dem ewigen Wort, das ist der ewige Sohn, auch möglich sein?

Johannes stellt zunächst die ewige Existenz des Wortes fest. Die Worte „Im Anfang“, weisen auf alles hin, was einen Anfang hat, um dann festzustellen, dass das Wort war. Das reicht daher auch noch weiter zurück als die ersten Worte der Bibel, wo wir lesen: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (1Mo 1:1). Wie weit wir auch immer zurückdenken können, an welchen Anfang auch immer, stets sehen wir, dass das Wort schon da war, dass es bereits bestand. Das Wort selbst ist ohne Anfang. Es ist ewig. Zweitens sagt Johannes, dass das Wort „bei Gott“ war. Das zeigt deutlich, dass das Wort eine Person ist, dass das Wort eine persönliche Existenz hatte und hat. Drittens erwähnt Johannes, dass das Wort auch selbst Gott war.

Diese drei Kennzeichen oder Wesensmerkmale des Wortes bilden den Ausgangspunkt seines Evangeliums. Damit man die Beschreibung des Sohnes in diesem Evangelium verstehen kann, muss man diese drei Kennzeichen ohne zu zweifeln im Glauben erkennen und annehmen. Johannes beschreibt Ihn in seinem Evangelium als den ewigen Sohn, der selbst wahrhaftiger Gott ist. Um die drei Kennzeichen zu betonen, sagt Johannes es noch einmal ganz unmissverständlich: „Dieses war im Anfang bei Gott“, bei Gott als dem Ewigen. Das Wort war und ist als Person genauso ewig wie Gott.

Der Schöpfer und das Licht der Menschen

Das ewige Wort, das also selbst ohne Anfang ist (es war), hat allen Dingen einen Anfang gegeben. Hier kommen wir zu 1. Mose 1 (1Mo 1:1). Das Wort selbst ist nicht geworden, sondern ist der Ursprung von allem (Kol 1:15; 16; Heb 1:2; 10). Alle Dinge haben einen Anfang („alles wurde“), und diesen Anfang verdanken sie Ihm, der das Wort ist.

Um jedem Versuch vorzubeugen, diese Tatsache zu leugnen, wiederholt Johannes im zweiten Teil von Joh 1:3 den ersten Teil, doch nun, indem er das Gegenteil der Tatsache verneint. Es ist die Torheit der Evolutionslehre – der fälschlich so genannten Kenntnis (1Tim 6:20) –, den Ursprung aller Dinge ohne Ihn erklären zu wollen. Doch die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes (Ps 19:2), und seine ewige Kraft und seine Göttlichkeit können in dem Gemachten wahrgenommen werden (Röm 1:19; 20).

Hier sehen wir den ganzen Unterschied zwischen allem, was geworden ist, und dem Herrn Jesus. Wenn etwas geworden oder gemacht ist, dann ist es nicht das Wort, denn alles, was geworden ist, ist durch das Wort gemacht.

Das bedeutet nicht, Er habe auch das Böse geschaffen. Gott ist gut, und alles, was aus Ihm hervorkommt, hat diesen Charakter. In Ihm ist gar keine Finsternis (1Joh 1:5). Aus Ihm kann nichts hervorkommen, was im Widerspruch zu seinem Wesen steht. Wer unterstellt, Gott habe auch das Böse geschaffen, schränkt seine Güte ein. Er hat zwar Wesen erschaffen, Engel und Menschen, die in der Lage waren und sind, Böses zu tun, doch Er hat das Böse selbst nicht geschaffen.

Die ganze Schöpfung ist durch Ihn geworden, doch in Ihm war Leben. Er ist die Quelle es Lebens. Er hat das Leben nicht von irgendwoher bekommen, sondern es kommt aus Ihm als dem Ursprung hervor. Dadurch steht Er in Verbindung mit einem besonderen Teil seiner Schöpfung: dem Menschen (Heb 2:16; Spr 8:31; Lk 2:14).

Alle Worte, die Johannes unter der Leitung des Heiligen Geistes gebraucht, sind äußerst kurz und einfach und besitzen doch göttliche Fülle und Bedeutung. Sie sind wie das Schwert der Cherubim, die den Baum des Lebens bewachen (1Mo 3:24). Das Schwert dreht sich nach allen Seiten hin, um Ihn, so wie Er ist, in unserem Geist unversehrt zu bewahren.

Das Leben, das Er offenbart, ist zugleich Licht für den Menschen. In diesem Licht wandelt der Gläubige. Das Licht macht alles offenbar. Dadurch, dass der Mensch in das Licht tritt, kann er Leben bekommen. Wenn ein Mensch Licht hat, hat er es allein im Wort, das das Leben ist.

Als das Leben, das der Herr Jesus ist, auf der Erde offenbart wurde, schien das Licht in der Finsternis. Als Gott im Anfang das Licht in der Finsternis schuf und das Licht in der Finsternis leuchtete, wich die Finsternis (1Mo 1:3). Doch als das Leben offenbart wurde und das Licht schien, wich die Finsternis nicht. Es gab für die Menschen kein anderes Licht als „das Leben“. Gott bewohnt ein unzugängliches Licht, das kein Mensch gesehen hat noch sehen kann (1Tim 6:16), doch in dem Wort scheint das Licht in der Finsternis. Es scheint – nicht: „es schien“ –, aber die Finsternis hat es nicht erfasst, das heißt, dass es eine vollendete Tatsache ist: es ist unveränderlich.

Zusammengefasst haben wir in den Joh 1:1-5 das Zeugnis des Geistes über das Wort. Wir sehen es zunächst in Beziehung zu Gott, dann in Beziehung zur Schöpfung und schließlich in Beziehung zum Menschen.

Ein Zeugnis von dem Licht

In seiner Güte sendet Gott jemanden, um die Aufmerksamkeit auf das Licht zu lenken. Das tut Er durch Johannes. Dass ein Zeugnis kommen muss, um von dem Licht zu zeugen, zeigt auch, in welch völliger Dunkelheit und Blindheit die Menschen lebten. Wenn es dunkel ist und Licht aufleuchtet, dann sehen es alle, die offene Augen haben.

Das Licht braucht kein Zeugnis. Es ist da und wird gesehen. Doch für Menschen, die geistlich in der Finsternis sind, ist es erforderlich, dass sie auf die Anwesenheit des Lichtes hingewiesen werden. Johannes wird mit dem Ziel gesandt, dass er von dem Licht zeugt, damit Menschen glauben. Das Zeugnis richtet sich an „alle“, nicht nur an Israel. Es geht um den persönlichen Glauben an den Sohn. Wenn jemand keinen Glauben hat, sieht er das Licht nicht, auch wenn es noch so hell scheint.

Johannes ist nur ein Werkzeug. Er richtet die Aufmerksamkeit nicht auf sich selbst, sondern auf den Herrn Jesus, das Licht. Wie gesagt ist das Licht nicht auf Israel beschränkt, sondern kommt „in die Welt“, so wie die Sonne nicht nur für ein bestimmtes Volk scheint. Es kommt in die Welt, aber es erleuchtet jeden einzelnen Menschen. Christus stellt jeden Menschen persönlich in das Licht. Er macht jeden Menschen in dem, was er ist, offenbar, seien es nun Petrus oder Herodes, Nathanael oder Kajaphas.

Das Aufnehmen des Wortes

Als der Herr Jesus in die Welt kam, trat Er in seine eigene Schöpfung ein. Aber die Welt kannte ihren Schöpfer von Anfang an nicht, so sehr war sie durch die Sünde von Ihm entfremdet. In der Welt befand sich eine besondere Gruppe von Menschen, in deren Mitte Er sich aufhalten wollte. Das war sein eigenes Volk, Israel. Sie nahmen Ihn jedoch nicht an. Hier heißt es nicht wie bei der Welt, dass sie Ihn nicht kannten. Dass die Seinen Ihn nicht annahmen, bedeutet, dass sie Ihn verwarfen, und nicht, dass sie Ihn aus Unkenntnis oder Unwissenheit nicht annahmen.

Aber dann sehen wir, dass eine völlig neue Gruppe von Menschen gebildet wird, die aus denen besteht, die Ihn wohl aufgenommen haben. Nachdem die Welt Ihn nicht kennt und die Seinen Ihn nicht annehmen, wird der Weg für die Offenbarung von etwas Neuem geöffnet. Aus der Welt werden Menschen zu einer neuen und bis dahin unbekannten Beziehung zu Gott abgesondert. Sie sind nicht besser oder weniger schlecht als andere. Der große Unterschied besteht darin, dass die, welche die neue Gruppe bilden, aus Gott geboren sind. Sie haben sich im Licht des Wortes gesehen und verurteilt und haben Ihn aufgenommen.

Zugleich hat Gott neues Leben in ihnen gewirkt. Nur denen, die Ihn aufnahmen, gab Er das Recht, in die Stellung von Kindern zu kommen. Das ist nicht nur eine äußere Ehrenposition, sondern die wirkliche Gabe des Lebens und eine echte Lebensbeziehung. Sie sind aus Gott geboren und besitzen dadurch die Natur Gottes und sind somit Kinder Gottes. Der Herr Jesus wird übrigens niemals „Kind Gottes“ genannt. Er ist der einzigartige, ewige Sohn, wobei Er auch als Mensch der Sohn Gottes ist (Lk 1:35). Dieses große Vorrecht, ein Kind Gottes zu werden, gilt für jeden, der an seinem Namen glaubt. Sein Name ist das Fundament des Glaubens, und sein Name ist der Inhalt des Wortes, in dem alles, was Gott ist, zum Ausdruck gekommen ist.

Diese neue Beziehung ist nicht auf irgendetwas gegründet, was aus dem Menschen ist. Jede menschliche Quelle ist ausgeschlossen. Nicht aus Geblüt bedeutet, dass niemand durch Familienbeziehungen, durch natürliche Verwandtschaft, ein Kind Gottes wird. Niemand wird ein Kind Gottes, weil seine Eltern es auch sind. Noch aus dem Willen des Fleisches bedeutet, dass diese Beziehung auch nicht durch eigene Anstrengung erlangt werden kann. Noch aus dem Willen des Mannes bedeutet, dass sie auch nicht durch die Bemühung anderer Menschen zu erlangen ist, als könnte ein Mensch sie einem anderen beispielsweise durch eine Taufhandlung vermitteln. Jemand wird ausschließlich dadurch ein Kind Gottes, dass er aus Gott geboren wird.

Das neue Leben ist das Leben Gottes, und Gott teilt es mit, Er gibt es. Er erweckt ein neues Geschlecht. Dieses neue Geschlecht besteht aus gewöhnlichen Menschen, und das bleiben sie auch, aber sie sind geistlich von neuem geboren. Sie sind wahrhaftig aus Gott geboren und haben dadurch an der göttlichen Natur teilbekommen, denn ihr neues Leben ist das Leben Gottes (2Pet 1:4).

Das Wort wurde Fleisch

Die Joh 1:1; 2 beschreiben, was Er ewig war, Joh 1:14 sagt, was Er in der Zeit wurde. Er wurde Mensch und wohnte unter uns. Das Wort „wohnen“ ist eigentlich „zelten“, „in einem Zelt wohnen“. Der ewige Sohn wurde Fleisch, wurde Mensch, um so unter Menschen verweilen zu können, so wie Gott früher in der Stiftshütte bei seinem Volk wohnte und mit ihnen umherzog (2Mo 25:8).

Durch seine Menschwerdung konnte Er uns alle seine Herrlichkeiten, die in den vorhergehenden Versen geschildert werden, zeigen. Seine Herrlichkeit wird von all denen angeschaut, die Ihn „aufnahmen“ (Joh 1:12). Diese Herrlichkeit, die wir anschauen, ist nicht die vom Berg Sinai, von Majestät und gerechten Forderungen. Es ist eine Herrlichkeit, die zu der innigen Beziehung der Liebe passt, die zwischen dem Vater und Ihm, dem eingeborenen Sohn des Vaters, besteht.

Es ist ein großes Wunder, diese Herrlichkeit anschauen zu dürfen. Wenn wir durch Gnade geöffnete Augen dafür haben, sehen wir, wie Er voller Gnade und Wahrheit ist. Gnade ist Liebe inmitten des Bösen, während sie zugleich darüber erhaben ist. In Christus hat sich die Gnade mitten in das Böse begeben, um das Böse durch das Gute zu überwinden.

Gnade und Wahrheit sind unlösbar miteinander verbunden. Gnade ohne Wahrheit ist keine Gnade. Gnade ist mit Wahrheit gepaart und macht es für einen Menschen möglich, die Wahrheit zu ertragen, wenn er sich dadurch als Sünder erkennt und verurteilt wird. Deshalb ist die Reihenfolge: zuerst Gnade, dann Wahrheit.

Gott hat nicht aufgehört, durch Johannes auch ein Zeugnis über seinen Sohn als den zu geben, der voller Gnade und Wahrheit ist. In jedem Abschnitt dieses Kapitels haben wir ein Zeugnis des Johannes: zunächst in Bezug auf das Licht (Joh 1:6-9), hier im Blick auf sein Zeugnis gegenüber der Welt und danach in Bezug auf sein Auftreten in der Welt (Joh 1:19-36). Johannes, der Größte unter den von Frauen Geborenen (Lk 7:28), zeugt auf jeder Ebene von Ihm. Der Herr Jesus ist Gott, auch wenn er später als Johannes auftritt. Er ist der Geber, der allen ohne Unterschied gibt, und das aus einer unerschöpflichen Fülle. Es gibt keinen Segen außer Ihm, und folglich gibt es keinen Mangel bei denen, die Ihn besitzen.

Wir haben nicht Wahrheit um Wahrheit empfangen (die Wahrheit ist einfach und stellt alles an seinen Platz), sondern was wir nötig hatten: Gnade um Gnade, eine Gnade nach der anderen, Gottes Gunst im Überfluss. Wir dürfen hierbei an eine Anhäufung göttlicher Segnungen denken, die Früchte seiner Liebe sind.

Diese Dinge stehen in völligem Gegensatz zum Gesetz. Das Gesetz wurde durch Mose gegeben. Mose ist der Mittler, durch den Gott das Gesetz gegeben hat. Das Gesetz sagt zwar, was der Mensch sein sollte, aber nicht, was der Mensch ist. Die Wahrheit tut gerade das. Das Gesetz kann den Menschen nicht befreien und Gott nicht offenbaren. Durch das Gesetz bekommt man kein Leben und auch keine Offenbarungen. Das liegt daran, dass die Sünde bereits durch Adam in die Welt gekommen ist und das Gesetz durch das Fleisch kraftlos geworden ist. Das liegt nicht am Gesetz, sondern am Menschen, der jeden Segen Gottes verloren hat.

Nun aber ist durch Jesus Christus eine vollkommene und herrliche Veränderung eingetreten. Hier wird schließlich der Name dessen genannt, in dem alle genannten Herrlichkeiten sind und der ihr Ausdruck ist: Jesus Christus.

Gnade und Wahrheit bilden eine Einheit. Darum steht hier, dass die Gnade und die Wahrheit durch Ihn geworden ist (nicht: sind). Gnade und Wahrheit, die völlig in Ihm ist (Joh 1:14), hat in Ihm ihren vollkommenen Ausdruck bekommen. Hier steht nicht, dass Gnade und Wahrheit durch Ihn gegeben ist, so wie das Gesetz durch Mose gegeben wurde. Der Herr Jesus ist nicht ein Mittler, jemand, durch den Gott Gnade und Wahrheit gibt. Er hat aus seiner eigenen Herrlichkeit heraus Gnade und Wahrheit gezeigt.

Wenn Er nicht gekommen wäre, hätten wir niemals Gnade und Wahrheit kennengelernt. Er zeigt verlorenen Menschen die Gnade Gottes und die Wahrheit Gottes, damit sie Teil bekämen an allem, was Gott in seinem Herzen hat und was Er in Christus offenbart hat. Wenn Christus nicht gekommen wäre, hätten wir lediglich einen begrenzten Eindruck von Gott bekommen können, sei es durch die Natur oder sei es durch das Gesetz. Beides hätte uns auf Abstand gehalten und schließlich verurteilt, wenn der Sohn nicht gekommen wäre.

Nachdem Er nun gekommen ist, hat Er Gott auf eine alles überragende Weise offenbart. Er hat Gott als Vater offenbart. Er hat das aus der engen Beziehung herausgetan, die Er selbst besaß und die Er niemals verlassen hat. Das Wort „Schoß“ bezeichnet engste Beziehung und innigste Vertrautheit. Das ist der Ort, wo der Sohn ewig ist, den Er niemals verlassen hat und wo Er auch war, als Er als Mensch auf der Erde war.

Darum konnte und kann Er und nur Er allein Gott kundmachen. Es musste nicht nur der volle Segen kundgemacht werden, der durch Jesus Christus gekommen ist und der durch seine Erlösung der Besitz aller ist, die an der Erlösung teilhaben, auch Gott selbst musste bekanntgemacht werden. Das hat Jesus Christus getan, der Offenbarer und die Offenbarung Gottes und aller Dinge, weil Er die Wahrheit ist. Er konnte das tun, weil Er der Sohn im Schoß des Vaters ist.

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