John 15:1-6

Der wahre Weinstock

Als der Herr Jesus mit seinen Jüngern den Obersaal verlassen hat und mit ihnen unterwegs zum Ölberg ist, belehrt Er sie weiter. In diesem Kapitel spricht Er mit Ihnen über das, was sie sein werden, wenn Er sie verlassen haben wird. Es fällt auf, dass Ihm in diesem Kapitel seine Jünger kein einziges Mal mit einer Frage oder Bemerkung in die Rede fallen, wie das im vorigen Kapitel der Fall war und auch im folgenden geschieht. Er sagt ihnen, dass sie auf der Erde ein neues Zeugnis für Gott sein würden.

Er illustriert seine Belehrung mit dem Bild vom Weinstock. Dieses Bild wird im Alten Testament auf Israel angewandt (Ps 80:9-18; Jes 5:1-7; Hes 15:1-8). Der Herr hatte einen Weinstock aus Ägypten gezogen und in Israel gepflanzt (Ps 80:9). Das war Israel nach dem Fleisch, doch das war nicht der wahre Weinstock. Israel hat nicht die Frucht gebracht, die Gott erwartete. Stattdessen brachte das Volk schlechte Beeren, so dass Gott es dem Gericht preisgegeben musste.

Der Herr Jesus nimmt nun den Platz Israels als Weinstock ein. Er beginnt die Geschichte Israels aufs Neue, doch jetzt ist Frucht für Gott und Segen für andere da. Er ist der wahre, der wahrhaftige Weinstock. Er hat Gott die Frucht dargebracht, die Gott von Israel erwarten konnte. Christus ist die Quelle aller wahren Frucht für Gott auf der Erde. Er ist nicht nur eine Rebe, die Frucht bringt, während die anderen Reben keine Frucht bringen, sondern Er ist der wahre Weinstock, an dem jede Rebe Frucht bringen kann.

Der Vater – und nicht Jahwe oder der Allmächtige – ist der Weingärtner. Das setzt eine Beziehung voraus, die weiter geht als das, was Israel kannte. Gott stand mit Israel als Volk in einer Bundesbeziehung. Das ist eine ganz andere Beziehung als die, in der die Gläubigen zu Ihm stehen, die nach der Auferstehung des Herrn Jesus die Familie Gottes bilden (Joh 20:17; 22). Sie dürfen Ihn als Vater kennen, weil der Herr Jesus ihr Leben ist und sie dadurch Kinder Gottes sind.

Reinigung und Fruchtbringen

Die Gläubigen werden mit Reben am Weinstock verglichen. Der Vater wird als der Weingärtner oder Ackerbauer vorgestellt, der die größte Sorgfalt auf die Reben verwendet, damit sie möglichst viel Frucht bringen. Er reinigt, Er schneidet und nimmt alles weg, was die Säfte des Weinstocks auf Kosten guter Frucht missbraucht.

Es kann Dinge im Leben eines Gläubigen geben, die verhindern, dass sein Leben die volle Frucht für den Vater hervorbringt. Es muss nicht immer eindeutig Böses sein, es können Dinge sein, die die Qualität der Frucht in unserem Leben mindern. Dann geht der Vater zu Werke und tut alles weg, was hindert, dass die volle Frucht entsteht. Was unsere Lebenskraft verbraucht und keine Frucht bringt, muss weggetan werden. Er tut alles, um die Frucht zu steigern und zu verbessern.

Wenn Reben keine Frucht bringen, bedeutet das, dass sie keine Lebensverbindung mit dem Weinstock haben. Ihre Verbindung ist eine Scheinverbindung. Solch eine Rebe war Judas. Seine Verbindung mit Christus als dem Weinstock war eine Scheinverbindung.

Die Frucht, die der Vater bei uns bewirken will, ist die Frucht des Geistes (Gal 5:22). Diese Frucht des Geistes ist ganz und gar die Gesinnung Christi. Wenn diese Gesinnung vorhanden ist, kommt sie auch in Taten zum Ausdruck. Der Herr spricht zu seinen Jüngern als zu Gläubigen, die schon rein sind. Der Vater reinigt nur die, die bereits rein sind. Die Reinheit ist durch das Wort bewirkt worden, das der Herr Jesus zu ihnen geredet hat und das in ihrem Herzen und Gewissen gewirkt hat.

Als der Herr über diese Reinheit spricht, ist Judas nicht mehr dabei. Daher brauchte der Herr auch nicht zu sagen: „… aber nicht alle“ (vgl. Joh 13:10). Das Wort hat ihre Wege gereinigt, hat ihre weltliche Gesinnung verurteilt und ihr fleischliches Verlangen aufgedeckt. Es hat sie zum Selbstgericht gebracht, zur Bekehrung und zum Glauben. Wir brauchen das Wort jedoch nicht nur, um dadurch zur Bekehrung zu kommen und rein vor Gott stehen zu können. Wir brauchen immer wieder die reinigende Kraft des Wassers des göttlichen Wortes. Dadurch reinigt uns der Vater. Er macht durch sein Wort deutlich, was bei uns weggetan werden muss.

Damit der Vater uns durch das Wort reinigen kann, ist es nötig, dass wir in Christus bleiben. Die Aufforderung des Herrn, „bleibt in mir“, ist ein Auftrag, den nur die erfüllen können, die Leben haben. Wir bleiben in Ihm, wenn wir eine lebendige Beziehung zu Ihm pflegen. Dann bleibt Er in uns. Es ist nicht so, dass jemand, der sich bekehrt hat und Christus als sein Leben bekommen hat, Ihn wieder verlieren könnte. Es geht auch darum, dass der Gläubige sich bewusst ist, dass er in Ihm ist und dass er weiß, dass Christus als das Leben in ihm ist.

Es gibt eine enge Vereinigung des Gläubigen mit Christus. Wenn die nicht da ist, kann keine Frucht hervorkommen. Kein einziger Jünger hat Leben in sich selbst, und deshalb ist kein einziger Jünger in der Lage, selbst Frucht hervorzubringen. Es ist nur dann möglich, Frucht hervorzubringen, wenn eine lebendige Verbindung mit dem Weinstock vorhanden ist. Nur durch das Bleiben in Ihm kann Frucht hervorkommen.

Noch einmal weist der Herr Jesus auf sich selbst als den Weinstock hin und sagt den Jüngern, dass sie die Reben sind. Es ist sehr wichtig, dass wir das richtige Verhältnis stets gut im Auge behalten. Nur wenn wir in Ihm bleiben und Er in uns, wird es viel Frucht geben. Jedes Fruchttragen ist völlig abhängig davon, dass wir in Ihm bleiben. Losgelöst von Ihm ist es nicht möglich, Frucht zu bringen. Losgelöst von Ihm, getrennt von Ihm, ist es nicht möglich, auch nur das Geringste zur Ehre des Vaters zu tun. Wir sind in allen Dingen völlig von Ihm abhängig.

Die Rebe, die keine Frucht bringt

In Joh 15:2 hat der Herr bereits über die Rebe gesprochen, die keine Frucht bringt. Hier kommt Er darauf zurück und sagt, was das Schicksal einer solchen Rebe ist. Er sagt jemand, nicht ihr. Er wusste, dass die elf Jünger in Ihm waren und dass sie dadurch rein und auch fruchttragende Reben waren. Wenn aber jemand wie Judas nicht in Christus als der einzigen Quelle bleibt, aus der Frucht kommt, wird es ein schlimmes Ende mit ihm nehmen.

Es geht hier nicht um jemanden, der ein Glied am Leib Christi ist. Wer ein Glied am Leib Christi ist, kann nie mehr davon getrennt werden. Der Weinstock und die Reben legen die Betonung auf die Verbindung von Gläubigen mit Christus, wodurch sich das neue Leben erweist; und das geschieht durchs Fruchttragen. Eine Verbindung mit dem Herrn Jesus als der Quelle des Lebens ist die Voraussetzung dafür, Frucht zu bringen.

Der Herr spricht jedoch über die Möglichkeit, dass jemand durch Worte und Taten bekennt, eine Beziehung zu Ihm zu haben, bei dem sich jedoch im Lauf der Zeit zeigt, dass es sich nur um ein äußeres Bekenntnis handelt. Die Trennung von Christus bedeutet dann nicht nur, dass die Rebe verdorrt und ins Feuer geworfen wird, damit sie verbrennt. Es geht nicht darum, Schaden oder einen Verlust zu erleiden (1Kor 3:13), sondern verlorenzugehen (1Kor 9:27).

Was der Herr hier von der Rebe sagt, die keine Frucht bringt, kann man unmöglich auf einen wahren Gläubigen anwenden. Einen wahren Gläubigen, der keine Frucht bringt, gibt es nicht. Das Leben mag sich noch so schwach äußern, wenn echtes Leben vorhanden ist, wird es sich äußern, sei es auch noch so wenig.

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