John 2:1-10

Eine Hochzeit am dritten Tag

Johannes, der Schreiber dieses Evangeliums, spricht hier von einem „dritten Tag“. Damit könnte er den dritten Tag nach dem Eintreffen des Herrn in Galiläa meinen. Es könnte aber auch der dritte Tag nach dem Gespräch des Herrn mit Nathanael am Ende des vorigen Kapitels gemeint sein. Johannes hat bereits mehrmals über den „folgenden Tag“ gesprochen (Joh 1:29; 35; 43), und das hat nicht nur eine geschichtliche, sondern darüber hinaus vor allem eine prophetische Bedeutung. In diesen aufeinanderfolgenden Tagen können wir eine Reihenfolge von aufeinanderfolgenden Zeitspannen mit jeweils besonderen Merkmalen erkennen. In jeder dieser Zeitspannen bildet der Herr den Mittelpunkt, doch Er wird jedes Mal in einer anderen Beziehung und Herrlichkeit gesehen.

Beim ersten Mal, wo vom „folgenden Tag“ die Rede ist (Joh 1:29), geht ein Tag voraus, den wir den ersten Tag nennen können. Dieser Tag steht im Zeichen der Predigt Johannes’ des Täufers (Joh 1:19-28). Doch auch diesem ersten Tag geht etwas voraus, nämlich das, was wir in den ersten Versen von Kapitel 1 gefunden haben (Joh 1:1-18). Diese Verse bilden eine allgemeine Einleitung des gesamten Evangeliums. Sie handeln von dem ewigen Wort, das Fleisch geworden und auf diese Weise in die Welt gekommen ist. Dadurch verbindet sich die Ewigkeit mit der Zeit und dem Leben auf der Erde. Sobald das der Fall ist, erklingt das Zeugnis Johannes’ des Täufers. Johannes der Täufer ist mit dem Alten Testament verbunden, doch sein Auftreten schließt diese Zeit ab (Mt 11:13). Es geht um den, der nach ihm kommt.

Auf Ihn weist er am „folgenden Tag“ (Joh 1:29) hin, und zwar als das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt. Er bezeugt von Ihm, dass Er der Sohn Gottes ist (Joh 1:29-34). Das ist ein neues Zeugnis über die Person und das Werk Christi, dessen Ergebnisse sich bis in alle Ewigkeit erstrecken.

Am darauf „folgenden Tag“ (Joh 1:35) wird Christus der Anziehungspunkt für die Gläubigen (Joh 1:35-42). Das können wir mit der Zeit in Verbindung bringen, in der wir leben und in der der Herr Jesus durch den Heiligen Geist die Gemeinde bildet und mit sich verbindet. Das erfahren Gläubige, wenn sie sich um Ihn versammeln (Mt 18:20).

An einem weiteren „folgenden Tag“ (Joh 1:43) hören wir das Zeugnis Nathanaels. In diesem Zeugnis bekennt Nathanael, dass der Herr Jesus der Sohn Gottes und der König Israels ist. So hat Nathanael als gottesfürchtiger Israelit Ihn in Psalm 2 kennengelernt (Ps 2:6; 7). Nathanael ist ein Bild des gläubigen Überrestes Israels, der Ihn als Sohn Gottes und König Israels erkennen wird. Das wird geschehen, wenn Er nach der Zeit der Sammlung der Gemeinde zu seinem Volk Israel zurückkehrt, um seinem Volk den lange verheißenen Segen zu erfüllen.

Schließlich ist in Joh 2:1 von diesem Kapitel die Rede vom „dritten Tag“. Der dritte Tag spricht in der Schrift meistens von der Auferstehung des Herrn Jesus (z. B. Joh 2:19) und damit von der Einführung einer neuen Ordnung der Dinge. Hier sehen wir Christus im Friedensreich, wenn Er seinem Volk Segen und Freude bringt und durch das Volk für die ganze Erde. Deshalb spricht Johannes in Verbindung mit dem „dritten Tag“ über eine Hochzeit. Das ist eine Illustration des „Größeren“, wovon der Herr in den letzten Versen des vorigen Kapitels geredet hat.

Dass es ein Segen ist, an dem auch das Volk Israel teilhaben wird, erkennen wir daran, dass auch „die Mutter Jesu“ anwesend war. Christus ist ja aus Israel geboren (Röm 9:4; 5). Außer dem allgemeinen Segen für die ganze Erde gibt es auch einen besonderen Segen für Israel. Doch dieser Segen kann erst geschehen, wenn dieses Volk, das heißt ein Überrest, sich zu Ihm bekehrt haben wird. In Verbindung mit dieser Bekehrung ist auch von einem „dritten Tag“ die Rede (Hos 6:1; 2).

Mangel an Wein

Wie wir auch in den anderen Evangelien sehen, wird der Herr Jesus immer wieder irgendwo eingeladen, und oft nimmt Er diese Einladung auch an. So ist Er hier, zusammen mit seinen Jüngern, die Er im vorigen Kapitel um sich versammelt hat, zur Hochzeit eingeladen. Wir finden hier einen schönen Hinweis für alle Hochzeiten von Gläubigen. Gott ist es, der die Ehe eingerichtet hat und die erst dann zu ihrer vollen Entfaltung kommt, wenn sie in Gegenwart des Herrn Jesus und der Gläubigen gefeiert wird. Damit anerkennt man, dass Er die Hochzeitsfeier eingerichtet hat, und erbittet seinen Segen zu dieser Ehe.

Es scheint allerdings so, dass der Herr hier zwar eingeladen wurde, dass Er aber nicht besonders aufgefallen ist. Er ist einer unter anderen Gästen, und das ist ein Platz, der Ihm nicht gerecht wird. Wo Er ist, steht Ihm der erste Platz zu.

In einem bestimmten Augenblick mangelt es an Wein. Das ist auf einer Hochzeit eine Katastrophe, weil es das Ende der Freude bedeutet, von der der Wein spricht (Ri 9:13; Ps 104:15). Die Mutter des Herrn Jesus bemerkt das und berichtet es ihrem Sohn. Sie weiß, dass Er der Not abhelfen kann.

Der Herr weist seine Mutter mit einer Antwort zurecht, die zeigt, dass sie Ihn zu einem vorzeitigen Handeln veranlassen will. Möglicherweise spielen auch ihre Muttergefühle eine Rolle, indem sie meint, dass es eine schöne Gelegenheit für ihren Sohn sei, sich bekanntzumachen. Er lässt sich jedoch nicht durch natürliche Zuneigung leiten, die ansonsten gut und richtig ist. Er ist Gott, der in allem vollkommen den richtigen Zeitpunkt zum Handeln kennt.

Er weist seine Mutter auf angemessene Weise zurecht. Sie muss auf die Stunde oder den Augenblick warten, die Er bestimmt. Damit macht Er deutlich, dass seine Stunde, wo Er verherrlicht werden wird, noch nicht gekommen ist. Zuerst muss die Stunde kommen, wo Er sich selbst hingibt, um zu leiden und zu sterben (Joh 7:30; Joh 8:20; Joh 12:27). Erst danach wird die Stunde seiner Verherrlichung kommen (Joh 12:23; Joh 13:1; Joh 17:1).

Wir sehen übrigens in seiner Zurechtweisung der Maria einen deutlichen Beweis dafür, wie unangebracht die Marienverehrung ist. Auch sie war ein fehlbarer Mensch, so bevorrechtigt sie auch war, die Mutter des Herrn Jesus zu sein. Doch sie hatte wie jeder andere Mensch die Erlösung nötig, die Er am Kreuz bewirkt hat.

Maria lehnt sich gegen die Zurechtweisung ihres Sohnes nicht auf. Sie hat das verstanden und als berechtigt angenommen. Das geht aus ihren Worten an die Diener hervor. Ihr Vertrauen auf Ihn bleibt unerschüttert. Sie weiß, dass Er eine Lösung geben wird, doch dann zu seiner Zeit. Darum gibt sie den Dienern die Anweisung, alles zu tun, was Er sagt.

Das sind die letzten Worte, die wir von Maria in der Bibel finden. Auf jedes Wort des Satzes: „Was irgend er euch sagen mag, tut“, kann man die Betonung legen. Was: worum auch immer es geht. Irgend: dass das, was Er sagt, muss geschehen und nichts anderes, man kann also nicht nach eigenem Gutdünken handeln. Er: das ist der Herr Jesus, der Gebieter, der spricht. Mit euch ist jeder persönlich angesprochen. Sagen mag weist auf die Worte hin, die Er spricht. Tut ist die Ausführung dessen, was Er sagt.

Der Herr verwandelt Wasser in Wein

Dort stehen sechs steinerne Wasserkrüge. Sie standen dort, damit die Gäste sich an die jüdischen Reinigungsvorschriften halten konnten. Der Inhalt der Krüge variiert zwischen zwei und drei Maß, das sind zweimal oder dreimal 39 Liter. Der Herr gibt den Auftrag, die Wasserkrüge mit Wasser zu füllen. Offensichtlich sind sie leer.

Das macht symbolisch deutlich, dass es nach der der jüdischen Reinigungssitte keine Reinheit vor Gott geben kann. In anderen Evangelien hat der Herr die äußere Reinheit, die man mit den jüdischen Reinigungssitten erreichen wollte, scharf verurteilt (Mt 15:1-9; Mk 7:1-16). Menschen, die an einem äußerlichen Ritual hängen, nehmen sich selbst wichtig. Ihnen fehlt die wahre Freude, weil sie keine Gemeinschaft mit Christus haben. Nur Er allein kann durch das Wasser, das Er gibt und das Er in Wein verwandelt, die hohlen, toten Rituale verändern.

Dem Befehl des Herrn wird Folge geleistet, die Krüge werden bis an den Rand mit Wasser gefüllt. Es ist gut, dem Befehl des Herrn mit größtmöglichem Gehorsam zu entsprechen. Dann ist der Segen auch am größten. Wir sehen auch, dass Er immer Aufträge gibt, die Menschen auch ausführen können; dann tut Er Dinge, die Menschen nicht tun können. So gibt Er Menschen den Befehl, den Stein vom Grab des Lazarus zu entfernen. Danach ruft Er Lazarus ins Leben zurück (Joh 11:39; 43).

Nachdem die Krüge mit Wasser gefüllt sind, sagt Er ihnen, sie sollten aus den Krügen schöpfen und es zum Speisemeister bringen. Dieser Mann ist für den Verlauf des Festes verantwortlich. Er befindet sich daher in einer peinlichen Situation und braucht dringend eine Lösung. Sie bringen das, was sie aus den Wasserkrügen geschöpft haben, dem Speisemeister. Da zeigt sich, dass der Herr das Wasser in Wein verwandelt hat. Er hat das ohne ein besonderes Wort oder eine besondere Handlung getan.

Das ist ein schönes Bild davon, wie die Freude in das Leben eines Menschen hineinkommt. Zunächst muss ein Mensch durch das Wort Gottes (wovon das Wasser ein Bild ist, Eph 5:26) gereinigt werden. Das geschieht, wenn er sich selbst im Licht des Wortes Gottes als Sünder erkennt, seine Sünden bekennt und an den Heiland Jesus Christus glaubt. Das Ergebnis ist Freude. Das wird auch mit der Verwandlung von Himmel und Erde für das Friedensreich geschehen. Wenn diese durch das Gericht gereinigt ist, kann allgemeine Freude auf der Erde entstehen.

Der Speisemeister kostet das Wasser, das die Diener ihm bringen. Er schmeckt kein Wasser, sondern Wein. Als die Diener das Wasser aus den Krügen schöpften, war es noch immer Wasser. Als der Speisemeister es jedoch kostet, schmeckt er Wein. Christus hat durch seine Macht ein Wunder gewirkt. Niemand hat gesehen, wie es geschah, doch wer es schmeckt, erfreut sich an dem Ergebnis.

Nachdem der Herr bei Nathanael seine göttliche Allwissenheit gezeigt hat (Joh 1:48), zeigt Er hier seine göttliche Allmacht. Jeder kann seine Allmacht „schmecken“, doch nur die, die tun, was „irgend er euch sagen mag“, sehen, wer hinter diesen Werken der Allmacht steht.

Der Speisemeister weiß nicht, woher der Wein kommt. Er erfreut sich allein an dem Ergebnis. Die Diener wissen natürlich, woher der Wein kommt. Schließlich haben sie die Krüge mit Wasser gefüllt und danach daraus geschöpft. Aber sie wissen nicht, wie das Wasser in Wein verwandelt wurde.

Der Speisemeister fragt nicht die Diener, wie sie an diesen guten Wein gekommen sind, sondern ruft den Bräutigam herbei. Er schlussfolgert ohne weiteres Nachfragen, der Bräutigam sei für den Gang der Dinge verantwortlich. Er denkt nicht an ein Wunder und schon gar nicht an den Herrn Jesus. Stattdessen hat er selbst eine natürliche Erklärung. So reagieren ungläubige Menschen auf alles, was sie erleben. Sie sehen die Schöpfung, doch sie leugnen den Sohn Gottes als ihren Ursprung.

Der Herr handelt nicht so wie Menschen. Menschen wollen zuerst das Gute, und wenn ihre Möglichkeiten für das Gute ausgeschöpft sind, gehen sie zu einer geringeren Qualität über. Bei Ihm ist das umgekehrt. Er bewahrt das Gute für später auf.

Für den Glauben ist das eine große Ermutigung. Der Gläubige darf wissen, dass beim Herrn Fülle von Freude ist (Ps 16:11). Christus selbst ist einen Weg der Leiden gegangen, wobei Er zugleich auf die Freude sah, die Er am Ende dieses Weges genießen würde (Heb 12:2). Auch für Menschen in schwerem Leid ist das eine große Ermutigung. Der Herr bringt jeden Menschen, der aus der Tiefe zu Ihm ruft, zur höchsten Höhe.

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