John 20:19-29

Der Herr kommt zu den Jüngern

An diesem ersten Tag der Woche, dem Tag seiner Auferstehung, sind die Jünger versammelt. Da tritt der Herr Jesus in ihre Mitte. Eine Woche später geschieht dasselbe noch einmal. In Apostelgeschichte 20 sehen wir, dass es der Tag ist, an dem die Gläubigen zusammenkommen, um Brot zu brechen (Apg 20:7). Es ist auch der Tag, an dem für die Bedürfnisse der Heiligen gesorgt wird (1Kor 16:2). Es ist der Tag des Herrn (Off 1:10).

Alle diese Hinweise gibt der Heilige Geist, um deutlich zu machen, dass dies der Tag für die Christen ist, ohne dass dies als ausdrückliches Gebot formuliert wird. Es ist nicht der Tag der Ruhe für die alte Schöpfung, der Sabbat. Es ist überhaupt kein vom Gesetz auferlegter Ruhetag, sondern: Es ist der Tag der Auferstehung und der Gnade, mit dem für den Gläubigen reiche Segnungen verbunden sind.

Die Jünger haben aus Angst vor den Juden die Türen verschlossen. Ihr Beschützer ist getötet worden. Nun haben sie als seine Nachfolger das gleiche Schicksal zu befürchten. Aber zu ihrem großen Erstaunen kommt der Herr ‒ trotz der verschlossenen Türen ‒ in ihre Mitte.

Dies ist nicht etwa ein Wunder – der Herr offenbart einfach nur das Wesen des Auferstehungsleibes. Das ist ein geistiger Leib, der an Zeit und Raum nicht gebunden ist. So waren auch die geschlossenen Türen des Gefängnisses, in dem Petrus gefangen gehalten wurde, zweimal für den zu seiner Befreiung hereinkommenden Engel kein Hindernis (Apg 5:19; Apg 12:6-10). Für Petrus aber mussten in beiden Fällen die Türen geöffnet werden, um ihn hinauszulassen.

Nachdem der Herr zu den Jüngern gekommen ist, stellt Er sich in ihre Mitte. Das bedeutet, dass Er nicht sofort dort gestanden hat, sondern vielleicht zuerst in der Nähe einer der verschlossenen Türen, die ein Symbol für die Angst der Jünger sind. Wenn Er an der Innenseite einer dieser Türen steht, stellt Er sich also zwischen sie und das Symbol ihrer Angst. Aber dann lenkt Er sie von ihrer Furcht weg, indem Er in ihre Mitte tritt. Sie blicken dann nicht mehr ängstlich auf die Türen, sondern auf Ihn, der ihnen jetzt Frieden zuspricht.

Seine ersten Worte sind: „Friede euch!“ Es ist sein Friede, den Er ihnen schon verheißen hatte, als Er noch bei ihnen war (Joh 14:27). Hier wiederholt Er diese Zusage nach seiner Auferstehung. Es sind wundervolle Worte in einer Welt, die Gott den Krieg erklärt hat und voller Hass ist gegen alle, die mit Christus verbunden sind. Mit diesen Worten nimmt Er seinen Jüngern ihre Angst vor den Juden weg.

Um alle Zweifel zu beenden, dass Er es wirklich ist, zeigt Er ihnen seine Hände und seine Seite. In seinen Händen sehen sie die Wunden der Nägel, mit denen Er an das Kreuz geschlagen war. In seiner Seite sehen sie die Wunde, die ein Soldat Ihm nach seinem Tod mit einem Speerstich zugefügt hat, aus der Blut und Wasser herausgekommen war.

Er zeigt ihnen seine Hände und seine Seite und zeigt ihnen damit die Grundlage des Friedens, den Er verkündigt. Der Friede gründet sich auf sein Werk am Kreuz und sein Blut, das zur Vergebung der Sünden vergossen ist. Das Wasser, das vom Wort Gottes spricht, bewirkt die Reinigung durch die wirksame Anwendung des Werkes und Blutes Christi. Diese Zeichen in seinen Händen und in seiner Seite werden wir in alle Ewigkeit vor Augen haben. Wir werden Ihn als ein geschlachtetes Lamm stehen sehen (Off 5:6).

Als die Jünger Ihn so sehen, werden sie froh. Vorbei ist ihre Traurigkeit, wie Er es ihnen vorhergesagt hat (Joh 16:22). Sie sehen den auferstandenen Herrn: Er ist in ihrer Mitte!

Der Missionsauftrag

Ein zweites Mal spricht der Herr ihnen Frieden zu. Beim ersten Mal geschah es, um ihnen persönlich Teil an diesem Frieden zu geben, jetzt geschieht es als Ausgangspunkt für ihre Aussendung, die Er unmittelbar danach ausspricht. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, müssen sie im Frieden Gottes stehen (Eph 6:15). Mit der Vergebung ihrer Sünden durch seinen Tod hat Er ihnen diesen Frieden gebracht, so dass sie nun in der Welt davon zeugen können.

Ihre Aussendung hat den gleichen Charakter wie seine eigene Sendung durch den Vater. Deshalb müssen auch sie das tun, was Er getan hat, nämlich den Vater offenbaren (Joh 17:4; 18). Das werden sie tun, indem sie über den Sohn sprechen, Ihn verkündigen und Ihn verherrlichen. Er ist das große Thema, von dem sie Zeugnis geben.

Nachdem Er ihnen seinen Frieden gegeben hat sowie den Auftrag, in die Welt hinauszugehen, haucht Er in sie. Damit vermittelt Er ihnen sein Auferstehungsleben. Bevor Er Mensch geworden war, hatte Er als der Schöpfer den Lebensodem in die Nase Adams gehaucht (1Mo 2:7). Dadurch war Adam eine lebendige Seele geworden (1Kor 15:45). Aber der Herr Jesus ist ein lebendig machender Geist. Das erweist Er, indem Er nun den Jüngern den Odem des himmlischen, ewigen Lebens, sein eigenes Leben, sein Auferstehungsleben einhaucht.

Dieses Leben ist durch den Heiligen Geist gekennzeichnet, der die Kraft zur Offenbarung dieses Lebens mitteilt. Ihr Verkündigungsauftrag schließt ein, dass sie das ewige Leben offenbar machen, das ist der Herr Jesus selbst. Bei allen Segnungen hat der Heilige Geist immer unmittelbaren Anteil.

Es ist wichtig, zu verstehen, dass Christus den Seinen hier nicht den Heiligen Geist als Person gibt. Als Person wird der Heilige Geist erst auf die Erde kommen, wenn der Herr zum Vater aufgefahren ist und von dort aus den Heiligen Geist gesandt hat – ganz in Übereinstimmung mit dem, was der Herr vorher darüber gesagt hat. Das wird erst am Pfingsttag geschehen.

Neben dem Segen, den die Jünger im Blick auf ihr Zeugnis in der Welt empfangen haben, gibt es auch eine Verantwortung im Blick auf andere Menschen. Wer das ewige Leben nicht hat, ist ein Sünder – ohne Unterschied zwischen Juden und Heiden. Auf alle Sünder kommt das Gericht Gottes. Es gibt aber auch Gnade. Aufgrund dieser Gnade gibt der Herr seinen Jüngern den Auftrag, jedem, der ihr Wort annimmt und zum Glauben an den Herrn Jesus kommt, die Sünden zu vergeben.

Nur Gott kann für die Ewigkeit Sünden vergeben (Mk 2:7). Sobald jemand seine Sünden bekannt hat, darf er wissen, dass Gott sie vergeben hat (1Joh 1:9). Danach ist es die Aufgabe der Jünger, die von Gott empfangene Vergebung zu erkennen und zu bestätigen, damit so jemand in die christliche Gemeinschaft aufgenommen wird. Wenn sie allerdings sehen, dass jemand nur äußerlich bekennt, ein Gläubiger zu sein, sprechen sie diese Bestätigung nicht aus; so jemand wird nicht in die christliche Gemeinschaft aufgenommen.

Es geht darum, jemanden als Gläubigen anzuerkennen oder abzulehnen. Praktisch geschieht das in der Taufe. Darin wird ein Mensch als Nachfolger Jesu anerkannt. Der Täufer spricht dem Täufling die Vergebung der Sünden zu, er erkennt damit den Täufling an als von Gott angenommen.

Den gleichen Grundsatz sehen wir auch, wenn es um die Gemeinde geht. Das Aufnehmen eines Gläubigen am Tisch des Herrn schließt das Erkennen der Vergebung seiner Sünden ein. Wenn jemand aufgenommen wird, bestätigt die Gemeinde damit, dass seine Sünden vergeben sind. Wenn die Gemeinde aufgrund vorhandener und nicht gerichteter Sünden die Aufnahme verweigert, bedeutet dies, dass so jemand noch mit seinen Sünden behaftet ist.

Der Herr und Thomas

Thomas ist nicht dabei, als der Herr das erste Mal nach seiner Auferstehung seinen Jüngern erscheint. Da hat er etwas Bedeutendes verpasst. Es ist aber schön zu sehen, wie begeistert die Jünger Thomas berichten, dass sie den Herrn gesehen haben. Sie kritisieren ihn nicht, sagen auch nicht, wie dumm es von ihm war, nicht dabei gewesen zu sein. Sie bezeugen einfach ihre Begegnung mit dem Herrn. Dabei stellen wir fest, dass sie den Titel „Herr“ gebrauchen – nicht nur wenn sie zu Ihm, sondern auch wenn sie von Ihm sprechen.

Thomas ist aber nicht so einfach zu überzeugen. Die Jünger können ja viel erzählen! Um ihn zu überzeugen, werden sie ihm sicher auch erzählt haben, wie der Herr ihnen seine Hände und seine Seite gezeigt hat. Thomas antwortet nämlich, er wolle das unbedingt erst selbst erleben. Er sagt das sogar mit ziemlich starken Worten: Er begnügt sich nicht damit, es selbst zu sehen – er will es auch selbst fühlen. Bis er es selbst gefühlt hat, werde er es bestimmt nicht glauben, und wenn es noch so viele sind, die es bezeugen.

Eine Woche später sind die Jünger wieder versammelt. Der Wortlaut ist: „Nach acht Tagen“, was auf einen neuen Anfang hindeutet. Jetzt ist Thomas auch dabei. Der Herr kommt auf dieselbe Weise wie beim ersten Mal und Er entbietet ihnen denselben Gruß. Seine Erscheinung und sein Gruß gelten allen, aber man hat fast den Eindruck, als geschehe es nur für Thomas. Wir finden diese Erscheinung nur in diesem Evangelium.

Nun spricht der Herr Thomas persönlich an. Er weiß ja, was Thomas gesagt hat. Darum bietet Er ihm an, das zu tun, was er zuerst tun will, bevor er zu glauben bereit wäre. Der Herr fügt aber eine kleine Ermahnung hinzu: Er solle nicht ungläubig, sondern gläubig sein.

Der Text gibt uns keine Auskunft darüber, ob Thomas seine Finger und Hände wirklich gebraucht hat, um die Echtheit der Wunden festzustellen. Er kommt sofort zu der Einsicht, dass wirklich der Heiland vor ihm steht. Er sagt zu Ihm: „Mein Herr und mein Gott!“ Das ist die Sprache des jüdischen Überrests, dessen Angehörige auch erst glauben werden, wenn sie Ihn anschauen, den sie durchstochen haben (Sach 12:10; Jes 25:9).

Der Herr stellt fest, dass Thomas glaubt, weil er Ihn gesehen hat. Zweifellos reicht das aus, um gerettet zu werden, aber es ist nicht die höchste Form des Glaubens. Der Herr preist diejenigen glückselig, die nicht gesehen und doch geglaubt haben. Das gilt für alle, die nach seiner Rückkehr in den Himmel zum Glauben gekommen sind (2Kor 5:7).

Auch wir haben die Zeichen, die der Herr getan hat, nicht mit unseren eigenen Augen gesehen, sondern wir haben davon gelesen und durch den Heiligen Geist die entsprechende Botschaft mit dem Herzen aufgenommen. So sind die Zeichen für uns zu geistlichen Wirklichkeiten geworden. So haben wir z. B. verstanden, dass das Brot aus dem Himmel ein Zeichen dafür ist, dass Jesus Christus aus dem Himmel auf die Erde gekommen ist, um uns das Leben geben zu können.

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