Joshua 2:4-6

Einleitung

Bevor das Volk durch den Jordan zieht, begegnen wir in diesem Kapitel Rahab. Im Neuen Testament wird von dem Glauben und den Werken Rahabs, der Hure, gesprochen: „Durch Glauben kam Rahab, die Hure, nicht mit den Ungläubigen um, da sie die Kundschafter in Frieden aufgenommen hatte“ (Heb 11:31). Und: „Ist aber ebenso nicht auch Rahab, die Hure, aus Werken gerechtfertigt worden, da sie die Boten aufnahm und auf einem anderen Weg hinausließ?“ (Jak 2:25).

Rahab hält sich zum Volk Gottes, bevor Israel überhaupt einen Sieg errungen hat. Durch ihr Verhalten gibt sie ihre Verbindung mit Jericho auf. Sie glaubt, dass Jericho gerichtet wird. Sie glaubt jedoch auch an die Barmherzigkeit Gottes. Ihrer Bitte, ihre ganze Familie vor dem Gericht zu retten, wird entsprochen.

Diese Art von Glauben haben wir nötig, um die Segnungen, die Gott uns gegeben hat, auch genießen zu können. Einerseits gehören wir zur Gemeinde Gottes und andererseits sondern wir uns von der Welt ab, über der das Gericht schwebt. Um dies zu verwirklichen, muss in uns das lebendig sein, was in Jos 2:11 steht.

Neben der praktischen Anwendung auf uns gibt es in der Geschichte Rahabs auch eine Anwendung auf die Zukunft des Volkes Israel. Dasselbe können wir mit der Apostelgeschichte tun, in der das Entstehen und die ersten Jahre der Gemeinde beschrieben werden. Bevor das Volk in das Land hineinzieht, lässt Gott uns in Rahab sehen, dass es nach seinen Gedanken ist, dass auch die Heiden durch den Glauben angenommen werden.

Als Gottes Volk davor steht, den Segen in Besitz zu nehmen, zeigt diese Geschichte, dass Gott diesen Segen auch den Heiden eröffnet. Rahab gehört zu den „Nationen im Fleisch“, die überhaupt kein Recht darauf oder Teil daran haben (Eph 2:11-13), zu denen der Segen Gottes aber ebenso kommt wie zu seinem irdischen Volk. Und unter den Nationen nimmt sie auch noch einen besonders verabscheuungswürdigen Platz ein: den einer Hure. In ihrer Aufnahme zum Volk Gottes erstrahlt Gottes Gnade auf höchste Weise.

Beim Durchzug durch das Rote Meer sehen wir keine Person wie Rahab, denn nach diesem Durchzug kommt das Volk in die Wüste. Die Wüste gehört nicht zu den Ratschlüssen Gottes. Als Gott aus dem Dornbusch zu Mose über seinen Plan spricht, das Volk aus Ägypten zu führen und in das verheißene Land zu bringen, spricht Er auch nicht über die Wüste (2Mo 3:4; 8).

Das Land ist das Land des Segens. Das Volk steht im Begriff, die Erfüllung der Ratschlüsse Gottes, die lauter Segen umfassen, zu erleben. Und wenn es um Segen geht, bezieht Gott die Nationen mit ein und Er lässt auch sie daran teilhaben. Es ist wie mit dem Gesetz und der Gnade. Das Gesetz wurde einem Volk gegeben: Israel. Die Gnade ist nicht auf ein Volk beschränkt, sondern sie geht weiter: zu allen Menschen. So können alle Menschen an Gottes Segen teilhaben, wenn sie wie Rahab glauben.

Wenn Israel in der Zukunft, nachdem es zur Bekehrung gekommen ist, im Land sein wird, wird auch eine große Menge aus den Nationen an dem Segen teilhaben. An diesem Segen werden die Nationen teilhaben durch die Botschafter, die der Herr aussenden wird (Mt 25:31-40). Der Beginn der Gemeinde lässt ebenfalls sehen, dass die Nationen Zugang zu dem Segen bekommen (Apg 8:26-39; Apg 10:44-48).

Die erste Anwendung ist, dass Gott in der jetzigen Zeit des Christentums sein Volk aus allen Völkern sammelt, um sie mit Christus, dem verherrlichten Haupt im Himmel zu verbinden. Die Gemeinde, der Leib Christi, ist nicht nur mit Ihm verbunden, sondern mit Ihm eins gemacht im Himmel. Darum haben wir dort unseren Platz.

In der Apostelgeschichte sind die ersten Heiden, von denen wir lesen, dass sie zum Glauben kommen, Menschen in einer hohen gesellschaftlichen Stellung wie der Kämmerer, der Schatzmeister beziehungsweise Finanzminister der Königin von Äthiopien (Apg 8:27) und der römische Hauptmann (Apg 10:1). Aber hier wird uns eine Hure vorgestellt. So wird sie zweimal im Neuen Testament genannt. Dass sie in Gottes Volk aufgenommen wird, lässt Gottes besondere Gnade sehen. Diese Gnade erstrahlt vollkommen, wenn wir bemerken, dass sie sogar die Vorfahrin des Herrn Jesus wird (Mt 1:5; 6).

Die Kundschafter und Rahab

Josua sendet zwei Kundschafter aus. Das Aussenden ist nicht deshalb nötig, um über ein eventuelles Einziehen ins Land zu entscheiden. Diese Entscheidung ist längst gefallen (Jos 1:11). Warum ist es denn nötig? Geht nicht sowieso der HERR selbst vor ihnen her? Dieses Aussenden der Kundschafter ist nicht so, wie es damals in der Wüste war. Da ging es um den Unglauben des Volkes. Hier geht es darum, dass Gott uns sehen lässt, dass Er die Seinen als seine Werkzeuge einsetzen will und unsere Verantwortung dabei völlig aufrechterhalten bleibt. Wir sollen die Situation, der wir die Stirn bieten müssen, in Augenschein nehmen, um mit Einsicht und in Abhängigkeit von Ihm zu handeln.

Durch das Auskundschaften kommt ans Licht, dass das Herz der Einwohner des Landes zerschmolzen ist (Jos 2:11). Dieses Wissen soll Israel ermutigen. Gleichzeitig liegt es in Gottes Plan, Rahab und ihre Familie zu retten. Er hat ein Werk in ihrem Herzen begonnen. Die Kundschafter werden von Ihm gebraucht, um das Werk zu vollenden.

Das Land und Jericho müssen beobachtet werden. Jericho ist die Tür ins Land und muss zuerst erobert werden, wenn das Land eingenommen werden soll. Jericho ist ein Bild von der Welt. Es stellt die Welt als das System dar, durch das Satan verhindern will, dass wir unser geistliches Erbteil in Besitz nehmen. Die Welt übt große Anziehungskraft auf uns aus. Solange das der Fall ist, sind wir schwach. Wir müssen sie darum zuerst in unseren Herzen verurteilen, damit wir frei sind von jeglicher Bindung an die Welt.

Die Kundschafter müssen das Land auskundschaften. Bedeutet das, dass wir auch zuerst die Welt untersuchen müssen, um dann zu wissen, wovon wir uns abwenden müssen? Nein. Der Weg, den Gott die Kundschafter gehen lässt, zeigt uns, wie es den beiden Männern ergeht. Dadurch lernen wir die Lektion in Bezug auf das Auskundschaften der Welt.

Die zwei Männer gehen in das Land, um die Macht des Feindes zu bespitzeln. Doch diese Macht bekommen sie nicht zu sehen. Stattdessen begegnen sie in Jericho der Macht Gottes. Gott führt die Kundschafter regelrecht in das Haus der Rahab. Sie sind nicht weit in die Stadt hineingegangen. Möglicherweise haben sie die erstbeste Wohnung betreten, die geöffnet war. Und dabei ist es geblieben. Sie sind lediglich im Haus der Rahab gewesen. Da haben sie das Werk Gottes im Herzen und im Leben der Rahab gesehen. Gott ist imstande, in der Stadt und im Herzen einer solchen Frau solch ein mächtiges Werk zu tun. Auf diese Weise kommen sie in Berührung mit dem Beweis und der Macht des Werkes Gottes.

Diese Handlungsweise Gottes lehrt uns, dass wir, um den wirklichen Charakter der Welt zu sehen, zum Kreuz schauen müssen. In der Verwerfung des Sohnes Gottes, während Er wohltuend auf der Erde umherging, sehen wir die wahre Art der Welt. Gleichzeitig sehen wir das Urteil Gottes über die Welt. Zwischen Ihm und der Welt gibt es keinerlei Beziehung mehr. Wer das sieht, gibt die Welt auf (Gal 6:14). Das können wirklich nur solche Menschen tun, in denen Gott das neue Leben gewirkt hat. Bei ihnen ist eine enorme Veränderung festzustellen. Zuerst ist da Liebe für die Welt und das Volk Gottes wird gehasst. Nun ist da Liebe für Gottes Volk und die Welt wird gehasst. Das ist die Kraft des Evangeliums. Dieser Kraft begegnen die Kundschafter in Rahab. Darum brauchen sie nicht weiter ins Land hineinzugehen.

Vierzig Jahre zuvor kundschafteten zwölf andere Israeliten das ganze Land aus. Zehn davon kommen voller Unglauben zurück und „verbreiteten unter den Kindern Israel ein böses Gerücht über das Land, das sie ausgekundschaftet hatten“ (4Mo 13:32; 33). Wir müssen also auf gute Art und Weise auskundschaften und das ist: Sehen, was Gott im Leben von Menschen wirkt. Das überzeugt. Ein Gott, der so mächtig ist, dass Er Menschen völlig verändern kann, ist auch mächtig, das ganze Land zu geben.

Von Rahab wird erwähnt, dass „sie die Kundschafter in Frieden aufgenommen hatte“ (Heb 11:31). Das steht ganz und gar im Gegensatz zu den Absichten des Königs von Jericho. Er sucht die Kundschafter, um sie umzubringen. Die Könige von Kanaan, darunter der von Jericho, sind ein Bild der Dämonen. Sie hassen Gott und seine Gesandten.

Rahab lügt in Bezug auf die Kundschafter. Das ist ihre alte Natur. Wir dürfen das nicht beschönigen. Gott bringt niemanden in Situationen, damit wir sündigen (Jak 1:13). Aber wir müssen sie auch nicht zu hart verurteilen. Was würde ich tun in einer Situation, in der es um Leben und Tod für andere und für mich selbst ginge? Und haben Männer Gottes wie Abraham (1Mo 12:11-13) und David (1Sam 21:3) nicht auch in bedrohlichen Situationen gelogen, und das aus weit egoistischeren Motiven als Rahab?

Bei allem Verständnis für das Verhalten Rahabs muss uns klar sein, dass Lügen nicht zum neuen Menschen gehört, sondern zum alten Menschen (Eph 4:20-25). Wir sind noch immer in Gefahr, die Werke des alten Menschen zu tun. Was Rahab tut, gehört zu den Werken Kanaans. Wenn sie die Wahrheit gesagt hätte, hätte Gott sicher auf die eine oder andere Weise verhindert, dass ihr oder den Kundschaftern Böses angetan worden wäre (vgl. 1Mo 19:11; Jer 36:26).

Gott lässt zu, dass Rahab lügt. Er ist nicht auf ihr Lügen angewiesen, um die Kundschafter zu retten. Für die Männer ist dadurch allerdings deutlich, auf welcher Seite Rahab steht. Mit Gefahr für ihr eigenes Leben hat sie die Kundschafter aufgenommen. Als die Soldaten kommen, um diese gefangenzunehmen, warnt und versteckt sie die Männer. Diese Tat ist ihr Glaubensbekenntnis.

Rahab versteckt die Kundschafter, weil sie weiß, dass diese Männer ihre einzige Hoffnung auf Rettung sind, dass sie dem bevorstehenden Gericht entkommt. Wenn sie diese verbirgt, kann sie befreit werden. Sie glaubt nicht nur an den Gott Israels, sondern macht sich hier eins mit Israel, dem Volk Gottes. Sie macht sich damit eins, während das Volk noch nichts besitzt außer Gott allein.

Rahab verbirgt die Kundschafter unter Flachsstängeln. Das hat eine schöne geistliche Bedeutung. Flachs ist der Grundstoff für Leinen. Leinen spricht von den gerechten Taten der Gläubigen (Off 19:8). Dass Rahab Flachs zur Verfügung hat und damit ein gutes Werk tut, deutet in geistlicher Weise darauf hin, dass schon viel früher in ihrem ausschweifenden Leben eine Umkehr stattgefunden hat. Sie war eifrig im Guten (Spr 31:13). Dadurch hat sie in ihrem Haus Mittel zur Verfügung, mit denen sie die Kundschafter vor der Mordsucht des Feindes beschützen kann.

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