Lamentations 1:13

Der HERR hat es getan, wegen der Sünde

Nach der Klage über Jerusalem in den Klgl 1:1-11 hören wir im zweiten Teil dieses Kapitels die Klage Jerusalems selbst (Klgl 1:12-22). Diese Klage ist nicht an den HERRN gerichtet, wie in Klgl 1:11, sondern an „alle, die ihr des Weges zieht“. Sie ist gerichtet an die Nationen um sie herum, die als Reisende dargestellt werden, die auf den Wegen des zerstörten Judas vorüberziehen (Klgl 1:12).

Jeremia, der sich mit der Stadt identifiziert und in ihrem Namen spricht, ruft den Vorübergehenden zu, ob es sie nicht berührt, wenn sie das Elend sehen, in dem er, beziehungsweise die Stadt, sich befindet. Er fordert sie auf, genau hinzusehen und zu überlegen, ob es irgendwo auf der Welt ein Leid gibt, das mit dem vergleichbar ist, was ihr zugefügt wurde. Er fügt hinzu, dass er sich bewusst ist, dass der HERR dieses Leid bewirkt hat und nicht die Feinde. Der HERR hat sie betrübt, weil seine Zornglut über die schuldige Stadt kommen musste.

Der „Tag seiner Zornglut“ ist der Tag des HERRN, der Tag, den Er durch seine Propheten als Tag des Gerichts ankündigt hat. Dieser Tag wird in vollem Umfang in der Endzeit anbrechen, wenn der HERR handelnd und richtend zum Wohl des Überrestes seines Volkes, das furchtbar leidet, in das Weltgeschehen eingreift, mit dem Endergebnis des Friedensreichs. Der Tag des Falls von Jerusalem hat somit Bezug auf das Leiden in der Endzeit.

Hinter diesem Reden Jeremias über das Elend, in dem er und die Stadt sich befinden, hören wir auch den Herrn Jesus sprechen. Er hat auf einzigartige Weise den glühenden Zorn Gottes erfahren, nicht weil Er gesündigt hätte – Er hat nie eine Sünde getan und kannte Sünde nicht –, sondern wegen der Sünden, die Er auf sich nahm von denen, die an Ihn glauben. Er ist der wahre Mann der Schmerzen, der wie kein anderer die Untreue seines Volkes empfunden hat. Was Ihn unendlich viel größer macht als Jeremia ist, dass Er die tiefste Ursache dafür beseitigt hat und eine neue Situation herbeiführen wird, die völlig Gottes Willen entspricht.

In Klgl 1:13 haben wir drei Bilder, mit denen das Gericht beschrieben wird. Die Bilder sind völlig unterschiedlich und lassen keinen Zusammenhang untereinander erkennen. Das verstärkt den Eindruck der Verzweiflung.

Das erste Bild ist das eines „Feuers“, das in die Gebeine, das heißt komplett und bis ins tiefste Innere durchdringt. Es ist der Ausdruck intensiven, unerträglichen Leidens (Ps 102:4; Hiob 30:30). Jeremia fühlt sich so sehr eins mit der zerstörten Stadt, dass er in seinen Gebeinen das Feuer des Gerichts spürt, das der HERR gesandt hat, und dass Er alles in seiner Hand hat. Er erlebt den HERRN als einen Gegner, dessen Zorn gegen sein Volk und seine Stadt entbrannt ist.

Das zweite ist „ein Netz“. Das bezieht sich auf das plötzliche Auftreten des Gerichts. Das Gericht überraschte Jerusalem, so wie ein wildes Tier unerwartet in ein Netz gerät, das ein Jäger gespannt hat. Es verstrickt sich darin und kann sich nicht mehr befreien (vgl. Ps 10:9; Hos 7:12; Hes 12:13; Hes 19:8). Jeremia sieht vor seinen Füßen ein Netz, vom HERRN ausgebreitet (vgl. Hiob 19:6). Er fühlt sich in der Gewalt des Jägers, der ihn zwingt umzukehren.

Das dritte Bild ist das des „Krankseins“ als Folge des Gerichts. Er spürt die Wüste, in die ihn der HERR versetzt hat. Es macht ihn krank, den ganzen Tag hindurch, und er kennt keinen Augenblick der Erleichterung von den Schmerzen und der Verzweiflung, die ihn plagen.

Wir hören hier einen Mann, der zutiefst besorgt ist über das Leid, das über die Stadt hereingebrochen ist. Er hat dies seit vielen Jahren und auf vielerlei Weise angekündigt (Jer 11:16; Jer 15:14; Jer 17:4; 27; Jer 21:10; 12; 14; Jer 22:7; Jer 34:2; 22; Jer 37:8; 10; Jer 38:23), mit der Absicht, dass Jerusalem umkehren und ihr dieses Leid erspart bleiben würde. Als es dann eintrifft, sagt er nicht vorwurfsvoll, er habe es doch die ganze Zeit gesagt und dass sie jetzt bekommen, was sie verdient haben. Nein, er trauert tief über die Erfüllung des Gerichtes Gottes.

Das Joch der Übertretungen lastet schwer auf der Stadt, auf Jeremia (Klgl 1:14). Einerseits hat die Stadt dieses Joch selbst durch ihre Sünden auf sich gebracht. Aber es ist auch der HERR, der es getan hat und es ihr als Zuchtmaßnahme auf den Hals legt. Sünde, die auf einen Menschen drückt, raubt ihm die Kraft und bringt ihn zum Straucheln.

Für Jeremia kommt die Zucht durch die Feinde vom Herrn, Adonai, seinem souveränen Herrn und Meister. Der Herr hat ihn in die Hände der Feinde gegeben. Er kann nicht aufstehen, um seinen eigenen Weg zu gehen. Keine Form von Widerstand ist möglich. Jede Bewegungsfreiheit ist dahin. Die Akzeptanz, dass der Herr ihn in die Hände der Feinde gegeben hat, und dass er keine Bewegungsfreiheit hat, sorgt dafür, dass die Zucht eine vollständige Wirkung hat.

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