Luke 15:11-19

Zwei Söhne

Nach hundert Schafen, von denen sich eins verirrt, und zehn Drachmen, von denen jemand eine verliert, finden wir nun zwei Söhne, von denen einer fortgeht. In dieser Geschichte sehen wir in dem jüngeren Sohn die Tiefen, in die der Sünder gefallen ist, und die Höhe, zu der er gebracht wird, wenn er sich bekehrt. Der ältere Sohn verkörpert den Geist der Pharisäer. In den beiden Söhnen haben wir die zwei Pole der Verlorenheit. Daher umfassen sie alle anderen Fälle. In dem jüngeren Sohn sehen wir die Zöllner und Sünder, in dem älteren Sohn die Pharisäer und Schriftgelehrten.

Obwohl dieses Gleichnis auf alle Menschen angewandt werden kann, spricht der Herr in erster Linie über Israeliten, die in einer besonderen Beziehung zu Gott stehen. Sie werden „Kinder des Herrn, eures Gottes“ genannt (5Mo 14:1). Es geht in der Anwendung daher insbesondere um alle, die eine bevorrechtigte Stelllung einnehmen, wie Kinder gläubiger Eltern. In den beiden Söhnen sehen wir die zwei Wege, die Kinder gehen können, die in einer bevorrechtigten Stellung aufgezogen worden sind.

Der jüngere Sohn verlässt seinen Vater

Der jüngere Sohn ist ein Bild des Sünders, der sein Teil vom Leben einfordert, um es so zu leben, wie er will. Indem der jüngere Sohn sein Teil des Erbes schon zu Lebzeiten seines Vaters haben will, erklärt er im Grunde seinen Vater für tot. Der Vater versucht nicht, seinen Sohn auf andere Gedanken zu bringen, sondern gibt seinen beiden Söhnen jedem ihren Anteil.

So hat Gott jedem Menschen die Verantwortung gegeben, mit seinem Leben das zu tun, was er will. Dann wird sich zeigen, wie jemand sein Leben führen will. Es gibt keinen deutlicheren Beweis, dass man die Existenz Gottes leugnet, als dass jemand den eigenen Willen dem Willen Gottes vorzieht. Dieser Eigenwille zeigt, dass jemand ohne Gott leben will, und macht offenbar, dass man seinen eigenen Weg fern von Gott gehen will. Das ist zweifellos die Wurzel aller Sünden. Sünde gegen Menschen wird sicher folgen, aber Sünde gegen Gott ist die wichtigste Ursache.

Der Mensch wird auf die Probe gestellt. Er ist verantwortlich, aber tatsächlich wird ihm nicht verwehrt, seinen eigenen Willen zu tun. Gott behält nur die Oberhand, um seine eigenen gnädigen Absichten auszuführen. Doch es sieht schon so aus, als gestehe Gott dem Menschen zu, das zu tun, was er will. Nur so wird sich zeigen, was Sünde bedeutet, was das Herz sucht, was der Mensch mit all seinen Anmaßungen ist.

Der jüngere Sohn ist, als er den Teil des Vermögens von seinem Vater fordert, ebenso schuldig, wie er es dann bei den Schweinen ist. Er hat im Herzen seinem Vater schon Lebewohl gesagt, bevor er tatsächlich weggeht. Dann sehen wir in ihm vorgebildet, dass der Mensch sich in dem Augenblick, wo er Gott verlässt, dem Satan verkauft. Wir bekommen nicht nur die Beschreibung eines sündigen Lebenswandels, sondern sehen auch das bittere Ende. Der Sünde nachzugeben bringt Elend und Not mit sich. Es entsteht eine Leere, die nichts und niemand füllen kann. Die selbstsüchtige Vergeudung seines ganzen Vermögens sorgt nur dafür, dass er schließlich die Leere umso stärker empfindet.

Als er sich in äußerster Verzweiflung an einen der Bürger jenes Landes um Hilfe wendet, sehen wir die Entartung des Sünders. Da ist keine Liebe, sondern Selbstsucht. Der Bürger behandelt ihn nicht als Mitbürger, sondern als Sklaven. Keine Sklaverei ist so tief und erniedrigend wie die unserer eigenen Begierden. Dementsprechend wird er behandelt. Wie muss es sich in den Ohren eines Juden angehört haben, dass dieser jüngere Sohn aufs Feld geschickt wurde, um Schweine zu hüten. Er sinkt auf den tiefsten Punkt von Not und Elend. Doch niemand gibt ihm etwas.

Der Mangel treibt ihn noch nicht zurück, sondern bringt ihn dazu, Hilfsquellen im Land Satans zu suchen, in dem, was das Land zu geben hat. Wie viele Seelen empfinden die Hungersnot, in die sie sich selbst gebracht haben, die Hohlheit von allem, was sie umgibt, ohne dass sie ein Verlangen nach Gott oder nach Heiligkeit haben. Sie verlangen gerade nach entwürdigenden Dingen in der Sünde. Der Satan gibt jedoch nicht, nimmt aber alles. Nur Gott ist der Geber. Das hat Er bewiesen in der größten Gabe, der Gabe seines Sohnes.

Der jüngere Sohn kommt zu sich selbst

Auf dem Tiefpunkt seines Elends kommt er zu sich selbst. Das ist der Beginn der Rückkehr. Um ihn her ist alles fort. Er ist nur noch mit sich selbst allein, und da er nun keine Ablenkung mehr hat, fängt er an, über zu Hause nachzudenken. Er erinnert sich an das, was er verlassen hat. Er ist als Sohn von seinem Vater weggegangen und sitzt nun bei den Schweinen im tiefsten Elend, während die Tagelöhner seines Vaters an nichts Mangel haben.

Da, wo der Geist Gottes wirkt, finden wir immer zwei Dinge: Das Gewissen wird von Sünde überführt, und das Herz wird von der Liebe Gottes angezogen. So offenbart Gott sich der Seele. Gott ist Licht und Gott ist Liebe. Als Licht überführt Er die Seele von ihrem verlorenen Zustand. Als Liebe ist da die Anziehungskraft seiner Güte. Die Folge davon ist ein echtes Bekenntnis.

Der verlorene Sohn fasst einen Entschluss: Er wird zu seinem Vater zurückkehren. Und er beschließt nicht nur, zurückzukehren. Er sieht ein, dass er gesündigt hat, sowohl gegen den Himmel und den, der darin wohnt, als auch gegen seinen Vater. Das Leben eines Sünders ist im Widerspruch zu dem Leben, das die Engel im Himmel führen, die nur tun, was Gott sagt. Der Sohn ist innerlich von seinen Sünden überzeugt und ist bereit, sie offen zu bekennen. Er ist bereit, aufzustehen, und schon dadurch hat er vor Gott anerkannt, dass er gesündigt hat.

Zugleich sieht er ein, dass er jedes Recht verspielt hat, noch als Sohn angenommen zu werden. Das ist das Werk des Geistes Gottes. Er ist wirklich zerbrochenen und zerschlagenen Geistes. Er will den Platz eines Tagelöhners einnehmen. Wenn er den einnehmen dürfte, wäre er damit zufrieden. Der Wunsch war gut, aber gesetzlich, weil er die Gnade nicht kannte. So leben viele Christen. Sie sind nur mit sich beschäftigt und haben noch so wenig verstanden, was im Herzen des Vaters lebt. Es geht nicht darum, was wir gerne wollen, sondern was der Vater gerne will. Das ist so eindrucksvoll in diesem Gleichnis. Es geht nicht um das, was der Sohn will, sondern um das, was der Vater tut.

Der Vater handelt nach der Fülle der Gnade, die Er in seinem Herzen für verlorene Söhne hat. Gottes Verlangen wird nicht dadurch befriedigt, dass Er verlorenen Söhnen den Platz eines Tagelöhners an der Schwelle seines Hauses gibt. Er will Söhne im Bereich und in der Atmosphäre seines Hauses haben. Viele Christen haben keine Vorstellung davon, was Sohnschaft nach dem Wohlgefallen des Willens des Vaters ist (Eph 1:5). Nur durch ein Zurückkehren ist kein Friede da. Echter Friede kommt, wenn wir die Gedanken des Vaters über uns kennenlernen.

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