Matthew 12:1-13

Ähren pflücken am Sabbat

Das zwölfte Kapitel ist ein Wendepunkt, an dem eine Phase zum Abschluss kommt. Das Herz der Anführer wird hier völlig offenbar. Das Kapitel beginnt mit zwei Ereignissen, die am Sabbat stattfinden, wobei es deutlich wird, worum es den Führern geht. Sie hatten das Gebot der Sabbatruhe durch ihre eigenen Gebote und Sondergesetze erschwert. Gott hatte den Sabbat eingerichtet als einen Tag des Segens, der Ruhe und Erholung. Ein gesetzlich denkender Mensch aber hat keinen Sinn für Segen. Er will den Jüngern verbieten, die Gaben Gottes zu genießen.

Die Pharisäer interessiert nicht, dass die Jünger völlig in Übereinstimmung mit dem Gesetz handeln (5Mo 23:25). Für sie kommt es ausschließlich darauf an, dass äußerlich alles stimmt. Und wenn sie für diesen äußeren Schein etwas angeordnet haben, dann haben die Menschen sich daran zu halten. Deshalb stellen sie den Herrn wegen des Verhaltens seiner Jünger zur Rede. Der Herr aber nimmt sich der Sache an, weil Er seinen Jüngern den Segen Gottes gönnt.

In seiner Antwort verweist der Herr nicht nur auf das, was Gott im Gesetz erlaubt hat, wobei Er auch für den Sabbat keine Ausnahme machte. Stattdessen erteilt Er den Pharisäern eine bedeutende Lektion. Er befragt sie nämlich über etwas, das David tat, als er und seine Begleiter Hunger hatten (1Sam 21:1-6). Bei dieser Gelegenheit tat David etwas eigentlich Unerlaubtes, denn das Essen der Schaubrote war nur den Priestern erlaubt (3Mo 24:5; 6). Trotzdem erhielt David in diesem Fall keinen Vorwurf. Er war ja der gesalbte König, und er war auf der Flucht vor Saul. Das Volk erkannte ihn nicht als König an. Genau das war auch die Situation des Herrn Jesus in diesem Augenblick.

Wenn der gesalbte König David vor seinem eigenen Volk fliehen musste, hat das Volk Gottes seine Grundlage verleugnet und das, was die Schaubrote eigentlich bedeuten, ist verloren. Sie stellen dann nicht mehr das Volk Gottes dar, wie Er es sich gedacht hat. In einer solchen Situation noch an einem äußeren Ritual festzuhalten, um dadurch auch noch zu riskieren, dass Gottes Gesalbter vor Hunger umkommt, wäre nichts anderes als ein rein formaler „Gottesdienst“. So etwas hat Gott mit der Anweisung bezüglich der Schaubrote niemals im Sinn gehabt. Wenn der gesalbte König von seinen eigenen Leuten verfolgt wird, sind die Schaubrote normale Brote geworden und können verwendet werden von dem, der auf sie angewiesen ist.

Mit diesem Beispiel zeigt der Herr die Sünde und den totalen Niedergang Israels. Der wahre König, David, wird verachtet und verfolgt zu Gunsten des Königs, den das Volk selbst wollte. Genau so ist es jetzt wieder. Israels Sünde hat das heilige Brot entweiht. Von einem Volk, das in Sünde lebt, kann Gott nichts als heilig annehmen. Und wenn die Jünger des wahren Königs Hunger haben, wie damals die Gefolgsleute Davids, dann dürfen sie getrost essen, was Gott ihnen bietet, auch wenn gerade Sabbat ist.

Der Herr führt noch ein weiteres Beispiel an, das ihr Gerede von Entheiligung des Sabbats endgültig beiseiteschiebt. Er verweist auf die Priester, die am Sabbat die so notwendigen Arbeiten im Tempel verrichten. Das betraf auf jeden Fall das für den Sabbat vorgeschriebene Opfer (4Mo 28:9; 10) wie auch das tägliche Brandopfer, das ebenfalls am Sabbat nicht vernachlässigt werden durfte (2Mo 29:38). Diese Opfer waren nötig, damit Gott weiterhin in der Mitte eines sündigen Volkes wohnen konnte. So mussten die Priester am Sabbat noch härter arbeiten als an den anderen Tagen und hatten durchaus keine Ruhe am Sabbat. Gott handelte also nicht nach rigorosen Regeln, sondern erlaubte den Priestern, diese viele Arbeit am Sabbat zu tun, weil sie mit dem Gottesdienst in Verbindung stand. Dabei war der Sabbat das Kernstück des Alten Bundes; nichts war dafür so charakteristisch wie der Sabbat.

Aus diesen beiden Beispielen ist klar ersichtlich, dass Israel ein Volk von Sündern war. In dem einen Fall wurde dies klar durch das Verfolgen des gesalbten Königs, wodurch die Schaubrote zu normalen Broten wurden; in dem anderen Fall durch die Opfer, die notwendigerweise auch am Sabbat dargebracht werden mussten.

So hat der Herr also deutlich gemacht, dass Gott sich nicht an seine Vorschriften binden lässt, wenn sein Volk Ihn verlassen hat. Zudem weist der Herr auf sich selbst hin, der noch größer ist als der Tempel. Er ist nicht nur der Gesalbte Gottes, den sie verfolgen – Er ist Gott selbst, der den ganzen Tempeldienst bestimmt. Er bestimmt, wie man Gott zu dienen hat, nicht die formalistischen Pharisäer. Denen nämlich geht es nur um das Äußere, Gott aber geht es um das Innere.

Die Pharisäer hatten die unschuldigen Jünger verurteilt, weil sie von Barmherzigkeit keine Ahnung hatten. Gesetzliche Menschen sind nie barmherzig. Sie unterdrücken die Armen und bürden ihnen Lasten auf. So blickten auch die Pharisäer nur auf das Opfer und nicht auf das Herz. Barmherzigkeit aber kommt aus dem Herzen, und danach hält Gott Ausschau.

So wie der Herr größer ist als der Tempel, so ist Er auch Herr des Sabbats, der für Ihn also keine bindende Kraft hat. Er ist der Meister und kann darüber nach seinem Gutdünken verfügen. Er hat den Sabbat eingerichtet und ist ihm folglich selbst nicht unterworfen. Der Sabbat ist ja ein Bild des Friedensreiches, in dem Er als der große König über die ganze Erde herrschen wird. Dann werden alle es sehen, dass Er als der Sohn des Menschen der Herr der ganzen Erde ist.

Heilung der verdorrten Hand

Nach seinem Gang durch die Felder kommt der Herr in ihre Synagoge. Wieder geschieht etwas am Sabbat. Bei dem ersten Ereignis ging es um seine Person und seine Macht über den Sabbat. Bei dem zweiten um sein Werk der Barmherzigkeit, für das der Sabbat sich besonders eignet. Dabei zeigt Er, dass der Sabbat ein Segenstag ist.

Nun ist in der Synagoge ein Mensch mit einer verdorrten Hand. Mit dieser Hand konnte der arme Mann keine Ähren pflücken und sie zerreiben. Den Sabbatsegen konnte er also noch nicht genießen. Der Mann bittet nicht um Heilung, aber der Herr kennt seine unausgesprochene Frage.

Auch die Pharisäer sind in der Synagoge anwesend, und sie sind scharfe Beobachter. Hier sehen sie jemanden mit einem Gebrechen, und sie sehen jemanden, den sie als den Barmherzigen kennen. In ihrem boshaften Scharfsinn setzen sie zutreffend voraus, dass der Herr den Mann heilen will. Und in ihrer törichten Überlegung meinen sie, dass dies eine hervorragende Gelegenheit sein würde, dem Herrn eine Fangfrage zu stellen. Der Herr lässt es ihnen zu. So erhält Er die Gelegenheit, seine Herrlichkeit, aber auch ihre Heuchelei ans Licht zu bringen, und sie tappen in die Falle, die sie für Ihn gestellt haben.

Sie fragen Ihn, ob es erlaubt ist, am Sabbat Gutes zu tun und zu segnen. Was für eine Frage! Allein diese Frage macht schon ihr engstirniges und gesetzliches Denken offenbar. Noch deutlicher tritt das hervor durch den Vergleich, den der Herr ihnen vorhält, denn der macht klar, dass sie durchaus kein Gewissensproblem am Sabbat haben würden, wenn es um ihren eigenen Vorteil ginge. Dafür würden sie sehr wohl eine Ausnahme machen. Heilen am Sabbat aber kam für sie nicht in Betracht. So etwas kam in ihrem Regelwerk nicht vor und war daher es nicht erlaubt!

Der Herr entblößt die Torheit solch eines gesetzlichen Denkens. Seine Folgerung muss sie messerscharf getroffen haben. Der Herr aber richtet sich jetzt an den Kranken. Der musste auch selbst etwas tun. Er musste dem Herrn seine Hand entgegenstrecken und den Segen ergreifen. Er tut, was der Herr sagt, und der Segen strömt ihm entgegen. Aber sowohl das klare Wort als auch die Heilungstat des Herrn bringen die Pharisäer nicht zur Bekehrung. Im Gegenteil: Der Beweis seiner Gnade ist für sie der Grund, hinauszugehen. Der Gegenwart von so viel Gnade und Wahrheit können sie nicht länger standhalten. Als sie draußen sind, außerhalb der Sphäre, wo Gnade erwiesen wird, beginnen sie sofort, Mordpläne gegen Ihn zu ersinnen. Wer sich bewusst von der Gegenwart Christi zurückzieht, wird sich zunehmend als sein Feind offenbaren. Was die Pharisäer soeben gehört und gesehen haben, mussten sie als eine Niederlage erfahren. Anstatt diese aber zu akzeptieren, fühlen sie umso mehr, wie ihre Stellung und ihr Ansehen unter dem Volk immer mehr bedroht ist. Die wollen sie aber auf keinen Fall verlieren. Um sich selbst behaupten zu können, suchen sie lieber nach Wegen, sich von Gottes, offenbart in Güte, zu entledigen.

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