Philippians 3:12

„Eins aber“

Phil 3:12. Paulus war noch nicht so weit, wie er sich das wünschte. Sein Verlangen, Christus völlig gleichförmig zu sein, war noch nicht erfüllt. Er lebte noch auf der Erde, und das bedeutete, dass er noch nicht zur Vollkommenheit gelangt war. Solange ein Mensch auf der Erde lebt, ist der Prozess, gleichförmig und vollkommen zu werden, noch nicht beendet. Gerade deswegen wird jemand, der Christus kennengelernt hat, weiter nach dieser Vollkommenheit streben oder jagen. Er wird sich niemals zufrieden mit hinter dem Kopf verschränkten Händen zurücklehnen und denken: So, jetzt bin ich da, wo ich hinwollte, ich bin Christus völlig gleich. Das wäre großer Hochmut und ein schrecklicher Irrtum. Dieses Denken würde einen enormen Mangel an Selbsterkenntnis verraten. Andererseits lehrt Paulus hier auch ein Streben nach Vollkommenheit, als wäre die Vollkommenheit doch schon auf der Erde zu erreichen.

Es gibt eine verkehrte Lehre, die besagt, dass du auf der Erde vollkommen werden kannst und dass du also einen Zustand der Sündlosigkeit erreichen kannst. Lass dich dadurch nicht irremachen. Das ist unmöglich. Doch das nimmt nicht weg, dass jedes aufrichtige Kind Gottes in seinem Leben nach größtmöglicher Gleichförmigkeit mit Christus streben soll. Wenn du wirklich so wie Paulus von Christus ergriffen bist, kannst du dann etwas anderes wollen? Denk noch einmal an dein Leben zurück, bevor du Christus wirklich kanntest. Vielleicht gleicht es dem von Paulus. Du warst voller Eifer mit (religiösem) Wirken oder Studium beschäftigt. Du meintest, mit all deinem Streben Gott zu gefallen, bis dir klar wurde, dass es dir nur um dich selbst ging. Christus kam in dein Leben, jemand, der völlig anders war als du. Sein Eifer war völlig auf Gott ausgerichtet. Er tat nie etwas für sich selbst. Sein Leben bestand einzig und allein aus dem Dienst für andere. Dafür gab Er schließlich sein Leben.

Der Tod, den Er starb, war nicht nur die Krönung eines vollkommen gottgeweihten Lebens, es war auch die Versöhnung für jeden, der sich als Sünder erkennt, auch für dich. Darum hast du Ihn lieb gewonnen und ist Er der Inhalt deines Lebens geworden. Du bist von Ihm ergriffen. Du bist in den Bann seiner Liebe gekommen. Die Umarmung seiner Liebe hat dich überwältigt. Du fühlst dich bei Ihm durch und durch sicher und geborgen. Er ist für dich da. Du willst auch ganz für Ihn da sein. Du willst Ihm gleich sein, nicht nur ein klein bisschen, denn damit kannst du nicht zufrieden sein. In dieser Hinsicht ist – wie jemand einmal geschrieben hat – „Zufriedenheit das Grab des Fortschritts“. Nein, du willst Ihm ganz und gar ähnlich sein, Ihm vollkommen gleich sein.

Nebenbei bemerkt: Es ist gut, daran zu denken, dass das Wort „Vollkommenheit“ drei Bedeutungen: hat:

1. Du bist in Christus und durch sein Werk vor Gott vollkommen (Heb 10:14). Diese Vollkommenheit besitzt jeder Gläubige von dem Augenblick an, wo er seine Sünden bekennt und den Herrn Jesus im Glauben als Erlöser und Herrn annimmt.

2. Dann gibt es noch die Vollkommenheit, die wir empfangen, wenn wir beim Herrn Jesus sind und auch unser Leib an der Erlösung teilhat und das Fleisch nicht mehr da ist. Davon handelt dieser Vers.

3. Und dann gibt es die Vollkommenheit, die wir auf der Erde erreichen können und die mit geistlichem Wachstum zu tun hat. Das ist die Vollkommenheit im Sinn des Erwachsenseins. Das ist die Vollkommenheit, um die es in Phil 3:15 ging. Man kann sagen, dass zum Beispiel die Väter in Christus (1Joh 2:13; 14) in diesem Sinn vollkommen sind. Sie haben nichts anderes mehr in ihrem Leben als Christus.

Phil 3:13. Um jedes Missverständnis dabei auszuschließen, betont Paulus noch einmal, dass er sehr gut weiß, dass er noch nicht da ist. Er lehnt sich nicht zufrieden und müßig nach hinten, auch jetzt nicht, während er im Gefängnis ist. Er denkt nicht, dass seine Arbeit zu Ende ist, und denkt auch nicht, dass der Prozess seiner geistlichen Bildung zu Ende ist. Trotz all der Jahre seiner Arbeit für den Herrn und seinem unaufhörlichen Einsatz betrachtet er den Prozess, gleichförmig zu werden, nicht als abgeschlossen. Mit nicht nachlassender Energie streckt er sich nach dem aus, was vor ihm liegt.

Phil 3:14. Das Geheimnis seiner Kraft ist seine Konzentration auf die eine Sache. Das ist ein Geheimnis, das leider nur wenige kennen. Viele Menschen sind mit „eins aber“ nicht zufrieden. Sie empfinden das als zu eingeschränkt. Du musst einen weiteren Gesichtskreis haben, gibt es denn nicht viel mehr zu genießen? Ja, aber sobald du etwas zu Christus dazunimmst, um dem Aufmerksamkeit zu schenken, bist du nicht mehr mit „eins aber“ zufrieden. „Eins aber“ schließt alles andere aus. Wofür entscheidest du dich? Die Entscheidung ist nicht schwierig, wenn du bedenkst, dass dieses Eine dem Leben ebenfalls vollkommene Befriedigung gibt. Alles, was du dazunimmst, schmälert die Befriedigung. Wem gibst du den Vorzug?

Für Paulus war das keine Frage. Er machte deutlich, wie man dem „eins aber“ nachjagen kann. Erstens vergaß er alles, was hinter ihm lag. Er dachte nicht daran, was er alles an Vorzügen besaß. Er dachte auch nicht an die viele Arbeit, die er geleistet hatte, an die Reisen, die er gemacht hatte, und an die Orte, wo er das Evangelium verkündigt hatte, oder an die vielen Gläubigen, denen er gedient hatte. Wenn man für den Herrn arbeitet (und wer tut das nicht?), ist es sehr gefährlich, sich umzuschauen, um die Ergebnisse seiner Arbeit zu besehen. In dem Augenblick hörst du auf, das Ziel anzuschauen. Paulus hatte seinen geistlichen Fortschritt nicht in einer Übersicht festgehalten. Vergessen, was dahinten ist, will nicht heißen, dass wir vergessen sollen, wer wir gewesen sind. Das war auch bei Paulus nicht so. Er hat nie vergessen, dass er der Größte aller Sünder war (1Tim 1:13; 2Pet 1:9).

Statt sich mit dem Weg zu beschäftigen, der bereits hinter ihm lag, streckte er seine beiden Hände nach vorn aus. Er stellt sich hier selbst als jemand vor, der an einem Wettrennen teilnimmt. Ohne auf- oder zurückzusehen, läuft er, so schnell er kann, in die Richtung des Ziels, das er ununterbrochen im Auge behält. Es geht ihm um den Preis, der mit der Berufung Gottes in Verbindung steht. Gott hatte ihn himmelwärts gerufen. Dann darfst du nicht deine Interessen auf der Erde suchen. Den Christen, die das tun, werden wir noch in Phil 3:19 begegnen. Wenn du von Gott berufen bist, ist es sein Ziel, dich im Himmel zu haben, damit du dort in Christus Jesus alle Segnungen genießen kannst, die Er im Herzen hat, um sie dir zu schenken. Diesen Preis willst du doch um nichts in der Welt missen, oder?

Phil 3:15. Vielleicht erkennst du, dass es in deinem Leben darum gehen müsste. Doch du fühlst das Spannungsfeld, in dem du dich befindest. Es ist noch schwierig für dich, wirklich alles aufzugeben und dich völlig auf das eine Ziel auszurichten. Es gibt Gläubige, bei denen du feststellst, dass sich alles in ihrem Leben um Christus dreht. Das sind die „Vollkommenen“ im ersten Teil von Phil 3:15. Paulus schließt sich selbst mit ein. Das kannst du an dem Wort „uns“ erkennen. Die Vollkommenen sind die, die in der christlichen Erfahrung so weit gekommen sind, dass nichts mehr für das Herz interessant ist als nur die Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu. Wie viele schöne Dinge es auf der Erde auch gibt, für sie verbleicht alles und ist nichts, verglichen mit seiner Schönheit. Manche Menschen mögen es extrem oder fanatisch nennen. In jedem Fall ist es radikal. Der Christ, der auf diese Weise gewachsen ist, wird durch eine dazu passende Gesinnung gekennzeichnet sein, die Gesinnung Christi selbst. Der hatte auch nur ein Ziel: die Verherrlichung des Vaters. Das brachte Ihn dazu, den Willen des Vaters zu tun, und daraus ist aller erdenkliche Segen hervorgekommen.

Im zweiten Teil von Phil 3:15 wird eine andere Gruppe von Gläubigen angesprochen. Paulus spricht zu ihnen als „ihr“, die „etwas anders gesinnt“ sind. Damit meint er nicht fleischliche oder ungeistliche Gläubige. Er meint Gläubige, die noch nicht gelernt haben, dass für Gott wirklich nichts anderes Wert hat als nur der Herr Jesus. Ein Beispiel für solche Gläubige findet man in „den Schwachen“, über die Paulus in Römer 14 im Unterschied zu „den Starken“ spricht. Beide Gruppen beschreibt er als geistlich gesinnte Gläubige. Er macht dort klar, dass derjenige, der „schwach“ im Glauben ist, nicht die volle christliche Freiheit kennt, die ihm in Christus gegeben ist. Solche Gläubige meinen, gewisse Anordnungen noch beachten zu müssen. Wo Aufrichtigkeit gegenüber Gott gefunden wird, hat Gott Geduld mit der geistlichen Entwicklung. Er wird zur rechten Zeit offenbaren, worum es Ihm wirklich geht, indem Er den Schleier, der für sie noch darüber liegt, wegnimmt. Dann werden auch sie die Dinge so sehen können, wie sie wirklich sind. Dieser Unterschied in der geistlichen Entwicklung, dieses Anders–gesinnt–Sein, braucht eine glückliche Gemeinschaft nicht zu stören. Es sind Dinge, die wir dem Herrn überlassen können. In solchen Fällen brauchen wir nicht zu versuchen, unsere Brüder dazu zu bringen, unsere Meinung zu teilen. Gott selbst wird sie unterweisen (1Thes 4:9).

Phil 3:16. Wenn jemand noch nicht alle seine Interessen auf Christus ausgerichtet hat, müssen wir selbst nicht warten, bis das der Fall ist. Wir müssen gemeinsam weitergehen, wobei gilt, dass jeder nach dem Licht wandeln soll, das er empfangen hat. Empfangenes Licht weckt das Verlangen nach mehr Licht. Es macht nicht passiv, sondern spornt an zu einer engeren Gemeinschaft mit Christus und zu dem Wunsch nach einer größeren Gleichförmigkeit mit Ihm. Wenn du Christus angenommen hast, beginnst du ab diesem Augenblick geistlich zu wachsen. Das Stadium, das du nun erreicht hast, ist einerseits eine Folge des Werkes Gottes in dir und andererseits deines Einsatzes (Phil 2:13). Nun, du wirst angespornt, auf diesem Weg weiterzugehen. Du brauchst das nicht allein zu tun. Du darfst das gemeinsam mit anderen tun, die ebenfalls Christus kennengelernt haben und für Ihn allein leben wollen.

Lies noch einmal Philipper 3,12–16.

Frage oder Aufgabe: Gibt es noch andere Interessen, denen du außer dem „eins aber“ nachjagst?

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