Philemon 3

Einleitung

Ebenso wie die beiden Briefe an Timotheus und der Brief an Titus ist auch dieser Brief an eine einzelne Person geschrieben, nämlich an Philemon. Dennoch nimmt er unter den Briefen, die an einzelne Personen geschriebenen wurden, eine einzigartige Stellung ein.

Timotheus und Titus erhielten Anweisungen für ihr persönliches Verhalten in der Gemeinde. Paulus hatte sie darüber belehrt, wie sie sich in vielen Situationen zu verhalten hätten und was sie den Gläubigen vorstellen sollten. Diese Briefe sind auch für dich von großer Bedeutung. Du lernst darin, wie du dich als Christ in einer Christenheit verhalten sollst, in der ein großes Durcheinander herrscht. Du erhältst dort Hinweise, wie du darin zur Ehre Gottes und zum Segen für die dich umgebenden Menschen leben kannst. Der Brief an Philemon hat einen ganz anderen Inhalt. Darin findest du keine lehrmäßigen Unterweisungen. In diesem Brief geht es ausschließlich um eine praktische Angelegenheit.

Paulus redet in diesem Brief zu einem gläubigen Herrn über einen Sklaven, der ihm, Philemon, entlaufen war und den Paulus nun wieder zu ihm zurückschickte. Es ist ein Brief über einen Sklaven, der seinem Herrn gegenüber schuldig geworden ist. Paulus will diesem Herrn helfen, seinen Sklaven, der ihm solch einen Schaden zugefügt hatte, in Liebe aufzunehmen. In diesem Brief siehst du, dass es beim christlichen Glauben nicht nur um das geht, was man glaubt, sondern auch darum, wie man diesen Glauben auslebt.

Es geht nicht nur darum, Gott und den Herrn Jesus zu kennen, sondern auch darum, die Eigenschaften Gottes und des Herrn Jesus darzustellen. Als Apostel hätte Paulus von Philemon fordern können, Onesimus wieder aufzunehmen oder ihn sogar freizulassen. Doch Paulus tritt hier nicht als Apostel auf. Er will, dass sich die Lehre in der Praxis zeigt. So zeigt er, dass es nicht nur wichtig ist, dass du über die Wahrheit sprichst, sondern auch, wie du die Wahrheit in die Praxis umsetzt. Es geht nicht nur darum, etwas Richtiges zu sagen, sondern es auch richtig zu sagen. Der Ton macht die Musik.

Vielleicht denkst du: „Was kann ich schon aus einer Begebenheit lernen, die so weit von meiner Lebenswirklichkeit entfernt ist? Ich habe mehr davon, wenn ich meine Stellung in Christus kennenlerne und lerne, dementsprechend zu leben, als zu erfahren, wie Philemon seinen Sklaven aufnehmen sollte.“ Das wäre jedoch ein Denkfehler. Gerade der Brief an Philemon zeigt beispielhaft wie kein anderer Brief, wie du deine Stellung in Christus in deinem Leben ausleben solltest. Obwohl dieser Brief also keine lehrmäßigen Belehrungen enthält, wirst du merken, dass er nur von jemandem geschrieben werden konnte, der die ganze Wahrheit über Christus innerlich aufgenommen hatte. Wenn du diesen Brief liest, wirst du sehen, wie das ganze Leben des Verfassers und sein ganzes Denken durchdrungen waren von dem, was er in Christus war. In dem, was er schreibt, setzt er die Wahrheit in die Praxis um – die Wahrheit über den einen Leib (der Brief an die Epheser), die Wahrheit über die Gesinnung Christi (der Brief an die Philipper) und die Wahrheit über den neuen Menschen (die Briefe an die Epheser und Kolosser).

Was hier beschrieben wird, sollte tägliche Praxis der Gläubigen in vergleichbaren Situationen sein. Wenn wir auch nichts mehr mit Sklaverei zu tun haben, so kannst du doch in Situationen kommen, wo jemand dir gegenüber schuldig wird, wie Onesimus gegenüber Philemon. Es kann auch sein, dass du von derartigen Situationen bei anderen weißt. Du könntest dann eine vermittelnde Rolle übernehmen, so wie Paulus hier zwischen Onesimus und Philemon vermittelt. Wie wir mit solchen Situationen umgehen sollten, lernen wir in diesem Brief. Dazu ist er geschrieben worden, und so müssen wir ihn lesen.

Du wirst in diesem Brief vergeblich nach Hinweisen suchen, wie man mit Sklaverei umgehen muss oder wie man sie zu sehen hat. Darum geht es überhaupt nicht. Beim Christentum geht es nicht um die Veränderung der Verhältnisse, sondern um die Veränderung der Herzen der Menschen. Und selbst wenn das Herz verändert ist, heißt das noch nicht, dass der Gläubige sich auch willig in die Verhältnisse schickt. Ich finde es jedenfalls oft noch schwierig, mit Unrecht, das mir angetan wurde, richtig umzugehen. Das hängt sicher auch von der Art des Unrechts ab. In diesem Brief geht es um Diebstahl und um die Weigerung, seiner Verantwortung nachzukommen.

Es gibt auch noch anderes Unrecht, bei dem jemandem etwas weggenommen wird und das noch viel einschneidender ist. Ich denke dabei an körperlichen Missbrauch oder an eine Manipulation des Willens. Dabei ist natürlich klar, dass dieses Unrecht von anderer Art ist als das Unrecht, das Anlass zu diesem Brief war. Solltest du mit einem derart abscheulichen Unrecht zu tun haben, musst du lernen, auch damit umzugehen. Das wird sicher ein Prozess sein, der seine Zeit braucht, doch mit der Hilfe des Herrn und solcher, denen du vertrauen kannst, kannst du da ein gutes Stück vorankommen. Wenn du denkst, ich könnte dir dabei behilflich sein, dann scheu dich nicht, Kontakt mit mir aufzunehmen.

Philemon wohnte aller Wahrscheinlichkeit nach in Kolossä, wie sich aus dem Brief an die dortige Gemeinde ableiten lässt (Kol 4:9). Der Brief an Philemon und der Brief an die Kolosser hängen somit eng zusammen. Noch etwas lässt den starken Zusammenhang zwischen dem Brief an Philemon und den Briefen an die Kolosser und die Epheser erkennen. In den Briefen an die Epheser und die Kolosser werden nämlich die Herren von Sklaven ausdrücklich als solche angesprochen (Eph 6:9; Kol 4:1). Auch Philemon gehörte zu ihnen und wurde ebenfalls direkt angesprochen.

Es scheint so, dass er durch den Dienst des Paulus zum Glauben gekommen ist. Jedenfalls kann man das in Phlm 1:19 zwischen den Zeilen lesen. Paulus war nie in Kolossä (Kol 2:1) und muss Philemon anderswo begegnet sein. Diese Begegnung oder Begegnungen haben schließlich zu seiner Bekehrung geführt. Danach hat er mit Paulus und auch mit Timotheus zusammengearbeitet (Phlm 1:1). Hier ist Philemon wieder zurück in Kolossä. Es ist wohl anzunehmen, dass die erwähnte Frau, Apphia (Phlm 1:2), seine Ehefrau ist. Von Archippus vermutet man, dass er sein Sohn ist, aber das ist nicht mehr als eine Vermutung. Philemon muss ein ziemlich großes Haus gehabt haben, denn in seinem Haus versammelte sich die Gemeinde. Dass er zumindest einen Sklaven hatte, Onesimus, kann bedeuten, dass er nicht unbemittelt war.

Es geht um Onesimus in diesem Brief. Onesimus war ein unbekehrter Sklave, der geflohen war. Er wird nicht deshalb geflohen sein, weil Philemon ihn hartherzig behandelt hätte. Mir scheint, dass das Problem mehr bei ihm selbst lag. Allem Anschein nach war er ein nutzloser Bursche (Phlm 1:11). Vor seiner Bekehrung hat er seinem Namen keine Ehre gemacht. Onesimus bedeutet nämlich „nützlich“. Es scheint sogar so, dass er ein Dieb geworden war.

Philemon wird ihn nicht an die Kette gelegt haben, sondern ihm ein großes Maß an Freiheit gegeben haben. Philemon hatte ihm vertraut. Onesimus hat dieses Vertrauen schwer missbraucht. Er hat sich nicht nur in einem günstigen Augenblick auf die Socken gemacht, sondern sich dabei auch mit dem Notwendigen versorgt. Schließlich musste er ja leben. Vielleicht glaubte er, dass er nicht mehr als den noch ausstehenden Lohn mitnahm. Wer sich nicht vom Herrn leiten lässt, kann zu den merkwürdigsten Auffassungen in Bezug auf „Mein und Dein“ kommen und handelt dann auch danach.

Ob Rom sein Ziel war oder ob er dort schließlich nach manchem Umherirren gelandet ist, ist nicht bekannt. Jedenfalls führte der Herr es so, dass er dort dem Apostel Paulus begegnete. Möglicherweise stieß er in Rom „zufällig“ auf Paulus. Er kam mit ihm ins Gespräch, und der Herr öffnete sein Herz, so dass er sich bekehrte. Es ist auch nicht undenkbar, dass er Paulus, über den er im Haus des Philemon viel gehört haben wird, aus eigenem Antrieb aufgesucht hat. Der Herr kann sein Gewissen unruhig gemacht und ihm in Erinnerung gerufen haben, dass Paulus irgendwo in Rom gefangen saß.

Sicher ist, dass er bei Paulus im Gefängnis und durch seinen Dienst Paulus zur Bekehrung kam (Phlm 1:10). Dadurch kam seine Beziehung zu Gott in Ordnung. Nun musste auch noch seine Beziehung zu Philemon in Ordnung gebracht werden. Das war noch ein weiter Weg.

Du siehst also, dass mit der Bekehrung noch nicht alle Probleme schlagartig verschwunden sind. Die Bekehrung ist der Anfang eines neuen Lebens. Von diesem Augenblick an gehen Wachstum im Glauben und das Ordnen der Vergangenheit Hand in Hand. Alles, wovon du weißt oder später erkennst, dass du da an jemandem schuldig geworden bist, musst du in Ordnung bringen. So habe ich einige Zeit nach meiner Bekehrung den Besitzer eines Ladens aufgesucht, wo ich als Junge regelmäßig Süßigkeiten geklaut hatte. Ich hatte einen Betrag als Entschädigung bei mir. Soweit ich mich erinnere, entsprach dieser bei weitem nicht dem Wert dessen, was ich gestohlen hatte. Doch er hat meine Entschädigung, die ich bei mir hatte, angenommen und mir vergeben.

Der Gedanke an eine Rückkehr zu seinem Herrn wird bei Onesimus keine große Freude ausgelöst haben. Trotzdem sah er ein, dass das notwendig war, vielleicht, weil Paulus ihn davon überzeugt hatte. Paulus sagte ihm auch seine bedingungslose Unterstützung zu. Er nahm es auf sich, Onesimus im Blick auf Philemon zu helfen. Wie er das tat, ist mehr als das, was wir meinen, wenn wir davon sprechen, dass wir „für jemanden ein gutes Wort einlegen“. Er schickte Onesimus nicht einfach zurück, sondern gab ihm einen Empfehlungsbrief mit. Darin bezeugte Paulus die Echtheit seiner Bekehrung und wie er ihm danach von großem Nutzen war. Hier kannst du etwas von Paulus lernen. Du kannst dir einmal überlegen, wie du jemandem weiterhelfen und ihn unterstützen kannst, der vor einer ähnlichen Aufgabe wie Onesimus steht.

Auch von Onesimus kannst du etwas lernen. Von Natur aus bist du auch ein weggelaufener Onesimus, ein nutzloser Nichtsnutz (Röm 3:12). Durch deine Bekehrung hat sich das geändert. Durch die Kraft des Heiligen Geistes kannst du nun für deine Umgebung nützlich sein. Dass du anders geworden bist, fällt zuerst und am deutlichsten in deinem täglichen Wirkungsbereich auf, sei es zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit. Gerade da, wo Onesimus als Sklave hingestellt war, konnte er nun zeigen, dass er nützlich war. So sendet der Herr jeden von uns in seine eigene Umgebung, in die Familie oder den Arbeitsbereich zurück, damit wir dort Zeuge sind und nützlich für den Herrn (Mk 5:19). Du und ich, wir sind Gottes Onesimus.

Absender, Empfänger und Segenswunsch

Phlm 1:1. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, tritt Paulus hier nicht als Apostel auf. Wenn er das gewollt hätte, hätte er seine Autorität gleich zu Anfang seines Schreibens herausgestellt. Er hätte das tun können, wie er später in Phlm 1:8 sagt. Doch in diesem Fall sieht er davon ab. Es geht ihm nämlich nicht darum, eine Wahrheit zu entfalten oder zu verteidigen, sondern um etwas anderes. Er möchte Philemons Herz erreichen und von Herz zu Herz mit ihm reden. Deshalb betont er nicht die unterschiedlichen Positionen, die sie in der Gemeinde einnahmen, sondern das, was sie gemeinsam besaßen. Ausgangspunkt für das, was er Philemon sagen möchte, ist die Gnade, die sie beide von Gott empfangen hatten. Paulus geht eigentlich noch einen Schritt weiter, indem er als jemand auftritt, der Philemon um einen Gefallen bittet.

Aus dieser Haltung heraus will er seine eigenen Gefühle äußern und die von Philemon ansprechen, und zwar hinsichtlich einer Person, die sie beide kennen: Onesimus. Doch jeder von beiden kennt ihn auf eine andere Weise. Philemon kennt Onesimus von früher, Paulus kennt ihn, wie er jetzt ist. Zwischen damals und jetzt liegt die Bekehrung des Onesimus. Paulus kennt die schönen Folgen dieser Bekehrung. Philemon kennt nur das frühere Leben des Onesimus mit seinen traurigen Folgen. Paulus weiß das. Er versucht auch nicht, die Vergangenheit von Onesimus schönzureden oder als weniger schlimm hinzustellen. Seine einzige Absicht ist es, Philemon dazu zu bewegen, Onesimus zu vergeben und wieder aufzunehmen. Deshalb tritt er so bescheiden auf.

Durch ein solches Auftreten zeigt er Philemon, wie er wünscht, dass Philemon als Herr des Onesimus den entlaufenen Sklaven behandeln sollte. Auf diese Weise würde Philemon die Gnade des Apostels zeigen können oder besser noch: die Gnade des Herrn. Der Herr hat sich tiefer erniedrigt als jeder andere es jemals getan hat. Nicht dass Er dadurch etwas aufgegeben hätte, das Er in sich selbst war. Doch Er konnte damit etwas tun, was Er auf keine andere Weise hätte tun können. Nur so konnte Er nämlich bei den Seinen ein inneres Empfinden seines gnädigen Handelns bewirken (Joh 13:13-15). So konnte auch Paulus sein Apostelamt nicht verleugnen, er konnte es im Augenblick aber einmal hintanstellen und ein Beispiel für ein liebevolles Vorgehen geben. In dieser demütigen Haltung konnte er bitten, statt zu befehlen.

Paulus tritt hier also nicht als Apostel auf, sondern als „Gefangener Christi Jesu“. Schon das muss das Herz Philemons unmittelbar berührt haben. Der Absender des Briefes ist jemand, der um Christi willen leidet. Auch du wirst schnell einen Unterschied feststellen können zwischen jemandes Brief, dem es gut geht, und jemandes Brief, der in seinem Leben manche Rückschläge zu verarbeiten hat. Wenn Letzterer einen Brief schreibt, dann wird das, denke ich, einen stärkeren Eindruck machen. Paulus sagt damit gleichzeitig, dass er nicht ein Gefangener der Menschen war. Menschen waren für ihn nur Werkzeuge in der Hand des Herrn. Paulus wusste sich in der Hand des Herrn. Dass er jetzt im Gefängnis saß, war für ihn kein Schicksalsschlag. Nein, der Herr hatte ihn dorthin gebracht, um dort mit ihm, diesem „auserwählten Gefäß“, Gemeinschaft zu haben und dem Apostel die tiefsten Gedanken seines Herzens mitzuteilen. Dadurch haben wir nun drei Briefe, die uns die reichsten Segnungen der Christen mitteilen: die Briefe an die Epheser, die Philipper und die Kolosser.

In seiner Gefangenschaft hatte Paulus auch auf besondere Weise Gemeinschaft mit einem Bruder wie Epaphras, den das gleiche Los getroffen hatte (Phlm 1:23; siehe auch Kol 4:12). Und wir sehen in diesem Brief auch, wie sein Herz an Onesimus hing, der ihm in seiner Gefangenschaft diente.

Es gibt noch einen zweiten Absender, Timotheus. Timotheus war zwar kein Apostel, hatte aber doch einen besonderen Platz in der Gemeinde. Doch auch davon ist hier keine Rede. Timotheus wird hier als „der Bruder“ vorgestellt, eine Bezeichnung, die man geradezu als einen Titel betrachten kann und die auch für Philemon galt. Es ist ein Titel von gewaltiger Bedeutung. Im allgemeinen Sinn umfasst der Ausdruck „Brüder“ auch Schwestern. Das versteht jeder, der weiß, dass der Herr Jesus sich nicht schämt, uns seine Brüder zu nennen (Heb 2:11; 12). Dadurch verbindet Er sich mit allen Gläubigen. Paulus gebraucht diesen Titel mehrmals als einen Appell an Philemon (Phlm 1:7; 20). So wurde auch Paulus von Ananias direkt nach seiner Bekehrung angesprochen (Apg 9:17). Und während seines Dienstes suchte das Herz des Apostels immer wieder Ruhe in der Gemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern.

Brüder voneinander sind wir bis in alle Ewigkeit. Es ist eine ewige familiäre Beziehung, die durch das Werk des Herrn Jesus entstanden ist. Seine erste Äußerung der Freude nach seiner Auferstehung kommt in den Worten zum Ausdruck: „Geh aber hin zu meinen Brüdern.“ Die Gemeinschaft der Gläubigen mit ihrem Gott und Vater ist dieselbe, die der Herr Jesus mit seinem Gott und Vater hat (Joh 20:17).

Paulus wandte sich an Philemon. Der Name bedeutet „Liebender“ oder „liebreich“. Er hatte seinem Namen Ehre gemacht, wie man Phlm 1:5 entnehmen kann. Er war reich an Liebe und hatte sie anderen erwiesen. Da blieb es nicht aus, dass er auch von anderen geliebt wurde. Wer liebt, wird selbst auch geliebt. Paulus hatte seine Liebe erfahren (Phlm 1:7) und spricht deshalb von „dem Geliebten“. Philemon wurde von Gott geliebt, von Paulus und Timotheus und von allen, die Philemons Liebe beobachteten. Philemon zeigte auch Liebe für das Werk des Herrn. Er war ein „Mitarbeiter“ des Paulus und des Timotheus im Dienst für den Herrn. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass Paulus alles erwähnt, was ihn mit Philemon verbindet.

Phlm 1:2. Die Annahme, dass Apphia die Frau von Philemon war, scheint mir nicht zu weit hergeholt zu sein. Es ist das einzige Mal, dass der Apostel in der Anrede seiner Briefe eine Frau erwähnt. In anderen Fällen passte das nicht, hier aber wohl. Apphia war selbst ja auch Leidtragende, vielleicht sogar die am meisten Geschädigte. Sie hatte einen Bediensteten verloren. Auch ihrem Namen fügt Paulus etwas hinzu. Er nennt sie „Schwester“ und bringt damit zum Ausdruck, dass sie durch das wunderbare Band des Glaubens an den Herrn Jesus miteinander verbunden waren. Auch hier deutet nichts darauf hin, dass Paulus in der Gemeinde einen höheren Platz hatte.

Archippus wird ein Mitbewohner gewesen sein, sonst wäre er in der Anrede nicht zusammen mit dem Familienoberhaupt und dessen Frau genannt worden. Man hat vermutet, dass er ihr Sohn war. Beweise dafür gibt es jedoch nicht. Es kann auch sein, dass er einfach nur für eine bestimmte Zeit bei ihnen im Haus war, vielleicht weil er Ruhe brauchte oder wieder zu Kräften kommen musste. Jedenfalls war er ein „Mitkämpfer“ im Evangelium. Es kann sogar sein, dass es ihm schwerfiel, sich wieder am Kampf zu beteiligen. Er musste nämlich angespornt werden, seinen Dienst zu erfüllen (Kol 4:17).

Die Tatsache, dass Paulus diese Namen erwähnt, drückt aus, dass sie Gemeinschaft miteinander hatten, dass sie also etwas Gemeinsames besaßen. Durch Christus sind sie miteinander verbunden und haben so Interesse füreinander. Alle Unterschiede hinsichtlich der gesellschaftlichen Stellung, des Geschlechts oder der Sprache sind für diese Gemeinschaft kein Hindernis. Im Licht des Kreuzes verschwinden alle Unterschiede. In der neuen Schöpfung ist Gott alles und in allen, und in Christus gibt es weder Juden (Paulus) noch Griechen (Philemon) noch Sklaven (Onesimus) noch Freie (Philemon), weder Mann (Philemon) noch Frau (Apphia) (Gal 3:28).

Die Sache ging auch die Gemeinde im Haus von Philemon etwas an. Zweifellos werden sie gewusst haben, was geschehen war. Wenn Onesimus zurückkehren würde, mussten sie auch wissen, wie das mit seiner Arbeit war. Sie mussten dann auch wissen, dass sie einen neuen Bruder hinzubekommen hatten. Die ganze Gemeinde sollte diesen entlaufenen Sklaven in der Gesinnung des Herrn Jesus aufnehmen.

Im Brief an die Kolosser schreibt Paulus nichts davon, dass Onesimus ein entlaufener Sklave war. Dort stellt er ihn nur als einen treuen und geliebten Bruder vor (Kol 4:9). Von dem Problem zwischen Onesimus und Philemon brauchten nur die direkt Betroffenen etwas zu wissen. Darin liegt ein wichtiger Hinweis: Familienprobleme, die in einer Gemeinde auftreten, müssen nicht überall breitgetreten werden. Deshalb erwähnt Paulus im Brief an die Kolosser, der für alle Gläubigen in Kolossä bestimmt war, nichts davon.

Die Gemeinde in Philemons’ Haus war nicht das, was wir heute als „Hausgemeinde“ bezeichnen. Eine Hausgemeinde kann aus ganz verschiedenen Gründen entstehen. Sie besteht aus einer Anzahl von Gläubigen, die sich regelmäßig in einem Haus treffen, um sich über den Glauben an Christus auszutauschen. Jede Hausgemeinde besteht für sich. Man schätzt vor allem den kleinen Rahmen und erfährt dadurch einen stärkeren persönlichen Kontakt.

Es ist sicher nicht unbiblisch, eine Hausgemeinde zu bilden, aber das ist keine Gemeinde, wie sie dir in der Bibel begegnet. Eine Gemeinde im biblischen Sinn beachtet die Anordnungen, die besonders im Brief an die Korinther in Bezug auf das Zusammenkommen der Gemeinde gegeben werden. Das geschah auch im Haus von Philemon oder wo sonst noch von einer „Gemeinde im Haus“ die Rede ist (vgl. Röm 16:5; 1Kor 16:19; Kol 4:15).

In der Bibel ist von der Gemeinde an einem bestimmten Ort die Rede. Dort mögen Gläubige an verschiedenen Stellen zusammenkommen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es an diesem Ort mehrere Gemeinden gibt. So kamen die ersten Christen an vielen Stellen in Jerusalem zusammen, um das Brot zu brechen (Apg 2:46). Praktisch gesehen war es auch gar nicht möglich, mit mehreren Tausend Gläubigen an einer Stelle in Jerusalem zusammenzukommen.

Phlm 1:3. Paulus beschließt seine Anrede mit dem bekannten Gruß. Gnade ist die unverdiente Gunst, durch die Gott, der Vater, und der Herr Jesus uns errettet haben und in der sie uns jetzt beistehen. Friede ist die entsprechende Folge. Es ist die Ruhe im Blick auf alle Umstände, und zwar durch das Bewusstsein, dass alles, was Er in seiner Liebe für seine Kinder bestimmt hat, in der Hand unseres Gottes und Vaters ist. Dasselbe gilt für den Herrn Jesus Christus, der der Herr seiner Diener ist.

Lies noch einmal Philemon 1,1–3.

Frage oder Aufgabe: Welcher Unterschied besteht zwischen der Anrede in diesem Brief und der in anderen Briefen, und warum ist das so?

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