Psalms 107:10-22

Aus der Finsternis heraus geführt

Dieser Abschnitt bezieht sich auf die Gefangenschaft unter den Völkern und ihre Befreiung daraus. Sie waren „Bewohner der Finsternis und des Todesschattens“ (Ps 107:10; vgl. Ps 23:4; Lk 1:79; Jes 9:1). In einer solchen Situation zu „wohnen“ deutet auf eine hoffnungslose Lage hin. Dass sie dazu noch „gefesselt in Elend und Eisen“ waren, machte ihre Lage völlig hoffnungslos (vgl. Ps 105:18). Der Herr sagt in seiner Endzeitrede in Matthäus 25, dass dies der Anteil „der geringsten dieser meiner Brüder“ (Mt 25:39b; 40) sein wird. Mit ihnen meint Er den gläubigen Überrest in der Zeit der großen Drangsal.

In ihren Seelen herrschte Finsternis, „Todesschatten“ umgab sie, sie fühlten sich elend und konnten wegen der eisernen Fesseln nicht gehen. Der Grund für die Gefangenschaft war ihre Widerspenstigkeit „gegen die Worte Gottes“ (Ps 107:11; vgl. 3Mo 26:33-39; Neh 9:33-37). Das Volk als Ganzes war widerspenstig gegen das, was Gott sagte, sein Gesetz. Daniel erkennt dies in seinem Bekenntnis an (Dan 9:5-8). Die Worte Gottes, sein Gesetz, enthalten „den Rat des Höchsten“. Es sind vollkommene Ratschläge mit der höchsten Weisheit, um zu seiner Ehre und zum eigenen Wohl zu leben.

Gottes Worte, sein Rat, dienen dem Volk zum Guten (5Mo 10:3). Gott gibt niemals ein Gebot, das kein Rat ist, und nicht weise ist, es zu befolgen. Aber sein Volk hat seinen Rat abgelehnt. Und es ist dazu noch der Rat „des Höchsten“. Es ist nicht nur töricht, seinen Rat abzulehnen, sondern auch unverschämt und anmaßend, weil der Ratgeber so erhaben ist. Wer hat sich jemals „gegen ihn verhärtet und ist unversehrt geblieben?“ (Hiob 9:4b)?

Wenn ein Mensch sich nicht selbst demütigt, muss Gott ihn demütigen (Jak 4:10; 1Pet 5:6). Er hat das stolze, hochmütige Herz seines Volkes in Babel gedemütigt (Ps 107:12). Er tat das „durch Mühsal“, durch Elend, Trübsal, Enttäuschung, Kummer (vgl. 5Mo 26:7). Das zerbrach ihre Kraft, sodass sie „strauchelten“ und hinfielen.

Da lagen sie nun, völlig gedemütigt. Weil sie den Rat des Höchsten verworfen hatten, gab es „keinen Helfer“, um wieder aufzustehen. Niemand hatte Erbarmen, und Gott musste sie ausliefern, weil sie Ihn ablehnten. Das zeigt erneut die Ausweglosigkeit ihrer Situation.

Dann hören wir wieder, dass „sie zu dem HERRN schrien in ihrer Bedrängnis“ (Ps 107:13; Ps 107:6). Das ist es, worauf Gott gewartet hat. Er ist bereit, auf einen Schrei aus der Bedrängnis zu antworten. Und dann handelt Er auch. Aus „aus ihren Drangsalen rettete er sie“. Die Worte „Bedrängnis“ und „Drangsalen“ deuten darauf hin, dass sie innerlich und äußerlich in großer Bedrängnis waren, sodass sie keinen Raum hatten, ihre Bedrängnis auszudrücken oder sich zu bewegen. Aber der Weg nach oben war offen, und sie nutzten diesen Weg. Der gottlose König Manasse ist ein Beispiel dafür, wie der HERR handelt, wenn Israel sich demütigt (2Chr 33:12; 13; vgl. 3Mo 26:40-42; 5Mo 30:1-3).

Gott antwortete und rettete. Er „führte sie heraus aus der Finsternis und dem Todesschatten und zerriss ihre Fesseln“ (Ps 107:14). Weil sie zu Gott geschrien hatten, wurden sie von Ihm aus der Situation herausgeführt, in die sie durch die Widerspenstigkeit gegen Gottes Worte geraten waren (Ps 107:10; 11). Die Fesseln des „Elends und Eisen“, die Symbole ihrer Knechtschaft, in denen sie gefangen waren, zerriss Er, indem Er seinen Knecht, den Messias, sandte (Jes 42:6; Jes 49:9; Jes 61:1).

Für diese unerwartete Wendung zum Guten werden sie erneut aufgefordert, den HERRN zu preisen (Ps 107:15). Wie in der ersten Strophe (Ps 107:4-9) ist diese Aufforderung zwischen zwei Gebetserhörungen eingebettet: Ps 107:14 ist die Antwort auf das Gebet in Ps 107:10a, und Ps 107:16 ist die Antwort auf das Gebet in Ps 107:10b (vgl. Ps 50:15).

Nur „wegen seiner Güte“ wurden sie aus ihrem Elend gerettet. Ihm gebührt dafür alle Ehre. Es ist auch Gottes Absicht, dass sie Ihm „wegen seiner Wundertaten an den Menschenkindern“ preisen. Es ist ein Zeugnis für die Menschen um uns herum, wenn wir Gott für das Wunder der Erlösung preisen, das Er uns durch seinen Sohn geschenkt hat. Preisen wir Ihm wirklich alle? Oder muss der Herr auch uns fragen, wie Er es bei der Reinigung der zehn Aussätzigen tat, von denen nur einer zurückkehrte, um Ihn zu danken: „Sind nicht die zehn gereinigt worden? Wo sind aber die neun?“ (Lk 17:16; 17).

Als Grund, den HERRN zu preisen, wird erneut betont, was Er für sie getan hat (Ps 107:16). Er hat „die ehernen Türen“ des Gefängnisses zerbrochen. Ist das nicht eine erstaunliche Sache? Diese Türe konnten nur durch die Macht Gottes zerbrochen werden.

Diese Gefängnistüre waren mit „eisernen Riegel zerschlagen“ (vgl. Ps 107:10; Ps 105:18). Es war sozusagen doppelt unmöglich, sich von sich selbst daraus zu befreien. Aber auch diese eisernen Riegel wurden von Gott „zerschlagen“. Gott hat nicht nur die Türe geöffnet und die Riegel gelockert, sondern sie radikal zerbrochen, sie außer Kraft gesetzt. Das Zerbrechen ist so gründlich, dass eine Wiederverwendung unmöglich ist.

Befreit aus den Gruben

Dieser Abschnitt beschreibt die Bedrängnis des Volkes kurz vor dem zweiten Kommen des Herrn Jesus. Das Volk Gottes ist ein Volk von Toren (Ps 107:17; vgl. 5Mo 32:6a). Sie berücksichtigen Gott nicht (Ps 53:1-7). Der Weg eines solchen Volkes kann nur ein „Weg der Übertretung“ sein. Im Leben solcher Menschen häufen sich „Ungerechtigkeiten“ an (vgl. Jes 59:12).

Das Ergebnis kann nicht anders sein, als dass sie unter allen möglichen Plagen und Krankheiten „leiden“ (vgl. Jes 38:1). Sie haben sich diese Plagen und Krankheiten durch ihren Lebensstil ohne Gott selbst zugefügt. Sicherlich ist Krankheit nicht immer eine Folge der Sünde (Joh 9:1-3), aber sie kann es sein, wie hier (vgl. Jak 5:15).

Die Leiden, die sie sich selbst zufügten, führten dazu, dass „ihre Seele jede Speise verabscheut“ (Ps 107:18). Zugleich können wir von einer solchen Krankheit auch sagen, dass sie ein Reden Gottes zu den Menschen ist (Hiob 33:14). Ihre Abscheu vor der Speise kam nicht von Ihm, sondern von ihrem kranken Lebensstil, der sie krank gemacht hatte. Ein kranker Mensch hat nicht nur keine Kraft, Speise zu sich zu nehmen, er will sie auch nicht, er würgt bei dem Gedanken an sie. Es ist eine Situation, in der sie dem Tod nahe sind, „bis an die Pforten des Todes“ (Hiob 33:19-22).

Zum dritten Mal ist es eine Situation, in der es keine Aussicht auf Besserung oder Rettung gibt. Zum dritten Mal veranlasst diese Notlage sie dazu, „zum HERRN“ zu schreien (Ps 107:19; Ps 107:6; 13). Und wieder antwortet Er, indem Er sie aus ihrer Bedrängnis und Drangsal rettet. Der Schrei in der Bedrängnis impliziert die Erkenntnis, dass Gott die Bedrängnis zu Recht hat entstehen lassen.

Gott rettete sie aus ihrer Bedrängnis wegen der tödlichen Krankheiten, indem Er sein Wort sandte und sie heilte (Ps 107:20; vgl. 5Mo 32:39). Was mit Hiskia geschah, ist ein Beispiel dafür (Jes 38:1-22). Wir können seine Erfüllung im Kommen des Sohnes Gottes, des fleischgewordenen Wortes Gottes, sehen. Die Berichte, die wir in den Evangelien über sein Leben auf der Erde haben, bezeugen dies. Wir lesen, dass Er während seines Lebens auf der Erde Menschen heilte und sie „aus ihren Gruben“ befreite. Diese Menschen waren dem Tod nahe, aber Er nahm sie von den Pforten des Todes weg, damit sie nicht dem Tod zum Opfer fielen (Mt 8:17; Mk 1:34; Apg 10:38).

Diese wundersamen Heilungen und Befreiungen sind wiederum der Anlass, den HERRN zu preisen (Ps 107:21; Ps 107:1; 8; 15; 31; vgl. Jes 38:20). Wiederum wird die Aufforderung, den HERRN zu preisen, eingebettet in die Erhörung des Gebets (Ps 107:20) und das Opfern von Opfer des Lobes (Ps 107:22) anstelle eines sündigen Lebenswandels.

Sie sind die Beweise für „seine Güte“. Sie sind auch „seine Wundertaten an den Menschenkindern“. Gott zeigt immer wieder, wie gut Er zu den Menschen ist. Wir dürfen Gott danken, dass Er sein schuldig gewordenes und leidendes Volk nicht vergessen hat und wünschen uns, dass alle um uns herum das sehen.

Sie können ihre Dankbarkeit für die erfahrene Güte und die Wunder der Heilung zeigen, indem sie Ihm „Opfer des Lobes opfern“ (Ps 107:22). Ein Opfer des Lobes opfern ist eine Form des Friedensopfers. Es spricht von der Gemeinschaft mit dem HERRN und mit den Gliedern des Volkes Gottes als Folge dessen, was Er, der so gut zu ihnen war, getan hat.

Dann will Er auch, dass sie „mit Jubel erzählen seine Taten“. Wahre Dankbarkeit äußert sich in erster Linie darin, dass man Gott dankt, und dabei wird sie nicht stehen bleiben. Ein dankbares Herz möchte auch, dass andere davon hören und an diesen Gott glauben. Deshalb werden sie mit leidenschaftlicher Freude bezeugen, was Gott in ihrem Leben getan hat.

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