Psalms 119:13

/Beth/ Wohnen bei dem HERRN

Der zweite Buchstabe, beth, bedeutet „Haus“. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass Gott Hausgenossen hat. Diese Hausgenossen sind diejenigen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie den HERRN von ganzem Herzen suchen, an Ihm festhalten, sich nach Ihm sehnen (Ps 119:10), mit der Folge, dass sie Ihn preisen (Ps 119:12).

Diese Beth-Strophe beginnt mit der Frage, wodurch ein junger Mann seinen Pfad in Reinheit wandeln kann (Ps 119:9). Die Frage ist an den HERRN gerichtet und kommt aus dem Bewusstsein eines jungen Mannes, der sich danach sehnt, mit dem HERRN zu wandeln (Ps 119:7; 8) in einer Welt, die voller Unreinheit ist. Der Psalmist unterweist hier, er gibt Unterricht. Der junge Mann ist der Schüler, der zuhört. Er repräsentiert den treuen Überrest (vgl. Spr 1:4). Er will sie die Furcht des HERRN, Erkenntnis und Besonnenheit lehren (vgl. Ps 34:12).

Der junge Mann ist in großer Gefahr, von den Verlockungen der Sünde mitgerissen zu werden. Diejenigen, die diese Frage nicht kennen, sind sich dessen nicht bewusst und werden ihren Pfad sicherlich nicht rein halten.

Der Psalmist selbst gibt die Antwort demjenigen, dem er die Frage gestellt hat. Er sagt zu Ihm: „Indem er sich bewahrt nach deinem Wort“, das das Wort Gottes in seinem umfassendsten Sinn ist. „Bewahren“ bedeutet, dass das Wort Gottes nicht nur ein Dogma ist, das wir kennen müssen, sondern dass es jede Faser unseres Wesens durchdringt, jeden Aspekt unseres Lebens bestimmt und unser ganzes Herz, unseren ganzen Verstand und alle unsere Gefühle erfüllt.

Dann wird er die Wirkung des Wortes Gottes in seinem Herzen erfahren, nämlich seine reinigende Wirkung (vgl. Eph 5:25; 26). Es ist auch nachdrücklich „dein“ Wort. Dazu gehört die Anerkennung, dass wir die Unterweisung des Wortes nicht von einem Menschen, sondern von Gott selbst empfangen (vgl. 1Thes 2:13).

Das ganze Wort hat eine reinigende Wirkung. Der Gehorsam gegenüber dem Wort in all seinen Aspekten und seine Anwendung auf alle Bereiche des Lebens bewahren vor Unreinheit. Das Wort, das befiehlt, ist auch das Wort, das befähigt, das zu tun, was es befiehlt.

Der Psalmist und mit ihm der Überrest können zum HERRN sagen: „Mit meinem ganzen Herzen habe ich dich gesucht“ (Ps 119:10; vgl. Ps 119:2). Das Nachdenken über das Wort Gottes und sich damit nähren hat zur Folge, dass der Psalmist den HERRN von ganzem Herzen suchen wird. Die Wirkung des Wortes Gottes in unserem Leben besteht darin, dass unser Herz gestärkt wird, damit wir uns dem Herrn mit entschlossenem Herzen und von ganzem Herzen widmen.

Den HERRN zu suchen, um Ihn und seinen Willen zu erkennen, ist eine Lebenseinstellung. Das Herz des Psalmisten richtet sich ungeteilt auf Ihn, auf seine Person. Es gibt keinen anderen Gegenstand, für den sein Herz schlägt. Es ist nicht möglich, in Teilzeit und mit einem geteilten Herzen eine Ehe zu schließen. Ebenso ist es nicht möglich, den HERRN mit einem geteilten Herzen zu suchen.

Er rühmt sich nicht damit. Gerade weil sein ganzes Herz den HERRN sucht – das heißt, dass er sich Zeit nimmt, um sich mit dem Wort zu beschäftigen –, sieht er, dass er von Ihm abhängig ist, um nicht von seinen Geboten abzuirren. Deshalb bittet er Ihn, ihn nicht von seinen Geboten abirren zu lassen, sondern sich von ihnen auf seinem Weg leiten zu lassen. Hier sehen wir, dass Wort und Gebet zusammengehören. Das eine geht nicht ohne das andere.

In der Aleph-Strophe haben wir in Ps 119:5 gesehen, dass der Psalmist anerkennt, dass er schwach ist und sich danach sehnt, fest zu stehen. Das Gleiche finden wir hier in dieser Beth-Strophe. Hier haben wir das Bekenntnis, dass sein Herz in die Irre gehen kann, und seinen Wunsch, dass der HERR ihn davor bewahrt.

Das Wort ist ein Fernrohr, durch das wir sehen, wer Gott ist; das Wort ist auch ein Spiegel, in dem wir sehen, wer wir sind. Das Wort lehrt uns, dass wir diesen Schatz in einem irdenen Gefäß besitzen, das unsere Schwachheit darstellt, „damit die Überfülle der Kraft sei Gottes und nicht aus uns“ (2Kor 4:7). Praktisch bedeutet das, dass wir uns jeden Tag bewusst genügend Zeit für das Wort nehmen, durch das unser Herz gereinigt (Ps 119:9) und gestärkt (Ps 119:10) wird, damit wir uns Ihm hingeben können.

Noch einmal sagt der Psalmist dem HERRN, dass sein Herz Ihn sucht. Denn er hat sein Wort in seinem Herzen verwahrt (Ps 119:11). Nachdem der Psalmist nun das Wirken des Wortes kennengelernt hat, beschließt er, das Wort in den Tiefen seines Inneren, nämlich in seinem Herzen, zu verwahren.

Das geht viel weiter und tiefer als die Kenntnis des Wortes mit dem Verstand. Es ist nützlich, das Wort zu studieren und auswendig zu lernen. Aber wir dürfen nicht dabei stehen bleiben. Das Wort muss sozusagen wiedergekäut werden; es muss tiefer in das Innere, in das Herz, hinabsteigen und dort aufbewahrt werden wie ein kostbarer Schatz, den man liebt.

Der Zweck des Verwahrens des Wortes ist, so sagt er dem HERRN, „damit ich nicht gegen dich sündige“. Solange der Gläubige auf der Erde lebt, bleibt die Möglichkeit, zu sündigen, offen. Gott gibt sein Wort, damit es keine Ausrede zum Sündigen gibt. Wer Gottes Wort in seinem Herzen schätzt, kann die feurigen Pfeile des Feindes mit „es steht geschrieben“ beantworten (vgl. Mt 4:1-11).

Der Psalmist ist sich bewusst, dass der Mensch zur Verherrlichung Gottes geschaffen wurde und dass daher jede Sünde in seinem Leben eine Sünde gegen Gott ist. Das Wort „Sünde“ bedeutet „das Ziel verfehlen“, d. h. den Zweck verfehlen, den der Schöpfer für unser Leben vorgesehen hat, nämlich dass wir Gott verherrlichen (Röm 3:23).

Wenn das Wort Gottes im Herzen ist, um von dort aus das Leben zu bestimmen, hält es den Gerechten von der Sünde ab. Wenn die Sünde im Herzen ist, geschieht das Gegenteil: Die Sünde hält den Gerechten vom Wort Gottes ab.

Ein Mensch, auch ein Gläubiger, sündigt am schnellsten und leichtesten mit Worten (Jak 3:1; 2). Mit einem Wort, das mit den Verderbnis abwehrenden Worten Gottes gesalzen ist (Kol 4:6), können wir jedem die richtige Antwort geben und Worte der Gnade sprechen, ohne das Ziel zu verfehlen. Dank des Wortes Gottes, das im Gläubigen ist, kann er auch selbst ein Verderbnis abwehrendes Salz in dieser Welt sein (Mt 5:13).

Wenn das Wort Gottes im Herzen ist, wenn es dort reichlich vorhanden ist, wird der Gottesfürchtige, anstatt zu sündigen, den HERRN preisen (Ps 119:12; Kol 3:16). Dazu wendet er sich direkt an Ihn und sagt: „Gepriesen seist du, HERR!“ (vgl. 1Pet 1:3). Selbst für die Verfasser dieses Kommentars ist es nicht möglich, über das Wort nachzudenken und Kommentare abzugeben, ohne dass unser Herz voll des Lobpreises für unseren gesegneten Herrn wird.

Solche Äußerungen sind Ihm besonders angenehm. Aus dieser Haltung des Lobpreises heraus erklingt die Frage an den HERRN: „Lehre mich deine Satzungen.“ Der Psalmist sehnt sich danach, Gottes Satzungen so zu lernen, dass sich sein Wille in sein Herz eingraviert, sodass er nicht von ihnen abweicht.

Die Liebe des Psalmisten und des Überrestes zu Gottes Wort zeigt sich in den Rechten, die er mit seinen Lippen erzählt hat (Ps 119:13). Was er hörte, behielt er nicht für sich, sondern gab es in einem öffentlichen Zeugnis an andere weiter. Wovon das Herz voll ist, davon fließt der Mund über (vgl. Ps 116:10a).

Das Wort Gottes besteht für ihn nicht nur aus Worten, Wahrheiten, die er auswendig gelernt hat. Das Wort Gottes ist für ihn „alle Rechte deines Mundes“. Jedes Recht hat sein Herz berührt, weil Gottes Mund es gesprochen hat. Die Stimme des Geliebten erklingt in seinem Herzen und seine Lippen sprechen davon.

Dieser Vers beginnt mit „meinen Lippen“ und endet mit „deinem Mund“. Der Psalmist spricht nur, was er von Gott gehört hat. So kann der Herr Jesus bezeugen: „Was ich von ihm gehört habe, das rede zu der Welt“ (Joh 8:26b) und: „Was ich nun rede, rede ich so, wie mir der Vater gesagt hat“ (Joh 12:50b). Etwas Ähnliches sagt uns Petrus in seinem ersten Brief (1Pet 4:11a).

Die Freude, die er über das Wort Gottes hat, ist größer als „über allen Reichtum“ (Ps 119:14) [nach der niederländischen Übersetzung]. Er sagt dem HERRN, dass die Freude, die alle Reichtümer der Welt geben könnten, für ihn nicht überwiegt, wenn er „an dem Weg deiner Zeugnisse“ geht. Die Freude über Reichtum ist per definitionem vorübergehend und begrenzt und gibt dem Herzen nie volle Befriedigung (vgl. Ps 4:8). Wer sich auf den Weg der Zeugnisse Gottes begibt, wer sich von ihnen auf seinem Lebensweg leiten lässt, erfährt ihren unvergänglichen Wert.

Der Gläubige, der darauf achtet, sinnt über die „Vorschriften“ Gottes (Ps 119:15; vgl. Ps 1:2). Über das Wort Gottes zu sinnen, es zu erforschen, gibt tiefe Befriedigung. Dadurch gewinnt der Gläubige ein Auge für die Wege Gottes. Das Nachsinnen über Gottes Wort ist nie nur eine intellektuelle Tätigkeit, sondern öffnet den Blick für die Praxis des Lebens. Es führt dazu, das zu tun, was das Wort sagt.

Die Beschäftigung mit dem Wort Gottes in dieser Weise schenkt Freude an den „Satzungen“ Gottes, die die eingeschriebenen, unauslöschlichen Worte Gottes sind (Ps 119:16; vgl. Jer 15:16). Sie geben dem Leben des Glaubens Stabilität, denn nichts darin ist ungewiss. Wer sich an Gottes Satzungen erfreut, kann getrost sagen: „Dein Wort werde ich nicht vergessen.“ Schließlich ist es in das Herz gemeißelt.

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