Ruth 3:9

Boas entdeckt Ruth

Mitten in der Nacht wird Boas wach. Er erschrickt und beugt sich vor. Er erschrickt, weil er mitten in der Nacht bemerkt, dass jemand bei ihm ist. Das weist eigentlich darauf hin, dass Ruth sich an sein Fußende gelegt hat, ohne dass Boas etwas davon gemerkt hat. Es lässt ihre große Behutsamkeit und Geduld erkennen. Noomi hatte nicht davon gesprochen, dass sie Boas wecken sollte. Darum wartet sie geduldig den Verlauf der Nacht ab. Doch Noomi hatte gesagt, dass Boas ihr sagen würde, was sie tun soll (Rt 3:4). Er würde schon noch wach werden. Sie wird in ihrer Haltung, die in allem die Abhängigkeit von der Gnade zeigt, nicht beschämt.

Boas entdeckt, dass eine Frau an seinem Fußende liegt. Er fragt, wer sie ist. Es ist mitten in der Nacht. Deshalb ist ein genaues Erkennen kaum möglich. Trotzdem ist es auch nicht ausgeschlossen, dass er Ruth erkannt hat. Sie war fünfzig Tage bei ihm auf dem Feld und er hat sie dabei lieb gewonnen. Sein Herz wird voll von ihr gewesen sein. Die Frage „Wer bist du?“ muss darum auch nicht unbedingt bedeuten, dass er sie nicht erkennt, sondern kann auch beinhalten, dass er ein persönliches Geständnis aus ihrem Mund hören möchte.

Ihre Antwort auf seine Frage ist kennzeichnend für ihre Bescheidenheit: Sie ist seine Magd. Anschließend bittet sie, dass er seine Flügel über sie ausbreiten möge. Das ist indirekt die Frage, ob er sie zur Frau nehmen möchte. Boas hatte früher schon einmal zum Ausdruck gebracht, wie sehr er sie schätzte, weil sie unter den Flügeln des HERRN Zuflucht gesucht hatte (Rt 2:12). Ruth greift Boas’ Worte auf, wird aber noch direkter. Sie spricht über die Flügel des Boas und sagt damit gleichsam, dass sie in seinem Schutz den Schutz des HERRN erfahren wird (vgl. Ps 36:8; Ps 57:2; Ps 61:5; Ps 91:4; Hes 16:8).

Dieser Schutz gewinnt für sie dadurch an Bedeutung, dass er der Löser ist. Sie appelliert an ihn, ihr Löser zu sein. Damit übernimmt sie, was Noomi in Rt 3:2 über Boas gesagt hat, wo sie ihn „unser Verwandter“ nennt. Boas ist auch der Löser der Moabiterin Ruth. Aber es ist keine Rede davon, dass sie deshalb irgendein Recht beansprucht. Sie erkennt einerseits an, dass er der Löser ist, deutet andererseits aber auch an, dass es von ihr aus gesehen keinerlei Möglichkeit gibt, gesegnet zu werden und dass sie alles von ihm erwartet. Sie bezeichnet sich freiwillig als Magd, bekennt ihren hilflosen Zustand und sieht ein, dass es nur Gnade sein würde, wenn er ihre Bitte erfüllt.

Bemerkenswerterweise nennt sie sich selbst nicht Ruth, die Moabiterin. Sie ist sich der familiären Verbindung mit Boas bewusst. Allerdings scheint sie sich nicht darüber im Klaren zu sein, dass es noch einen näherstehenden Löser gibt als Boas, obwohl Noomi in Kapitel 2 darauf angespielt hat, als sie sagte, dass Boas „einer von unseren Blutsverwandten“ ist (Rt 2:20). In geistlicher Hinsicht bedeutet das, dass Ruth sich nicht mehr als arme Sünderin sieht, sondern dass sie weiß, dass sie zur Familie Gottes gehört.

Wer bei der Erkenntnis „Ich armer Sünder“ steckenbleibt, wird kein glücklicher und dankbarer Christ werden und auch nicht im Glauben wachsen. In einer solchen Haltung kommt Gott zu kurz und das Werk des Herrn Jesus wird unterbewertet.

Copyright information for GerKingComments