2 Samuel 9:11

Mefiboseth bei David

Mephiboseth kommt zu David, wirft sich auf die Erde und beugt sich nieder (2Sam 9:6). Weiß er, was David plant? Womit kann er rechnen? Er kann eigentlich nur an eine Sache denken, und das ist, dass seine letzte Stunde geschlagen hat. Die einzige Person, die er nicht treffen wollte, ist David. Die einzige Person, die ihm etwas Gutes tun kann, ist David. Und das passiert. Als David ihn gefunden hat, gibt es keine Schimpftiraden von Anschuldigungen, er bekommt keine Vorwürfe zu hören, es wird kein Urteil gesprochen. Er findet nichts als Gnade. Als David ihn sieht, nennt er nur seinen Namen. „Mephiboseth“ bedeutet „Ausstrahlung des Baal“.

Mephiboseths Antwort lautet: „Siehe, dein Knecht.“ Es erinnert an die Reaktion Marias, als der Herr Jesus sich ihr offenbart. Auch einer zutiefst betrübten Maria zeigt Er sich, indem Er nur ihren Namen nennt: „Maria.“ Die Reaktion von Maria ist wie die von Mephiboseth: „Sie wendet sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni! – das heißt, Lehrer“ (Joh 20:16).

Mephiboseth braucht keine Angst zu haben. David ließ ihn nicht holen, um seinem Leben ein Ende zu setzen, sondern um ihm ein viel reicheres Leben zu schenken, als er es bisher hatte (2Sam 9:7). Er bekommt alles zurück, was seiner Familie gehört. Dadurch erhält er plötzlich einen enormen Besitz. Aber das ist nicht das Einzige. Er bekommt noch viel mehr, denn er darf ständig in der Gegenwart von David sein. Dreimal heißt es, dass er am Tisch des Königs sitzen darf.

Nochmal und wenn möglich noch tiefer beugt sich Mephiboseth (2Sam 9:6; 8), als er so viel Gnade empfängt. Er nennt sich selbst „einen toten Hund“. So nannte sich David einmal selbst (1Sam 24:15; vgl. 2Sam 16:9; Mt 15:26-28). Mephiboseth ist sich bewusst, wer er in sich selbst ist. Dieses Bewusstsein muss auch uns gut durchdringen. In uns selbst sind wir nichts als ein toter Hund. In Israel ist ein Hund bereits etwas Verabscheuungswürdiges, geschweige denn ein toter Hund. Es geht Mephiboseth hier nicht nur darum, dass er verschont wird, sondern auch, dass er die Aufmerksamkeit von David auf sich weiß. Er ist überwältigt von der Güte Davids in dem, was dieser ihm gibt. Im Bild geht es darum, dass ein toter Hund zu einem Sohn Gottes wird.

David gibt Mephiboseth eine Fülle von Nahrung, viel mehr als er essen kann (2Sam 9:10). So ist es mit dem Reichtum der Christen. Und David belässt es nicht bei der Versorgung mit Lebensmitteln. Er geht sogar noch weiter. Mephiboseth kann regelmäßig zusammen mit David essen und sogar in Jerusalem wohnen, in unmittelbarer Nähe von David.

So hat Gott mit uns gehandelt. Er hat uns aus einem Zustand befreit, in dem wir nur ein Urteil erwarten konnten. Er hat uns, die wir in uns selbst so verwerflich sind, einen Schatz im Himmel geschenkt. Und schon jetzt dürfen wir mit Ihm Umgang haben, in seiner Gegenwart sein, ohne Angst vor dem Gericht. Überzeugt von seiner vollkommenen Liebe gibt es keinen Platz für Furcht (1Joh 4:18a).

In 2Sam 9:11 sehen wir den Kontrast zwischen jemandem, der ein Diener ist und damit auch zufrieden ist, und jemandem, der ein Sohn ist und für den das sein höchstes Gut ist. Ziba wird in 2Sam 9:9 bezeichnenderweise „der Diener Sauls“ genannt. Seine Söhne und Knechte müssen ihren Anteil am Einkommen haben. Das ist ein beträchtlicher Teil, was die genannte Zahl zeigt. Ziba hat fünfzehn Söhne und zwanzig Knechte. Sie werden viel von dem brauchen, was es dort gibt. Wir sehen hier: „Wenn das Gut sich mehrt, so mehren sich, die davon zehren“ (Pred 5:10a).

Alle, die im Haus Zibas wohnen, sind Diener von Mephiboseth. Sie alle kümmern sich um seinen Besitz und leben davon. Es ist alles nur für sie selbst, denn sie sind auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Die Juden haben ein Sprichwort: „Wer die Knechte vermehrt, vermehrt die Diebe.“ Ziba ist nun zufrieden, denn er liebt Reichtum und hat ihn nun im Überfluss zur Verfügung. Er verspricht dem König, dass er treu damit umgehen wird. Er scheint sogar zu sagen, dass er Mephiboseth an seinem eigenen Tisch haben möchte und ihn wie einen echten Königssohn behandeln will. David geht darauf nicht ein, weil er ihn an seinem eigenen Tisch haben will. Wie untreu Ziba gewesen ist, werden wir später sehen (2Sam 16:3).

In 2Sam 9:12 sehen wir, dass die Segnungen nicht nur für Mephiboseth gelten, sondern auch für seinen Sohn, „sein Name war Micha“. Micha bedeutet „wer ist wie der HERR?“ Mit der Namensgebung seines Sohnes hat Mephiboseth bereits seinen Glauben an Ihn zum Ausdruck gebracht. Dafür erhält er nun die Belohnung durch die Behandlung von David.

Die letzte Aussage über Mephiboseth (2Sam 9:13) ist die Erinnerung an das, was er von Natur aus ist. Das macht das, was er geworden ist und wohin er gebracht wurde, umso größer. Er ist und bleibt in sich selbst ein Sünder, denn das Fleisch ändert sich nie. In uns selbst sind und bleiben wir so machtlos wie eh und je, aber das heißt nicht, dass uns das immer beschäftigen sollte. Wir sollten sozusagen nicht unter den Tisch schauen, sondern auf den Tisch, und vor allem über den Tisch auf Ihn, dem der Tisch gehört. Uns geht es nicht um uns selbst, sondern um den Herrn Jesus. Es geht um die kontinuierliche Gemeinschaft mit Ihm und nicht nur um die Gemeinschaft einmal pro Woche an seinem Tisch, um sein Abendmahl zu feiern.

Sobald Mephiboseth in Jerusalem wohnt, wird nicht mehr über seine Besitztümer gesprochen, auch nicht über seine Herkunft, wohl aber über seine gelähmten Füße. Wir können es auf jeden von uns wie folgt anwenden. Es bleibt ein ewiges Wunder, dass ich, der ich von Natur aus machtlos bin, nun so in der Nähe des Herrn Jesus sein und an seinem Tisch essen kann, das heißt, mit Ihm Gemeinschaft haben kann. In der Gnade, die David Mephiboseth erweist, sehe ich die Gnade des Herrn Jesus mir gegenüber. Er ist so überwältigend gut zu mir, Er hat mir so viel gegeben. Das Größte ist, dass ich Gemeinschaft mit Ihm haben darf und in seiner Gegenwart sein kann, auch wenn ich in mir selbst ein toter Hund bin und keine Kraft habe, zu seiner Ehre zu leben.

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