Acts 20:17-35

Paulus ruft die Ältesten von Ephesus zu sich

Obwohl Paulus aus Zeitgründen nicht nach Ephesus ging, verlangte er doch danach, mit der Gemeinde Kontakt zu haben. Die ganze Gemeinde zu sich zu rufen, war nicht möglich, wohl aber die Verantwortlichen der Gemeinde. Deshalb verweilt er in Milet, um die Ältesten der Gemeinde von Ephesus zu sich zu rufen.

Dass er das mit einer besonderen Absicht tat und nicht einfach aus einer Gefühlsregung heraus, macht seine Rede an sie deutlich. Seine ersten beiden Reden richteten sich zum einen an die Juden (Apg 13:15-41) und zum anderen an die Heiden (Apg 17:22-31). Hier richtet er sich an die Ältesten der Gemeinde in Ephesus und damit an die ganze Gemeinde dort und über sie hinaus auch an die weltweite Gemeinde.

Älteste werden immer in der Mehrzahl genannt und stehen immer nur in Verbindung mit der örtlichen Gemeinde. Es gibt also nicht so etwas wie einen Pastor oder einen Lehrältesten. Älteste und Aufseher bezeichnen dieselben Personen. Das sieht man auch in Apg 20:28, wo Paulus dieselbe Gruppe der Ältesten Aufseher nennt (vgl. Tit 1:5; 7).

Lukas widmet dieser Rede einen breiten Raum, weil sie nicht nur für die Ältesten in Ephesus und die Gemeinde dort von Bedeutung ist, sondern für die ganze christliche Kirche. Wir finden darin eine Zusammenfassung des Dienstes des Paulus. Es geht dabei nicht so sehr um die Auswirkung seines Dienstes nach außen und die Ergebnisse, die dies für andere hervorgebracht hat. Es geht vor allen Dingen um die innere Seite seines Dienstes, was er selbst dabei erfahren und durchlebt hat, den Kampf und die Seelenübungen, die damit verbunden waren, die Tränen und Sorgen und die Hingabe, mit der er seinen Dienst ausgeübt hat. Er fühlt sich in dieser kleinen Gruppe von Verantwortlichen frei, seine Empfindungen zu äußern und sie mit ihnen wie mit Freunden zu teilen.

Seine Rede hat auch eine prophetische Reichweite. Er spricht davon, was die Auswirkung seines Dienstes in der Geschichte der christlichen Kirche sein wird, wenn er und die anderen Apostel heimgegangen sein werden.

In seiner Rede schaut er zurück (Apg 20:18-21), schaut auf die Gegenwart (Apg 20:22-27) und schaut in die Zukunft (Apg 20:28-31). Er spricht über seinen Dienst als Evangelist (Apg 20:21; 24), als Lehrer (Apg 20:25; 27), als Prophet (Apg 20:29; 30) und als Hirte (Apg 20:31-35). Als Hirte hat er die ganze Herde im Blick und nennt dabei besonders seine Fürsorge für die Schwachen (Apg 20:35).

Wir können seine Rede in vier Abschnitte einteilen, wobei die Wörtchen „und nun (siehe)“ die verschiedenen Abschnitte markieren:

1. Das Vorbild des Apostels (Apg 20:17-21)

2. Der Weg des Apostels (Apg 20:22-24)

3. Die Entwicklungen nach seinem Abscheiden (Apg 20:25-31)

4. Er befiehlt sie Gott und seiner Gnade an (Apg 20:32-35).

Der Dienst des Paulus unter den Ephesern

Nachdem die Ältesten bei ihm eingetroffen sind, beginnt Paulus seine eindrucksvolle Abschiedsrede. Wir können sie mit den Reden Josuas und Samuels vergleichen, die sie bei ihrem Abschied gehalten haben (Jos 23:1-16; Jos 24:1-28; 1Sam 12:1-24). Seine Rede zeigt, dass er sie nicht dazu aufruft, sich seiner Autorität zu unterwerfen oder der eines möglichen Nachfolgers, sondern er bittet sie, seinem Vorbild nachzufolgen.

Er beginnt seine Rede damit, die Ältesten an die erste Begegnung zu erinnern. Er war nicht zu ihnen gekommen, sie um eine Stadtbesichtigung zu bitten und ihm allerlei interessante Orte zu zeigen. Er brauchte keine Zeit, sich einzuarbeiten oder Dinge zu untersuchen oder auf diplomatische Weise eine bestimmte Atmosphäre für seine Botschaft zu schaffen. Vom ersten Augenblick an widmete er sich seiner Aufgabe. Das hatten sie gesehen. Sein Betragen unter ihnen war transparent. Man brauchte sich nicht zu fragen, was er denn wohl tat. Er war „bei ihnen“ gewesen, er war also einer von ihnen und nicht ein Prediger, der über ihnen stand.

Zuerst einmal erinnert er sie an seine dienende Haltung. Danach gibt er ihnen eine Übersicht seines Dienstes: Er bezeugte die Buße und den Glauben (Apg 20:21), dann bezeugte er das Evangelium der Gnade Gottes (Apg 20:24); er predigte das Reich Gottes (Apg 20:25) und verkündigte den ganzen Ratschluss Gottes (Apg 20:27). Aber er beginnt mit dem Hinweis auf seine Gesinnung. Es geht nicht nur um das, was jemand sagt, sondern auch darum, wer es sagt und wie er es sagt. Er tat es in Demut. So diente er den Gläubigen, doch hier sagt er, dass er dem Herrn diente.

Der Dienst an den Gläubigen bedeutet in Wirklichkeit Dienst für den Herrn, und solch einen Dienst wird Er auch belohnen (Mt 25:40). Er diente in Demut und nicht als eine gefeierte Hoheit, die von anderen verlangte, dass sie ihm dienten. Er ist ein echter Nachfolger seines Herrn, von dem er diese Demut gelernt hat (Mt 11:29).

Diese Demut kommt in besonderer Weise durch die Tränen zum Ausdruck, die während des Dienstes zum Vorschein kamen. Er diente nicht kühl, von oben herab oder aus Distanz. Seine Tränen zeigen sein Interesse an anderen. Er schämte sich seiner Tränen nicht (Apg 20:31; 37; 2Kor 2:4; Phil 3:18). Gott zählt derartige Tränen (Ps 56:9) und würde bald jede Träne von seinen Augen abwischen (Off 7:17).

Diese Demut und diese Tränen waren kein Zeichen von Schwäche. Sie gingen einher mit Prüfungen durch Anschläge auf sein Leben seitens der Juden. Wer dabei standhaft bleibt, ist kein Schwächling, sondern ein Mann mit Mut, Kraft und Entschlossenheit.

Er ließ sich durch das leiten, was für die Gläubigen nützlich war und nicht durch seine eigenen Vorlieben. Immer ging es ihm um den Herrn, und weil beim Herrn immer das Interesse an anderen im Vordergrund steht, war das auch bei Paulus so. Da er das suchte, was für andere nützlich war, hat er nichts zurückgehalten. Er hat alles verkündigt, was ihm für die Gemeinde anvertraut war. Hätte er etwas zurückgehalten, hätte das bedeutet, dass er dem untreu gewesen wäre, der ihn gesandt hatte, und dass er dann nicht die Empfindungen des Herrn Jesus für seine Gemeinde teilte. Paulus hatte jedoch sowohl in der Öffentlichkeit, das ist die Synagoge und die Schule des Tyrannus, als auch in kleinerem Kreis, in den Häusern, den Gläubigen gedient.

Der erste Teil des Dienstes bestand darin, die Buße zu Gott zu bezeugen, und damit war untrennbar der Glaube an den Herrn Jesus verbunden. Er hat dieses Zeugnis – die Basis von allem – vor Juden und Griechen abgelegt (den Juden zuerst). Bekehrung zu Gott bedeutet: Jemand sieht sich selbst in der Gegenwart Gottes, und das führt ihn zum völligen Selbstgericht. In der Gegenwart Gottes wird alles so beurteilt, wie es in den Augen Gottes ist. Wir rechtfertigen uns selbst nicht länger und wollen das auch gar nicht mehr.

Darauf folgt das Bekenntnis der Sünden vor Gott durch ein Gewissen, das sich der Gegenwart Gottes bewusst ist (Heb 4:12). Wir rechtfertigen Gott, indem wir uns verurteilen, doch zugleich vertrauen wir auf seine Gnade. Denn Er, der Licht ist, ist auch Liebe. Das führt zum Glauben an den Herrn Jesus.

Glaube an den Herrn Jesus bedeutet, dass wir auf sein Werk vertrauen, wodurch unsere Sünden weggetan sind, denn Er ist für unsere Sünden gestorben. Danach hat Er sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt (Heb 1:3). Der Glaube richtet sich ausschließlich auf seine Person. Er ist auch unsere Gerechtigkeit vor Gott. Wir sind in Ihm angenehm gemacht (Eph 1:6).

Wenn eine echte Bekehrung in der Gegenwart Gottes zu Ihm hin stattgefunden hat, entstehen Vertrauen und Frieden durch den Glauben an den Herrn Jesus. Bekehrung und Glaube sind beide erforderlich und können nicht voneinander getrennt werden. Nur dann wird jemand ein Kind Gottes, wenn beide Aspekte anwesend sind.

Das Evangelium der Gnade Gottes

Dann lässt Paulus die Ältesten an seinem Reiseziel teilnehmen und dem Drang, den er dahin fühlt. Er fühlt sich schon seit geraumer Zeit innerlich stark gedrängt, nach Jerusalem zu gehen. Er sagt, dass er gebunden ist in seinem Geist (gemeint ist sein eigener menschlicher Geist und nicht der Heilige Geist); das könnte darauf hinweisen, dass es eine Verpflichtung aus Liebe zu seinem Volk war, die ihren Ursprung nicht direkt in einem Auftrag Gottes hatte, obwohl das auch nicht zwangsläufig gegen den Willen Gottes sein musste. Es ist ähnlich wie mit dem Wunsch, den er geäußert hat, wegen seiner Brüder nach dem Fleisch durch einen Fluch von Christus entfernt sein zu wollen (Röm 9:3).

Diese Wünsche des Paulus haben nichts mit dem sündigen Fleisch zu tun; sie könnten höchstens ein Eifer sein aus den erhabensten Motiven. Sollte dies wie eine Schwachheit erscheinen, dann fehlt dabei doch jede Selbstsucht. Das einzige Motiv ist seine brennende Liebe für sein eigenes Volk. Das treibt ihn sozusagen in die Höhle des Löwen.

Paulus ist eigentlich ein Sklave (was in dem Wort „gebunden“ enthalten ist) seines eigenen Gemüts. Er wird so gedrängt, dass für ihn kein anderer Weg offensteht. Obwohl es möglich ist, dass Paulus nicht unter der direkten Leitung des Heiligen Geistes handelt, sondern aus der Schwachheit seines eigenen Geistes heraus im Hinblick auf seine Liebe für seine Verwandten nach dem Fleisch, wird der Herr das dennoch zur Ehre seines Namens gebrauchen. Paulus unterliegt keinem Selbstbetrug.

Das erkennen wir auch an dem, was der Heilige Geist ihm bezeugt. Das Zeugnis des Geistes hätte für Paulus ein Anlass sein können, einen Ausweg zu suchen, doch das tut er nicht. Er wusste, was der Heilige Geist ihm sagte, und das konnte bedeuten, dass er nicht zu gehen brauchte. Der Geist sagte nicht direkt, dass er nicht gehen sollte, sondern sagte ihm nur, was ihn erwartete.

Paulus wählte bewusst das, was ihn erwartete, aus Liebe zum Herrn Jesus und zu seinem irdischen Volk, um einige aus seinem Volk zu erretten. Er wusste, dass die Hand Gottes darin war. Und wir wissen, dass Gott seine Gefangenschaft gebrauchte, dass er Briefe schreiben konnte mit den höchsten christlichen Wahrheiten.

Alle Leiden konnten Paulus nicht daran hindern, sich nach dem Willen Gottes zu richten. Er hatte von seinem Meister gelernt, wie Leiden in einer Welt voller Sünde und Elend zur Verherrlichung Gottes dienen. Paulus trug die Kennzeichen dieser Leiden an seinem Körper (Gal 6:17).

Paulus konnte rechnen. Er berechnete einerseits den Wert seines Lebens, wenn er es für sich selbst lebte, und andererseits den Wert seines Lebens im Dienst für seinen Herrn. Diese Rechnung stellt alles in den Schatten vor dem Herrn Jesus und dem Auftrag, den Er ihm gegeben hatte (vgl Phil 3:8; 11). Er sah sein Leben als Geschenk Gottes an ihn, mit dem Gott einen Plan hatte: einen Dienst, den er völlig erfüllen wollte. Er würde seinen Lauf vollenden (2Tim 4:6; 7). Für Paulus bedeutet das: Bei der Erfüllung seines Laufs muss er das Evangelium der Gnade Gottes auch seinem eigenen Volk bezeugen.

Das Evangelium der Gnade Gottes ist das volle Evangelium. Die Gnade Gottes umfasst mehr als Bekehrung und Glaube. Bei Bekehrung und Glaube liegt die Betonung mehr auf der Not des Sünders. Beim Evangelium der Gnade Gottes liegt die Betonung auf der Seite Gottes, auf allem, was Er getan hat, um seine Gnade bekanntzumachen. Wir finden dieses Evangelium im Brief an die Römer. Wir lernen dort unter anderem, dass der Gläubige in der Gnade Gottes steht und dass er allein durch Glauben gerechtfertigt wird, aufgrund des Todes und der Auferstehung des Herrn Jesus (Röm 5:1; 2).

Das Königreich und der Ratschluss Gottes

Paulus kündigt seinen Abschied an. Es soll ein endgültiger Abschied sein. Er weiß, dass sie einander nicht mehr wiedersehen werden. Auf dem Hintergrund dieser Ankündigung erinnert er die Ältesten daran, dass er unter ihnen umhergegangen ist, um das Reich Gottes zu predigen. Das Reich Gottes wird hier zum fünften Mal erwähnt – insgesamt wird in der Apostelgeschichte siebenmal darüber gesprochen (Apg 1:3; Apg 8:12; Apg 14:22; Apg 19:8; Apg 20:25; Apg 28:23; 31).

Paulus hat nicht nur über das Reich in seiner zukünftigen herrlichen Form gesprochen, so wie es sein wird, wenn der Herr Jesus auf der Erde regiert. Er hat auch die Bedeutung des Reiches verkündigt, die es in dieser Zeit hat, in der es noch nicht sichtbar, wohl aber anwesend ist (Kol 1:13; Röm 14:17). Die Gläubigen sind in diesem Reich Untertanen des Herrn Jesus. Mit dem Reich ist der Gedanke von Herrschaft und Dienen verbunden. Gläubige erkennen den Herrn Jesus als ihren Herrn an und dienen Ihm. Das Reich hat zu tun mit unserer Anerkennung der Herrschaft des Herrn Jesus im täglichen Leben, und zwar in jedem Bereich.

Da sie sein Angesicht nicht mehr sehen werden („deshalb“), bezeugt er an diesem Tag, dass er rein ist vom Blut aller. Bereits früher sagte er zu Ungläubigen, dass er rein sei von ihrem Blut (Apg 18:6), hier sagt er das zu Gläubigen. Er wusste, dass er ihnen gegenüber nicht schuldig war. Er hatte ihnen ja alles gesagt, was er ihnen sagen musste. Das Wort „denn“ gibt den Grund dafür an, dass er vom Blut aller rein war, und das nicht nur in Bezug auf die Ältesten. Er hat vom ganzen Ratschluss Gottes nichts zurückgehalten.

Die Verkündigung des Ratschlusses Gottes ist der vierte Teil seines Dienstes. Später wird er den Ratschluss vor allem in den Briefen an die Gemeinden in Kolossä und Ephesus darlegen. Es ist der Ratschluss Gottes, der sich von Ewigkeit zu Ewigkeit erstreckt. Sein Dienst im Blick auf den Ratschluss Gottes kommt zu Ende, denn alles, was er mitzuteilen hatte, hat er mitgeteilt. Nach dem, was ihm anvertraut wurde, würden keine neuen Dinge mehr offenbart werden (Kol 1:25).

Warnungen

So hat er sich nun in Bezug auf seine Motive und seinen Dienst verantwortet. Nun richtet er sich an die Ältesten. Er ruft sie dazu auf, in erster Linie auf ihre eigene geistliche Gesinnung zu achten. Nur dann, wenn diese in Ordnung ist, können sie auch auf die Herde achthaben, um ihr das zu geben, was nötig ist (vgl. 1Tim 4:16). Paulus spricht wie gesagt diese Gruppe von Ältesten als Aufseher an. Er weist sie auch auf den Ursprung ihres Dienstes hin. Kein Geringerer als der Heilige Geist hat ihnen diesen Platz in der Gemeinde in Ephesus gegeben.

Von einer Anstellung von Ältesten durch die Gemeinde oder durch die eine oder andere menschliche Organisation ist keine Rede. Der Heilige Geist stellt sie an. Wenn irgendein Mensch dabei eine Rolle spielt, so ist das ein Apostel oder ein von ihm Beauftragter. Das kann man an den Stellen erkennen, wo von der Anstellung von Ältesten die Rede ist (Apg 14:23; Tit 1:5). Da es keine Apostel mehr gibt, kommt die Anstellung durch Menschen nicht in Frage.

Wie bereits gesagt sind Älteste und Aufseher Bezeichnungen für dieselben Personen. In der Kirche ist man damit anders umgegangen. Das griechische Wort für „Älteste“ ist presbyteros. Davon ist unser Wort „Priester“ abgeleitet. Das griechische Wort für „Aufseher“ ist episkopos. Daraus hat sich das Wort „Bischof“ gebildet. Schon früh wurde in der christlichen Kirche zwischen Priester und Bischof unterschieden. Diesen Unterschied gibt es jedoch im Neuen Testament nicht. Es geht um dieselben Personen mit einer unterschiedlichen Betonung. Bei Ältesten geht es mehr um das Alter, die Weisheit und Lebenserfahrung. Bei Aufsehern geht es mehr um ihre Aufgabe und die Fürsorge für die Herde.

Älteste oder Aufseher üben ihre Tätigkeit in der örtlichen Gemeinde aus. Die örtliche Gemeinde ist eine Miniatur-Abbildung der weltweiten Gemeinde. Die gesamte Gemeinde ist die Gemeinde Gottes. Er hat sie sich durch das Blut seines eigenen [Sohnes] erworben. Es ist das Blut dessen, der von Ihm ist. Es ist das Blut seines Eigenen. Das Wort „Sohn“ steht dort nicht. Sein eigenes Blut ist daher auch nicht das Blut Gottes. Das geht zu weit, denn so spricht die Schrift an keiner Stelle. Überall in der Schrift ist das Blut mit dem Herrn Jesus verbunden, dem Sohn Gottes, der Mensch wurde, um sein Blut als Kaufpreis für die Gemeinde geben zu können.

Es ist die Gemeinde Gottes und nicht die der Ältesten oder irgendeines Menschen. Es mag von manchen unbewusst geschehen, doch jeder Führer, der von „meiner Gemeinde“ spricht, tritt sehr anmaßend gegenüber den Rechten Gottes auf. Nur der Herr Jesus hat das Recht, „meine Gemeinde“ zu sagen (Mt 16:18). Kein Mensch hat sich die Gemeinde erworben. Das hat der Herr Jesus getan. Wie unpassend ist es daher, wenn ein Mensch von seiner Gemeinde spricht.

Anschließend spricht Paulus von der sehr nahen Zukunft. Er spricht über die Zeit „nach meinem Abschied“. Zuerst sagt er, dass böse Wölfe von außen hereinkommen werden (vgl. Mt 7:15; Joh 10:12), um ihr zerstörerisches Werk in der Gemeinde zu tun. Sie können hereinkommen, weil die Hirten nicht wachsam blieben. Von solchen Leuten haben wir ein Beispiel im zweiten Brief des Johannes, wo wir auch die Anweisung finden, dass solch bösen Wölfen der Zugang verwehrt werden muss (2Joh 1:10; 11).

Zweitens – und das ist noch schlimmer – werden aus der Mitte der Gemeinde Menschen aufstehen, die die Wahrheit verdrehen. Sie tun das, um sich selbst statt Christus zum Mittelpunkt zu machen. Irrlehrer bringen nicht nur falsche Lehre, sondern suchen auch Anhänger. Sie führen sich als Sektenführer auf. Diese sind oft schwieriger zu erkennen als böse Wölfe. Für diese Gefahren von innen heraus haben wir im dritten Brief des Johannes in der Person von Diotrephes ein vielsagendes Beispiel (3Joh 1:9; 10).

In Verbindung mit dem, was in Kürze passieren wird, fordert Paulus zur Wachsamkeit auf. Er erinnert sie an ihre Verantwortung. Sie sollten daran denken, was er ihnen gesagt hatte, um sie auf dem rechten Weg zu halten, und auch wie er das getan hatte. Unaufhörlich, Tag und Nacht (1Mo 31:38-40; 1Sam 25:16), war er damit beschäftigt, drei Jahre lang. Immer wieder waren dabei Tränen geflossen, so besorgt war er um seine geliebten Epheser. Seine Botschaft war von Tränen begleitet. Solche Worte müssen wohl ihr Ziel erreichen in Herzen, die erfüllt sind von echter Sorge für die Gemeinde.

Gott und das Wort seiner Gnade

Paulus hat über seinen Dienst gesprochen, sowohl was seine Gesinnung und sein Betragen als auch den Inhalt betrifft. Er hat sie auch auf ihre Verantwortung im Blick auf die bevorstehenden Entwicklungen hingewiesen. Nun befiehlt er sie Gott und seiner Gnade an, wie sie in seinem Wort zum Ausdruck kommt. Paulus und die anderen Apostel haben ihre Autorität nicht in menschliche Hände gelegt. Nirgends ist die Rede von einer apostolischen Nachfolge. Was bleibt, wenn die Apostel nicht mehr da sind, ist Gott und das Wort seiner Gnade.

Das Wort ist immer geblieben. Aus dieser Quelle kann der Gläubige zu allen Zeiten Kraft schöpfen, um die Gedanken Gottes über den Herrn Jesus kennenzulernen und um zu seiner Ehre zu leben. Doch auch die Angriffe sind geblieben, die darauf ausgerichtet sind, dass das Volk Gottes nicht seine Kraft daraus schöpft. Man versucht, dem Wort neue Offenbarungen hinzuzufügen, sowohl durch Traditionen als auch durch Menschen, die sagen, dass Gott ihnen bestimmte Dinge gezeigt habe. In der Geschichte der Kirche haben Traditionen schon früh die Auslegung bestimmt. Heute wird die Autorität des Wortes untergraben und kritisiert.

Alle diese Angriffe können wir nur abwehren, wenn wir die völlige Autorität des Wortes über unser Leben anerkennen und uns bewusst sind, dass die Gnade Gottes uns dabei helfen will. Dann bietet das Wort nicht nur Schutz, sondern baut auf, gründet, tröstet, ermutigt uns und führt uns in das Erbteil ein. Wir haben bereits Anteil am Erbe der Heiligen im Licht (Kol 1:12) und wir werden in sichtbarer Weise Teil daran haben, wenn wir mit Christus regieren werden (Eph 1:10-14).

„Unter allen Geheiligten“ bedeutet: inmitten aller Geheiligten, zusammen mit ihnen. Die Geheiligten sind eine Gruppe von Menschen, die Gott beiseitegesetzt hat, damit sie dieses Erbteil besitzen. Es ist ein großes Vorrecht, zu den Geheiligten gehören zu dürfen. Das verdanken wir ausschließlich Gott und dem Wort seiner Gnade.

Paulus weist auf sein Vorbild hin

Paulus hat ihnen nicht nur seine Lehre hinterlassen, sondern auch sein Vorbild. Lehre und Praxis gehören zusammen. Das Weitergeben der Lehre muss mit einem guten Vorbild gepaart sein. Bei einigen christlichen Führern ist Geld die Triebfeder ihres Wirkens. Für sie ist die Religion eine Quelle von Einkünften (1Tim 6:5). Das war bei Paulus nicht so. Er wollte völlig unabhängig von ihnen sein. Er war sich auch nicht zu fein, einfach mit seinen Händen zu arbeiten. Er zeigte den Ältesten seine zerfurchten und schwieligen Hände. Damit hatte er nicht nur für sich selbst gearbeitet, sondern auch für die, die bei ihm waren.

Was für einen uneingeschränkten Einsatz hat dieser Mann gezeigt, und das alles zum Wohl anderer. Dabei hat er sich vor allen Dingen um die Armen gekümmert. Wir sollten nicht von den Schwachen profitieren, sondern uns vielmehr für sie einsetzen. Wie leicht setzen wir uns lieber für Menschen ein, an denen wir selbst Freude haben. Oder wir setzen uns ein wegen eines Vorteils, den uns das einbringt. Dann sind wir nicht dem Herrn Jesus ähnlich. Paulus wollte dem Herrn Jesus ähnlich sein, und das stellt er den Ältesten und uns vor.

Paulus zitiert ein Wort des Herrn Jesus, um zu unterstreichen, wie wichtig es ist, zu arbeiten. Wenn wir die Evangelien lesen, werden wir diesem Wort nicht begegnen. Doch zeigt uns dieses Wort nicht die Grundhaltung des Lebens des Herrn und stimmt es nicht mit dem überein, was Er über das Geben gelehrt hat (Lk 14:14)?

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