Acts 21:4

In Tyrus und in Ptolemais

Für Paulus und seine Begleiter bietet der Aufenthalt in Tyrus eine schöne Gelegenheit, nicht für einen Stadtrundgang, sondern um die Jünger aufzusuchen. Als sie sie gefunden haben, können sie dort sieben Tage bleiben. Genau wie in Troas (Apg 20:6; 7) kann das nur bedeuten, dass sie auch in Tyrus am ersten Tag der Woche das Abendmahl feiern wollten. An allen Tagen wird Paulus dort das Wort Gottes gelehrt haben.

Doch die Jünger haben Paulus nicht nur zugehört, sie haben auch selbst eine Botschaft für ihn. Sie sagen ihm, dass er nicht nach Jerusalem hinaufgehen solle. Es ist eine Botschaft, von der Lukas uns sagt, dass sie durch den Geist geschah. Wir haben schon früher gelesen, wie der Heilige Geist sich mit Paulus beschäftigt bezüglich seiner Absicht, nach Jerusalem hinaufzugehen (Apg 20:23). Was wir hier lesen, geht weiter als das, was wir in Kapitel 20,23 lesen. Dort sieht es so aus, als wollte der Heilige Geist Paulus veranlassen, über seinen Plan, nach Jerusalem hinaufzugehen, nachzudenken. Hier jedoch geht es nicht mehr um Gedankenanstöße, sondern um eine klare Warnung, nicht zu gehen.

Der höchste Weg für Paulus wäre gewesen, nicht zu gehen. Dennoch wird der Weg des Herrn vollendet, indem Paulus nach Jerusalem hinaufgeht. Er war der Apostel der Nationen, doch er konnte seine Liebe zu seinem Volk nicht verleugnen. Diese Liebe war so groß, dass er vom Weg des Glaubens abwich und den Weg der natürlichen Liebe wählte.

Es bleibt schwierig, von einem Mann wie Paulus zu sagen, dass er bewusst gegen den Willen des Heiligen Geistes gehandelt habe. Von einem direkten Ungehorsam kann aus meiner Sicht auch nicht die Rede sein. Paulus hatte völlig uneigennützige Motive. Es ist keine Sache von schwarz oder weiß, sondern eine Wahl zwischen dem Guten und dem Besseren. Es steht uns nicht zu, den Apostel zu kritisieren.

Wir lesen, dass die Jünger „durch den Geist“ zu Paulus sagen, dass er nicht hinaufgehen soll, doch sie sagen nicht: „Dies sagt der Heilige Geist“. Später wird Agabus das tun, jedoch nicht als Warnung, sondern als Prophezeiung (Apg 21:11). Wie oft haben wir ein Auge gehabt für die Tatsache, dass andere etwas „durch den Heiligen Geist“ zu uns sagten?

In der Schwachheit, seiner Liebe für seine Volksgenossen, war er bereit, nach Jerusalem zu gehen, und zwar trotz der Drangsale und Bande, die ihn dort erwarteten. Er ist sogar bereit, dafür zu sterben, wie er später sagt (Apg 21:13). Es ist nicht so, dass er einen ausdrücklichen Befehl des Heiligen Geistes in den Wind schlug, aber er folgte seiner natürlichen Liebe für sein Volk. Es war auch kein Übermut, durch den er nicht wusste, was er tat, als er die Warnungen vor Drangsalen und Banden nicht beachtete. Er kannte diese Dinge nur zu gut.

Hinzu kommt noch, dass der Herr, nachdem Paulus in Jerusalem gefangengenommen worden ist, ihn mit dem Auftrag ermutigt, dass er, so wie er in Jerusalem von Ihm gezeugt hatte, auch in Rom von Ihm zeugen müsse (Apg 23:11). Der Herr macht ihm keinen Vorwurf. Wie sollten wir daher das Handeln des Paulus verurteilen oder ihm etwas übelnehmen?

Wir können feststellen, dass er mit seinem Verlangen, nach Jerusalem hinaufzugehen, nicht auf der Höhe des Glaubens war, den er unter den Nationen predigte. Gott hatte ihn nicht nach Jerusalem gesandt. Wir können auch feststellen, dass er nicht auf der Höhe des Glaubens handelte, als er sich einer Reinigungsvorschrift unterwarf, um seinen Brüdern nach dem Fleisch nachzugeben. Er predigte überall, dass der Gläubige nicht unter Gesetz steht. Es wäre jedoch wünschenswert, dass alle Christen ein solches Verlangen wie Paulus hätten, ihren Volksgenossen das Evangelium zu bringen. Es ist zu befürchten, dass viele nicht einmal dieses Niveau in Bezug auf Menschen erreichen, mit denen sie durch natürliche Bande verbunden sind.

Die Tage, wo er mit den Jüngern in Tyrus zusammen ist, neigen sich ihrem Ende zu. Die Reise muss weitergehen. Alle Jünger begleiten ihn mit Frauen und Kindern bis vor die Stadt. Auch die Kinder sind dabei, um von „Onkel“ Paulus Abschied zu nehmen. Der Apostel wird sicher sein Interesse an ihnen gezeigt haben. Darin folgte er seinem Herrn, der sich ebenfalls für sie interessierte (Mt 19:13-15).

Die ganze Gesellschaft kniet am Strand nieder und betet. Das wird die Menschen beeindruckt haben, die das möglicherweise gesehen haben. Die Menschen werden auch gesehen haben, wie sie sich voneinander verabschiedeten. Hier wird das neue Leben sichtbar. Einerseits ist da die Liebe zu Gott, andererseits die Liebe zueinander. Das eine ist nicht ohne das andere möglich. Dieses schöne Zeugnis des neuen Lebens ist öffentlich am Strand zu sehen.

Nach dem Abschied trennen sich ihre Wege. Paulus geht mit seinen Begleitern an Bord des Schiffes, um die Reise nach Jerusalem fortzusetzen. Die anderen gehen nach Hause, um dort ihr Zeugnis weiterzugeben.

Von Tyrus fahren sie nach Ptolemais. Auch in Ptolemais, wo sie nur einen Tag bleiben, verbringen sie Zeit mit den Brüdern. Immer wieder sehen wir, wie Paulus die Gemeinschaft mit den örtlichen Gläubigen sucht. Er predigt nicht nur über die Gemeinde, er erlebt sie auch.

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