Acts 28:18

Erste Unterredung mit den Juden in Rom

Die milde Form seiner Gefangenschaft zeigt sich auch in der Möglichkeit, jeden frei empfangen oder sogar einladen zu können. Bereits nach drei Tagen lädt er die Vornehmsten der Juden ein, zu ihm zu kommen. Da er keine Gelegenheit hat, eine Synagoge aufzusuchen, ist es ihm eben auf diese Weise möglich, auch in Rom nach dem Grundsatz zu handeln: „sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen“ (Röm 1:16). Nachdem die vornehmsten Juden eingetroffen sind, verteidigt er als Erstes seine Person. Er erklärt zunächst, warum er nach Rom gekommen ist, denn dass er als Gefangener hier ist, erfordert eine Erklärung.

Er fasst sehr knapp zusammen, was geschehen ist. Bemerkenswert ist dabei, dass er nicht den Anlass und die Mordversuche erwähnt. Er beschuldigt mit keinem Wort seine jüdischen Brüder, wie viel Böses sie ihm auch angetan haben. Dies ist echte, selbstlose Liebe.

Was seine Behandlung durch die Römer betrifft, so stellt er auch sie in ein günstiges Licht. Er erwähnt lediglich, dass sie ihn freilassen wollten, weil sie bei ihm nichts gefunden hatten, was den Tod verdiente (Apg 23:29; Apg 25:25; Apg 26:32). Paulus stellt also die Römer in ein gutes Licht. Diese Juden wohnten unter ihnen und kannten sie.

Ohne jegliches Werturteil spricht Paulus davon, wie die Juden seinem Freispruch seitens der Römer widersprachen und wie er dadurch genötigt war, sich auf den Kaiser zu berufen. Er ist also nicht hier, um seine Brüder zu beschuldigen, sondern damit das Recht seinen Lauf nimmt. Das wollte er sie gern wissen lassen, und deshalb hatte er sie zu sich kommen lassen.

Zugleich lässt er sie wissen, dass er kein abgefallener Jude ist, sondern dass er die Hoffnung aller Juden teilt. „Die Hoffnung Israels“ bezieht sich auf die Erfüllung der Verheißungen an die Väter, eine Hoffnung, die untrennbar mit dem Messias verbunden ist. Am Ende dieses Buches wird dadurch nicht nur ins Licht gestellt, dass das Christentum das neue Zeugnis ist, sondern auch, dass Gott sein Volk nicht aus dem Auge verliert. Paulus klagt nicht sein Volk für seine Ketten an, sondern weist als Begründung für seine Ketten auf die Hoffnung Israels hin, auf den Messias.

Nachdem Paulus ausgeredet hat, sagen die römischen Juden ihm, dass sie nichts über ihn wissen. Man hat keine Briefe aus Judäa an sie geschrieben, und es sind auch keine Brüder von dort zu ihnen gekommen, um etwas Böses über ihn zu berichten. Sie können daher also kein Urteil fällen. Sie geben ihm die Gelegenheit, ihnen seine Gedanken zu erläutern. Gleichzeitig sagen sie, dass das, was sie über das Christentum gehört haben, ihnen den Eindruck gibt, dass es eine entgegengesetzte Bewegung ist, die dem Judentum nichts Gutes bringt. Eine solche Gelegenheit, sich zu verantworten, gaben nicht einmal die Pharisäer dem Herrn Jesus, obwohl Nikodemus sehr dafür gesprochen hatte (Joh 7:51).

Diese Juden wollen zwar zuhören, lassen aber auch merken, dass sie kritisch dazu eingestellt sind. Die Haltung dieser Juden ist nachahmenswert. Es ist wichtig, dass wir über die Ansichten einer Person, die nicht mit unseren Auffassungen übereinstimmen, erst dann ein Urteil fällen, wenn die betreffende Person Gelegenheit bekommen hat, sich zu verantworten.

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