Daniel 8:25

Die Deutung der Vision

Gabriel leitet seine Deutung mit der Zusage ein, dass er Daniel wissen lassen wird, was „in der letzten Zeit des Zorns geschehen wird“. Bei der Anwendung und Deutung geht es also um die Endzeit, die hier „Zeit des Zorns“ genannt wird. Der Ausdruck „Zorn“ wird in Jesaja für den Zorn Gottes über sein Volk gebraucht, das sich von Ihm abgewandt hat, hinter dem Antichrist her (Jes 10:25; Jes 26:20). Es ist die Zeit der großen Drangsal.

Dass es um die Endzeit geht, bedeutet, dass die Deutung über die unmittelbare oder nahe Zukunft hinausgeht. In naher Zukunft geht es um die Eroberung des Reiches der Meder und Perser durch die Griechen. Dies sehen wir in der Bedeutung des Widders und des Ziegenbocks. Was sie vorstellen, wird klar gesagt. Wir hören auch von dem einen großen Horn und von den vier Hörnern, die ihn ersetzen. Der erste König ist Alexander. Bei seinem Tod wird sein Reich unter seine vier Generäle aufgeteilt. Diese Teilung bedeutet auch das Ende der Macht des griechischen Reiches. Keiner der vier Teile hatte die Macht, die Alexander hatte.

Wenn die vier Könige am Ende ihrer Macht stehen, wird „ein König aufstehen mit frechem Angesicht“. Das ist das kleine Horn oder der bereits erwähnte Antiochus Epiphanes. Der Grund für seinen Aufstieg ist nicht in erster Linie das nahende Ende des Königtums der vier Könige, sondern das Verhalten der Abtrünnigen; gemeint sind die Abtrünnigen des Volkes Gottes.

Es kommt ein Moment, in dem die abtrünnigen Juden das Maß ihrer Ungerechtigkeit voll gemacht haben (vgl. Mt 23:32; 1Mo 15:16; 1Thes 2:16). Das ist der Moment, in dem sie reif sind für die Zerstörung, die Gott durch Antiochus als Züchtigung über sie bringen wird. Neben der Tatsache, dass er skrupellos handelt, ist dieser König auch „ränkekundig“, was auf die Verderbtheit seines Charakters hinweist. Seine Ziele erreicht er, indem er eine Herrschaft des Terrors betreibt, unter Einsatz von Lügen und Betrug.

Die große Macht, die er entfaltet, besitzt er nicht aus sich selbst: „Seine Macht wird stark sein, aber nicht durch seine [eigene] Macht.“ Seine Macht verdankt er einer anderen Macht. Durch diese andere Macht ist er stark, und es gelingt ihm, Verwüstungen anzurichten. Jemand, der Freude daran hat, Chaos anzurichten, ist unbestritten ein Instrument des Teufels. Das zeigt auch die Bemerkung, dass er „erstaunliches Verderben“ anrichtet. Jemand, der völlig unerwartet so mächtig ist, bekommt Hilfe aus dem Reich der Finsternis. Er hat seine Seele dem Teufel verkauft, der ihn mit „Macht“ belohnt. Der Teufel benutzt dazu auch Russland, das mächtige Reich im hohen Norden (Hes 38:2-6; 14-16; Hes 39:1; 2).

Dass der Teufel die treibende Kraft hinter Antiochus ist, zeigt sich auch dadurch, dass er vor allem unter dem Volk Gottes Verderben anrichten will. Das wird er auch tun und darin Gelingen haben. Wir wissen, dass es daran liegt, dass er – ohne es zu wissen – von Gott als Zuchtwerkzeug in seiner Hand gebraucht wird. Damit ist er jedoch keineswegs von seinen bösen Taten frei gesprochen, die Gott ebenfalls richten wird, wie wir am Ende von Dan 8:25 lesen. Gott weiß, die bösen Taten des Menschen, für die er selbst voll verantwortlich ist, für seinen Zweck zu nutzen. Sein Ziel ist das Wohlergehen seines Volkes und die Verherrlichung seines Sohnes durch dieses Volk.

Die „Starken“, die er zerstört, sind die Führer Israels, die das Volk in die Abtrünnigkeit führen. Er wird auch „das Volk der Heiligen verderben“. Trotz des Abfalls des Volkes nennt es der Geist Gottes hier „das Volk der Heiligen“. Das hätte das Volk eigentlich sein sollen: ein Volk, das sich von allen Völkern unterscheidet, um allein Gott geweiht zu leben. Aber weil sie Ihn verworfen und sich dem Götzendienst der Nationen ergeben haben, überliefert Gott sie ihren Feinden, hier in der Person des grausamen, gottlosen Antiochus. Diese Handlungsweise Gottes ist keineswegs neu. Im Buch der Richter sehen wir mehrfach, dass Gott sein Volk in die Hände seiner Feinde gibt, wenn sie von Ihm abgewichen sind. Dies tut Er, damit sie zu Ihm zurückkehren. Immer wenn sie zu Ihm rufen, schickt Er einen Befreier.

Dies kann auch in unserem persönlichen Leben geschehen. Wenn wir vom Herrn abweichen, muss Er uns manchmal der Macht der Sünde überlassen. Dann lernen wir die Herrschaft der Sünde aus eigener Erfahrung kennen (vgl. 2Chr 12:7; 8). Auf diese Weise werden wir uns daran erinnern, wie gut es war, als wir dem Herrn folgten und Ihm dienten. In dem vom Herrn Jesus selbst erzählten Gleichnis hören wir, dass auch der verlorene Sohn dies sagt (Lk 15:17). Das führt dazu, dass wir dann mit Reue über unseren falschen Weg aufstehen und umkehren werden. Wir dürfen wissen, dass der Vater uns erwartet und uns in seine Arme schließt, wenn wir zu Ihm zurückkehren.

Dan 8:25 lenkt noch einmal die Aufmerksamkeit auf seine Gerissenheit, in der er mit Hinterhältigkeit handelt. Er kann seine wahren Absichten gut verbergen und Macht über andere ausüben. Sein Erfolg wird ihn stolz machen. Er wird mit seinem Wohlstand prahlen. Irgendwie wird es ihm gelingen, in Israel Fuß zu fassen. Wenn die Juden denken, dass sie von ihm nichts zu befürchten haben und in Ruhe leben, wird er zuschlagen und viele töten. In seinem Hochmut wird er es sogar wagen, sich gegen den Herrn Jesus aufzulehnen, als ob er auch Ihn vernichten könnte. Aber ganz plötzlich stirbt er durch die Hand Gottes (Dan 2:45; Hiob 34:20).

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