Ezekiel 1:14

Die lebendigen Wesen

Die Gesichte beschreiben die Herrlichkeit des HERRN auf seinem Thron. Ein Thron ist das Zentrum der Regierung, was bedeutet, dass Hesekiel den HERRN in seiner Regierung sieht. Der Thron hat die Form eines Wagens, sodass wir vom Thronwagen Gottes sprechen können. Menschliche Worte reichen nicht aus, um Gott und seine Regierung zu beschreiben. Deshalb stellt Hesekiel immer wieder Vergleiche an, die er mit Ausdrücken wie „[etwas] wie“ oder „die Gestalt von“ oder „wie der Anblick eines“ einleitet. Sogar der Vergleich bleibt vage. Wie könnten Menschen auch die Herrlichkeit des ewigen, unendlichen Gottes vollständig beschreiben?

Gott reitet auf seinem Thronwagen durch die Geschichte. Er hält die Geschichte in seiner Hand, sowohl die seines Volkes als auch die von Babel und jeder anderen Nation. Wenn der Thronwagen so herrlich ist, wie groß ist dann die Herrlichkeit dessen, der auf ihm sitzt. Keine Macht kann diesen Wagen aufhalten. Gottes Geist bestimmt den Weg.

Die Beschreibung beginnt mit der Regierung Gottes, um Hesekiel und uns zu zeigen, dass Gott über allem steht und dass Er niemals die Kontrolle über die Ereignisse verliert. Alles liegt fest in seiner Hand, auch wenn wir, die wir oft nur „unter der Sonne“ schauen (Pred 1:9), manchmal von Zweifeln und Angst überwältigt werden. Diese Erkenntnis kann jeden trösten, der sich in schwierigen Umständen befindet.

Das Erste, was Hesekiel sieht, nachdem sich der Himmel geöffnet hat, ist ein Sturmwind, der von Norden her kommt (Hes 1:4). Der Sturmwind von Norden ist das Symbol für das Leid, das die Feinde von Norden her über Israel bringen (vgl. Jer 1:14), aber sie tun es als ein Gericht, das von Gott kommt (Hes 13:11-13). Durch den Sturmwind spricht Er zu seinem Volk (Ps 50:3).

Weil der Sturm von Gott kommt, ist er nicht nur ein richtender Sturmwind. Da ist auch „eine große Wolke“, die auf die Herrlichkeit des HERRN hinweist. Er ist in dem Gericht anwesend. Obwohl das Feuer des Gerichts ständig aus ihr hervorblitzt, ist „ein Glanz rings um sie her“. Dieser Glanz wird durch etwas verursacht, das an „glänzendes Metall“ in der Mitte eines Feuers erinnert (vgl. Hes 1:27; Hes 8:2).

Die Szene zeigt, dass das Gericht von Norden her von Gott kommt, dass es von Ihm ausgeht. Der Feind dient Gottes Plan und kann nichts anderes tun als das, was Gott will. Der „Glanz rings um sie her“ zeigt, dass Gott die Grenze des Gerichts setzt. Er versucht nicht über Vermögen (1Kor 10:13).

Der Ausdruck „glänzendes Metall“ kommt noch zwei weitere Male im Alten Testament vor, beide Male in diesem Buch (Hes 1:27; Hes 8:2). Es ist die Beschreibung einer Eigenschaft dessen, der auf dem Thron sitzt und regiert und ein absolut reines, unnachgiebiges Gericht ausübt. Feuer ist ein Bild für Gottes Gericht. Feuer verzehrt alles, was nicht mit Gottes Gerechtigkeit übereinstimmt. Im Gericht glänzt seine Gerechtigkeit.

Wir sehen in der Beschreibung neben verschiedenen Merkmalen oder Eigenschaften Gottes auch, dass das eine aus dem anderen hervorgeht. Die Tatsache, dass der Glanz des Edelmetalls aus der Mitte des Feuers kommt, kann auch auf den Gläubigen angewendet werden. Gott will im Leben der Seinen wirken, damit seine Eigenschaften in ihnen sichtbar werden. In diesem Zusammenhang können wir sagen, dass Er die Seinen zu Edelmetall machen will, zu Menschen, die sein Bild widerspiegeln. Zu diesem Zweck kontrolliert Er alles. Er arbeitet daran, alles aus unserem Leben zu entfernen, was diesen Glanz verdeckt (Heb 12:10; 1Pet 1:6; 7).

Dann erscheint aus der Mitte des Feuers „die Gestalt von vier lebendigen Wesen“ (Hes 1:5; vgl. Off 4:6-9; Off 5:6-11; 14; Off 6:1-7; Off 7:11; Off 14:3; Off 15:7; Off 19:4). Es sind Cherubim (Hes 10:15; 19), mächtige Wesen, deren Aufgabe es ist, über die Heiligkeit, Majestät und Herrschaft Gottes zu wachen (vgl. 1Mo 3:24; Ps 99:1; Heb 9:5).

Das allgemeine Bild der Wesen ist, dass sie „die Gestalt eines Menschen“ haben. Das zeigt zum einen, dass Gottes Regierung von einem Menschen, dem Menschensohn, ausgeübt wird (Joh 5:27). Andererseits ist Gottes Regierung auf den Menschen ausgerichtet, und Er tut, was dem Menschen angemessen ist, damit er seinem Ziel entspricht. Der Sohn, der Mensch wurde, hat das, was Gott vom Menschen erwartet, vollkommen erfüllt. Für uns Menschen ist das eine große Gnade. Wir dürfen wissen, dass wir von dem lebendigen Gott regiert werden, der uns als Mensch nicht näher kommen kann.

In unserer Zeit sind zwei Entwicklungen zu beobachten, die dem Menschen seiner Menschlichkeit berauben. Die erste Entwicklung ist die „Entmenschlichung“ des Menschen, das heißt, das Verhalten des Menschen wird immer bestialischer und immer mechanischer. Die zweite Entwicklung ist, dass der Computer immer mehr „menschlich“ wird. Gott hat uns gezeigt, welchen Wert der Mensch für Ihn hat, indem Er in Christus Mensch wurde. Er zeigt den Wert des Menschen auch in dem Gericht, das Er an ihm vollzieht.

Jedes der lebendigen Wesen hat „vier Angesichter“ (Hes 1:6). Beim Menschen ist das „Gesicht“ der wichtigste Teil des Körpers, denn daran kann man sich gegenseitig als Individuum erkennen. Außerdem kann man an bestimmten Gesichtsausdrücken oft Gefühle ablesen (1Mo 31:2). In den „vier Angesichtern“, die jedes der vier lebendigen Wesen hat, zeigt Gott, auf welche Weise Er regiert und welche Absichten Er damit hat.

Jeder von ihnen hat auch „vier Flügel“. Bei „Flügeln“ können wir uns die Bewegungsfreiheit vorstellen. Vögel benutzen ihre Flügel, um sich abseits und über der Erde zu bewegen. Flügel sprechen davon, dass Gottes Handeln erhaben ist und durch nichts auf der Erde aufgehalten werden kann. Flügel zeigen, dass die lebendigen Wesen in Gottes Gegenwart kommen können (vgl. 2Mo 19:4). Sie symbolisieren auch Schutz, Sicherheit, Geborgenheit (Ps 91:4; Off 12:14; Rt 2:12).

„Ihre Füße waren gerade Füße“, was bedeutet, dass ihr Wandel oder der Weg, den sie gehen, um Gottes Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten, niemals kurvig ist, sondern – anders als der Wandel des Menschen – immer gerade (Hes 1:7). Niemand kann Ihn von seinem Vorhaben abbringen. „Ihre Fußsohlen wie die Fußsohle eines Kalbes“ verweisen auf die Beharrlichkeit – wofür das Kalb ein Symbol ist –, mit der Gott seinen Weg geht.

Das „leuchtende Kupfer“ symbolisiert Gottes Gerechtigkeit. Das lässt sich aus der Geschichte des Gerichts über Korah, Dathan und Abiram in 4. Mose 16 und 17 ableiten. Die Rebellen kommen durch das Feuer des Gerichtes Gottes um, aber die bronzenen Gefäße werden davon nicht verzehrt (4Mo 17:2-4). So hält Gottes Gerechtigkeit seinen Gerichten stand. Seine Gerichte sind immer gerecht, und wenn Er richtet, leuchtet und glänzt seine Herrlichkeit.

„Unter ihren Flügeln“, die sie „an ihren vier Seiten“, d. h. nach allen Richtungen hin, haben, sind „Menschenhände“ (Hes 1:8). Hände bedeuten, dass sie arbeiten, etwas tun. Sie sind hier „Menschenhände“, woran wir sehen, dass ihre schnellen Handlungen auf eine für Menschen übliche Weise erfolgen. Es kann auch bedeuten, dass die lebendigen Wesen Menschen benutzen, um ihren Dienst zu verrichten.

Dann werden „ihre Angesichter und ihre Flügel“ näher beschrieben. Die Beschreibung gilt für „die vier“. „Ihre Flügel waren einer mit dem anderen verbunden“ (Hes 1:9) scheint darauf hinzuweisen, dass sie einen Kreis bilden, wie wir es tun, wenn vier Menschen Hand in Hand stehen und einen Kreis bilden. Es zeigt, dass sie eine Einheit sind. Sie zeigen diese Einheit auch in der Art, wie sie gehen. Ohne sich umzudrehen, gehen sie „jeder gerade vor sich hin“. Gottes Regierung geht also immer vorwärts und weicht nicht zurück, wenn die Dinge einmal ausgeführt sind. Er hat es nicht nötig, jemals etwas rückgängig zu machen oder zurückzunehmen, denn seine Regierung ist immer vollkommen. Wir werden immer anerkennen müssen, dass dem so ist (vgl. Hes 14:22; 23).

Das Angesicht der lebendigen Wesen hat vier Merkmale (Hes 1:10; vgl. Off 4:7). Diese vier Merkmale entsprechen den vier Gruppen von lebendigen Wesen, die Gott in 1. Mose 1 erschaffen hat: Der Mensch, die wilden Tiere, das Vieh und die Vögel.

1. Das erste Merkmal ist, dass „die Gestalt ihres Angesichts … das Angesicht eines Menschen“ ist. Der Mensch wurde nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen (Ps 8:6-9). Die lebendigen Wesen haben die Gestalt eines Menschen (Hes 1:5), Hände eines Menschen (Hes 1:8) und hier lesen wir, dass ihr Angesicht dem Angesicht eines Menschen gleicht.

2. Das nächste Merkmal ist, dass die lebendigen Wesen, wenn sie von „rechts“ betrachtet werden, „das Angesicht eines Löwen“ haben. Das Alte Testament zeichnet den Löwen als ein Tier voller Kraft (2Sam 1:23) und mit einem tapferen Herzen (2Sam 17:10). Er erschreckt mit seinem Brüllen und zerreißt seine Gegner (Ps 22:14).

3. Das dritte Merkmal ist, dass, wenn man sie „von links“ betrachtet, „die vier das Angesicht eines Stieres [oder: Rind]“ haben. Der Ochse ist durch Hörner und gespaltene Hufe gekennzeichnet (vgl. Hes 1:7). Das Volk benutzt das Rind zum Tragen von Lasten und beim Pflügen. Wenn das Vieh aufgezählt wird, wird der Ochse gewöhnlich als Erstes erwähnt (5Mo 22:10; Ri 6:4; 1Sam 12:3; Jes 32:20), da er das wertvollste Tier auf dem Hof ist.

4. Schließlich haben die vier „das Angesicht eines Adlers“. Der Adler spricht von Schnelligkeit (2Sam 1:23; Hiob 9:26; Jer 4:13; Klgl 4:19) und der Fähigkeit, zum Himmel aufzusteigen (Hiob 39:27; Jes 40:31). Der Adler hat eine scharfe Sicht (Hiob 39:29).

Es ist erwähnenswert, was in einem alten rabbinischen Kommentar, dem sogenannten Midrasch, über die vier lebendigen Wesen gesagt wird:

1. Der Mensch ist erhaben über alle Geschöpfe.

2. Der Löwe ist erhaben über alle wilden Tiere.

3. Das Rind ist erhaben über alles Vieh.

4. Der Adler ist erhaben über alle Vögel.

Das unterstreicht, dass alle geschaffenen Dinge, wie erhaben sie auch sein mögen, Gott unterworfen sind.

Wir sehen diese vier Merkmale auch in den vier Beschreibungen, die wir von dem Herrn Jesus in den Evangelien haben.

1. Der Löwe weist auf den König hin, von dem Matthäus schreibt.

2. Das Rind erinnert uns an den ausdauernden Dienst, den wir im Herrn Jesus als dem wahren Diener sehen und von dem Markus schreibt.

3. Das Angesicht eines Menschen entspricht dem vollkommenen Menschen, der uns von Lukas vorgestellt wird.

4. Schließlich ist der Adler das Symbol für den Sohn Gottes, der vom Himmel kam, um uns den Vater zu erklären, und der kommen wird, um zu richten. Der Evangelist Johannes stellt uns den Herrn Jesus auf diese Weise in seinem Evangelium vor.

„Ihre Angesichter und ihre Flügel waren oben getrennt“ (Hes 1:11), was bedeutet, dass sie willig und bereit sind, ihre Befehle vom Himmel zu empfangen. Sie führen diese Befehle in Einheit aus, was sich darin zeigt, dass sich die lebendigen Wesen mit zwei Flügeln gegenseitig berühren. Es besteht eine ungestörte Zusammenarbeit. Bei der Ausführung ihrer Arbeit bedecken sie ihre Körper mit zwei Flügeln, denn es geht nicht um sie, sondern um ihre Arbeit.

Wenn sie gehen, geht „jedes gerade vor sich hin“ (Hes 1:12). Sie gehen einen geraden Weg, direkt zum gesetzten Ziel. In ihrem Gehen werden sie von „dem Geist“ geführt. Wo immer Er hin will, dorthin gehen sie. Jedes eigenständige Handeln ist ihnen fremd. Deshalb gehen sie, ohne sich umzudrehen, sie brauchen nicht abzubiegen, wenn sie gehen. Sie gehen den richtigen Weg und tun die richtigen Dinge. Sie müssen ihre Route an keiner Stelle „neu berechnen“. Es gibt nichts für sie zu überprüfen, weil sie es falsch gemacht hätten.

In den vorangegangenen Hes 1:4-12 wurden die Träger des Thrones, die Cherubim, beschrieben. In den Hes 1:13; 14 folgt eine Beschreibung dessen, was sie charakterisiert. Diese Merkmale machen deutlich, dass der Thron ein Gerichtsthron ist (vgl. Dan 7:9; 10). Ihre Gestalt ist nicht die von lieblichen Engeln, sondern „ihr Aussehen war wie brennende Feuerkohlen, wie das Aussehen von Fackeln“ (Hes 1:13). Dieses Feuer „fuhr zwischen den lebendigen Wesen umher“, was auf die Beweglichkeit des Gerichts hinweist, durch die die von ihnen ausgehende Bedrohung vergrößert wird.

Das Feuer hat zwei Eigenschaften. Es hat „einen Glanz“ und „Blitze“ gehen aus ihm hervor. Der Glanz offenbart alles; nichts kann verborgen werden. Der Blitz richtet alles, was durch den Glanz öffentlich gemacht wurde. Das Gericht findet im vollen Licht und mit der unnachahmlichen Geschwindigkeit und Unberechenbarkeit des Blitzes statt.

Auch die lebendigen Wesen selbst laufen „hin und her wie das Aussehen von Blitzstrahlen“ (Hes 1:14). Die lebendigen Wesen bewegen sich nicht nur geradeaus, sondern auch mit der Geschwindigkeit und Launenhaftigkeit eines Blitzes. Der Mensch kann das nicht fassen, sondern wird davon verzehrt, wenn er sich nicht der Regierung Gottes beugt.

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