Jeremiah 12:2

Der Wohlstand der Gottlosen

Infolge der gegen ihn geschmiedeten Mordpläne am Ende des vorigen Kapitels stellt sich für Jeremia ein Problem: Wie kann es sein, dass die Gottlosen in Wohlfahrt leben? Es ist nicht so, dass er an der Gerechtigkeit des HERRN zweifelt (Jer 12:1; Ps 145:17a). Er weiß, dass die Gerechtigkeit des HERRN offenbar würde, wenn er Ihn über sein Handeln befragt. Er weiß, dass der HERR Gründe für sein Handeln hat. Aber welche sind das? Das will er wissen und deshalb will er mit dem HERRN über seine Gerichte reden und über seine Art und Weise urteilen.

Jeremia stellt dem HERRN die Frage, warum die Gottlosen Erfolg haben. Das kann er nicht verstehen. Es ist das „Warum“ eines gottesfürchtigen Herzens, das sich wundert, wie der HERR, der gerecht ist, es den Gottlosen gut gehen lässt, anstatt einzugreifen und sie zu richten. Wie können sich die Gottlosen wohlfühlen, während sie „Treulosigkeit üben“?

Er ringt mit denselben Fragen, mit denen Hiob und Asaph gerungen haben (Hiob 21:7; Ps 73:2; 3; vgl. Ps 94:3; Hab 1:12-17). Jeremia wird über diese Kämpfe Bescheid wissen. Er wird auch die Schlussfolgerung kennen, zu der Asaph kam: dass er und auch wir auf das Ende der Gottlosen achten sollten (Ps 73:17; 18). Das bedeutet, dass wir begreifen müssen, was das Ende der Gottlosen sein wird.

Doch bevor wir so weit sind, sehen wir, dass wir selbst durch Erfahrungen gehen müssen, um zu demselben Schluss zu kommen, zu dem andere durch Erfahrung gekommen sind. Wir peinigen uns mit dieser Frage so lange, bis wir ins Heiligtum gehen und das Ende jener Menschen erkennen. Das Problem des Wohlergehens der Gottlosen im Licht der Gerechtigkeit Gottes wird in der Schrift nirgends direkt gelöst. Die endgültige Antwort liegt im Glauben an die souveräne Weisheit und Gerechtigkeit Gottes.

Jeremia stellt fest, dass es so scheint, als würde der HERR dieses Wohlergehen für diejenigen bereitstellen, die von der Welt sind, aber auch zum Volk Gottes gehören, obwohl bei diesen Menschen es nur ein heuchlerisches Bekenntnis zu seinem Namen gibt (Jer 12:2). Er sagt, dass es scheint, dass der HERR sie gepflanzt hat und für sie gesorgt hat, denn sie haben Wurzeln geschlagen, sie können tun, was sie wollen, und sie bringen Frucht.

Aber das passt überhaupt nicht zu dem, was er über sie weiß. Jeremia weiß nur zu gut, dass ihr Wohlergehen sie nur äußerlich gerechtfertigt erscheinen lässt (Ps 1:3). In der Tat weiß er auch, dass sie in ihrem Herzen weit vom HERRN entfernt sind (vgl. Jes 29:13; Hes 33:31; Mt 15:8; Mk 7:6). Es sind Menschen, die heute in die Kirche gehen, über religiöse Dinge reden und doch in Ungerechtigkeit leben und ihren eigenen Weg gehen.

Jeremia wird ungeduldig, zu sehen, dass sie weiterleben, während er so sehr leidet. Er weist den HERRN auf den Gegensatz zwischen den Gottlosen und sich selbst hin. Ohne hochmütig zu sein, kann er feststellen, dass sein Herz in Wahrheit beim HERRN ist und dass es weit von Heuchelei entfernt ist (Jer 12:3). Wann wird der HERR dieser Unehrlichkeit ein Ende setzen? Er bittet den HERRN, diese Heuchler weg zu reißen wie Schafe zur Schlachtung.

Wie lange wird es noch dauern, dass es den Gottlosen gut geht und dem Land schlecht (Jer 12:4)? Das Land trauert wegen der Verwüstung als Folge der Dürre. Was auch immer als Gewächs vorhanden ist, es ist verdorrt und steuert nichts zum Leben bei. Die Auswirkungen der Sünden des Volkes sind auch in der Natur zu sehen. Wegen der Bosheit „seiner Bewohner“, d. h. derer, die das Land besitzen, gehen das Land und die Tiere zugrunde. Wegen ihrer Sünden musste der HERR den Regen zurückhalten.

Diese Menschen sündigen im Hochmut, indem sie denken, dass der HERR nicht darauf achtet, was sie tun. Sie glauben, dass Jeremia ihr Ende nicht sehen wird, was bedeutet, dass sie sich selbst ein längeres Leben zurechnen als Jeremia, sodass er ihren Untergang nicht erlebt. Sie sehen die Zukunft nicht so düster wie Jeremia sie darstellt. Es ist eine Qual für Jeremia, dass sie so denken und handeln, ohne dass Gott eingreift. Wir sehen hier die Torheit des Sünders und die Ungeduld des Gläubigen.

Der HERR antwortet mit einem Vergleich (Jer 12:5). Er sagt Jeremia, dass die Leute, mit denen er schon so viel Mühe hat, dass sie wie Läufer sind. Jeremia kann da nicht mithalten. Wenn er aber nun schon müde ist von diesen Leuten, was ist dann, wenn alles noch viel schlimmer wird und diese Läufer zu Pferden werden? Der HERR bereitet seinen Diener auf eine noch viel schlimmere Situation vor.

Es ist schon schlimm, aber es wird noch viel schlimmer werden. Jetzt ist noch Frieden im Land, aber wie wird es ihm ergehen, wenn dieser Friede weggenommen wird? Das wird geschehen, wenn der Feind das Land überflutet, wie der Jordan über seine Ufer tritt. Wie der Jordan sich gleichsam stolz aus seinem Bett erhebt und über die Ufer tritt und dabei nicht aufgehalten werden kann, so kann auch der Feind, der ins Land einströmen wird, nicht aufgehalten werden.

Zu dieser verschärften, unaufhaltsamen Situation kommt noch eine Sache hinzu, die noch peinlicher ist. Schlimmer als die Ablehnung durch die Männer von Anatot – seine Mitbürger im vorigen Kapitel – ist, dass Jeremias Familienmitglieder zwar freundlich reden, aber verräterisch mit ihm umgehen (Jer 12:6; Jer 9:3; 4; vgl. Mk 13:12; Mt 10:36). Der HERR warnt ihn, ihnen nicht zu vertrauen, wenn sie freundlich mit ihm reden. Jeremia, so spricht der HERR, du bist zwar ganz allein, aber wohl mit Mir.

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