Job 40:10

Gott fährt fort mit Hiob

Nach Hiobs Antwort auf die erste Rede beginnt der HERR seine zweite Rede. Wie bereits gesagt, ist dies notwendig, weil Hiob noch nicht den Platz vor dem HERRN eingenommen hat, der ihm gebührt. Es muss ein noch tieferes Werk in ihm geschehen. Es ist ein Beweis der Gnade Gottes, dass Er die Geduld mit Hiob nicht verliert, sondern fortfährt, ihm zu antworten (Hiob 40:6; Hiob 38:1; Hiob 40:1). Gott ist nicht darauf aus, Hiob zu zermalmen und zu vernichten, sondern ihn zu unterweisen und zu überzeugen, wofür Er sich liebevoll zu ihm hernieder neigt.

Wie bei seiner ersten Rede antwortet der HERR Hiob „aus dem Sturm“ (vgl. Hiob 38:1). Die Herausforderung, mit der sich Gott in Hiob 40:6 an Hiob wendet, ähnelt auch der Herausforderung, mit der Er seine erste Rede begann (Hiob 38:3). Wieder rät Er Hiob, seine Lenden wie ein Mann zu umgürten (Hiob 40:7). Hiob muss neue Kräfte sammeln und sich in seiner männlichen Kraft hinstellen, denn Gott wird ihn weiterhin „fragen“. Schließlich hat Hiob selbst Gott mit den Worten herausgefordert: „So rufe denn, und ich will antworten“ (Hiob 13:22). Es wird neue Themen geben, die seine ganze Aufmerksamkeit erfordern werden. Er wird aufmerksam zuhören und dann antworten müssen.

Gott hat ihm auch in den vorangegangenen Kapiteln Fragen gestellt, aber der Ton, in dem Er jetzt zu Hiob spricht, ist strenger. Dies ist notwendig, um die Tiefen von Hiobs Herz zu erreichen. Das wird schon in der ersten Frage deutlich, die Gott stellt (Hiob 40:8). In einem vorigen Kapitel sagte Gott, dass Hiob seinen Rat mit Worten ohne Erkenntnis verdunkelte (Hiob 38:2). Jetzt weist Gott Hiob darauf hin, dass es noch schlimmer um ihn steht, denn er will sein Gesetz zerstören, d. h. es für ungültig erklären. Hiob sagte, dass Gott die Dinge umkehrt, indem Er die Gottlosen, die Strafe verdienen, nicht bestraft, und ihn, der keine Strafe verdient, bestraft.

Hiob erklärte Gott für schuldig, Unrecht zu begehen und das Recht zu brechen (Hiob 27:2). Schließlich hat Gott ihn, einen Unschuldigen, bestraft. Hiob hat diese Anschuldigung erhoben, weil er sich selbst als Gerechten sieht. Seiner Überzeugung nach ist an ihm nichts auszusetzen, und trotzdem straft Gott ihn. Dann ist mit Gott etwas nicht in Ordnung. Er stellt Gott unter Anklage, um selbst Recht zu bekommen. Gott wird Hiob klarmachen, dass er sich selbst für rechtschaffen hält, was ihm nicht zusteht und auch nicht wahr ist. Jemand, der rechtschaffen ist, gibt jedem, was ihm zusteht, zuerst und vor allem Gott. Das ist der Punkt, an dem es bei Hiob schief ging. Nur muss er das selbst noch einsehen, und das ist es, womit Gott beschäftigt ist.

Diese schwere Anschuldigung kann Gott nicht einfach ignorieren. Er konfrontiert Hiob jedoch nicht mit seinen falschen Aussagen, sondern mit sich selbst, mit seiner Kraft und Allmacht (Hiob 40:9). Wenn Hiob meint, gegen Ihn reden zu müssen, muss er erst einmal zeigen, dass er Ihm ebenbürtig ist, dass er es mit Ihm aufnehmen kann. Er soll seinen Arm mal zeigen. Der Arm Gottes symbolisiert seine Macht zur Erlösung und zum Gericht (Ps 44:4; Ps 89:14; Jes 59:16; Hes 20:33; 34). Was bedeutet demgegenüber schon der „fleischliche Arm“ (2Chr 32:8) Hiobs? Ist er so stark wie Gott? Wenn ja, dann kann Hiob auch Richter sein, denn es braucht Macht, um Recht zu sprechen.

Und wie verhält es sich mit der Stimme Hiobs? Kann er mit seiner Stimme so donnern, wie Gott es tut (Hiob 37:4; 5)? Wenn Gott spricht, zittert die Schöpfung. In seiner Stimme liegt „der Donner seiner Macht“ (Hiob 26:14). Und was geschieht, wenn Hiob spricht? Überhaupt nichts. Sowohl seine körperliche Kraft als auch die Macht seiner Worte sind nicht im Entferntesten vergleichbar mit der Macht der Taten und Worte Gottes.

Soll Hiob sich doch als Richter aufspielen und sich mit „Erhabenheit und Hoheit“ schmücken, damit jeder sehen kann, dass er über der Sache steht, mit der er sich beschäftigen muss (Hiob 40:10). Er soll wie Gott handeln und sich wie Gott mit „Pracht und Majestät“ bekleiden (Ps 104:1). Dann kann er sich auf den Thron setzen und zeigen, dass er die Welt besser regieren kann als Gott.

Wenn er mit diesen Eigenschaften geschmückt und bekleidet ist, kann er gegen das Böse vorgehen und „die Ausbrüche deines Zorns“ (Hiob 40:11) ausgießen. Dann kann er tun, was Gott nicht geschafft hat. Schließlich macht Gott nichts daraus. Seine Regierung taugt nichts. Das zeigt sich ja in der Art, wie Er Hiob behandelt. Nun, Hiob muss mal zeigen, dass er alle Ungerechtigkeit in der Welt austilgen kann. Wenn er so gut weiß, was er mit den Stolzen zu tun hat, dann soll er „alles Stolze“ ansehen und sie mit seinem Blick demütigen, ohne einen zu übersehen.

Das Wort „sieh“ bedeutet, einen strengen und drohenden Blick zu werfen, sodass der Betroffene merkt, dass der Richter ihn durch und durch kennt und dass er nichts vor ihm verbergen kann. Das kann Gott. Dadurch wird der Stolze erniedrigt. Er hat nichts mehr zu verbergen, nichts, womit er sich brüsten oder verstecken könnte, denn der Richter durchschaut ihn. Gott weist hier auf eines der vielen Beispiele seiner Macht hin und fordert Hiob auf, Ihn darin nachzuahmen.

Hiob muss nicht nur die Stolzen sehen und erniedrigen, er muss auch die Stolzen sehen und „beugen“ (Hiob 40:12; vgl. Jos 2:11; 12). Erniedrigen bedeutet, ihm seinen Stolz zu nehmen. Ihn beugen bedeutet, ihn zu zwingen, seinen Willen zu tun. Auch Hiob muss sich mit den Gottlosen auseinandersetzen. Er muss sie „auf ihrer Stelle“ niederreißen. Das bedeutet ein Urteil ohne Verzug. Wo auch immer sie sich befinden, muss es dort geschehen, damit sie keine einzige Gottlosigkeit mehr begehen können. Sicherlich erwartet Hiob, dass Gott das tut, aber wenn Er es nicht tut? Dann muss er selbst zeigen ob er das kann.

Nach der Vollstreckung des Gerichts muss Hiob dafür sorgen, dass die Stolzen und die Gottlosen „allesamt in den Staub“ der Erde versteckt werden (Hiob 40:13). Sie müssen vollständig aus dem Blickfeld verschwinden. Um die Endgültigkeit des Gerichts zu unterstreichen, muss Hiob ihr Gesicht „in Verborgenheit einschließen“. So würde er eine doppelte Finsternis über diese Verbrecher bringen. Sie sind bereits im Staub versteckt, und jetzt kommt noch eine Augenbinde hinzu. So werden sie von niemandem mehr gesehen und können auch selbst niemanden mehr sehen. Eine Person, deren Gesicht eingewickelt ist, kann nichts mehr sehen. Das geschieht mit denen, die zum Tode verurteilt sind (Est 7:8).

„Sieh, Hiob“, sagt Gott gleichsam, „wenn du das mit den Gottlosen tun kannst, will ich dich preisen (Hiob 40:14). Dann bist du der starke Mann, der seinen Worten Taten folgen lassen kann. Deine rechte Hand hat so viel Macht, dass du dich selbst von Übeltätern und aus allen möglichen schwierigen Situationen befreien kannst. Du brauchst keine Hilfe von anderen. Dann ist bewiesen, dass du mir gewachsen bist und dass du mich zu einer Gerichtsverhandlung vorladen kannst.“

Die Botschaft dieser Einleitung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Hiob kann nicht durch seine eigene rechte Hand erlöst werden, sondern ausschließlich durch die rechte Hand Gottes, und er ist Gott absolut nicht gewachsen, weil er Gott nicht ebenbürtig ist. Hiob muss Gott nicht nur als Schöpfer, sondern auch als Erlöser anerkennen. Gott ist der Einzige, der zu preisen ist, nicht Hiob.

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