John 1:35-45

Siehe, das Lamm Gottes

Nach dem Zeugnis über den Herrn als das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt, steht Johannes am folgenden Tag wieder am Jordan. Zwei seiner Jünger stehen bei ihm. Dann sieht Johannes den Herrn dort umhergehen. Der Herr kommt nicht zu ihm, sondern zeigt sich dort.

Als Johannes Ihn sieht, ist er sofort voller Bewunderung für diese Person. Er sagt: „Siehe, das Lamm Gottes.“ In Joh 1:29 hatte er noch hinzugefügt, was dieses Lamm tun würde. Hier ist er ganz von dem Lamm erfüllt. Diese Person hat sein Herz völlig eingenommen. Dieses Zeugnis des Johannes aus einem Herzen, das von der Person Christi erfüllt ist, hat etwas zur Folge, was wir bei seinem vorhergehenden Zeugnis nicht sehen.

Die zwei Jünger, die bei Johannes stehen, hören ihn reden und werden durch sein Zeugnis ebenfalls von Christus angezogen. Sie gehen von Johannes fort, von der Herrlichkeit des Herrn Jesus eingenommen. Jeder Dienst für Gott ist nur dann ein guter Dienst, wenn der Diener seine Zuhörer zu Christus führt und sie von sich als dem menschlichen Diener löst. Solch ein wahrer Diener war Johannes. Seine beiden Jünger verlassen ihn und folgen dem Herrn nach.

Das Nachfolgen setzt voraus, dass wir uns nicht in der Ruhe Gottes befinden. Wir folgen dem Lamm auf der Erde nach, inmitten von Umständen, wo die Sünde noch nicht weggenommen ist (Off 14:4). Im Garten Eden, dem Paradies, wo es keine Sünde gab, war es nicht nötig, nachzufolgen. Im Himmel ist auch keine Rede mehr vom Nachfolgen. Dort, wo wir dann sind, finden wir Freude und Ruhe. Dem Lamm nachzufolgen, ist etwas, was wir nur tun können, solange wir auf der Erde sind.

Was sucht ihr?

Der Herr bemerkt, dass die beiden Jünger Ihm nachfolgen. Er wendet sich um und stellt ihnen eine Frage. Seine Frage ist nicht: „Wen sucht ihr?“, sondern: „Was sucht ihr?“ Damit fragt Er nach dem Motiv, warum sie Ihm nachfolgen. Die Antwort ist sehr schön. Sie möchten gern wissen, wo Er sich aufhält. Sie nennen Ihn „Rabbi“, ein Wort, dessen Übersetzung ‒ Lehrer ‒ der Evangelist Johannes nennt. Damit nehmen sie Ihm gegenüber den Platz von Lernenden ein. Sie wollen von Ihm, ihrem Lehrer, lernen.

Der Herr antwortet ihnen, dass sie mit Ihm kommen müssten und dann sehen würden, wo Er sich aufhält. Er nennt ihnen keine Adresse, sondern ein Kennzeichen (vgl. Lk 22:7-13; Hld 1:7; 8). Es ist ein Aufenthaltsort, wo es um Ihn geht. Sie bleiben diesen Tag bei Ihm. Johannes vermerkt sogar die Stunde des Tages, in der das stattfindet.

Es fällt auf, dass Johannes, der doch über den ewigen Sohn schreibt, der außerhalb der Zeit steht, Zeitangaben, wann der ewige Sohn etwas tut, so viel Aufmerksamkeit schenkt. Wir haben das bereits früher gesehen, als er zweimal über einen folgenden Tag spricht (Joh 1:29; 35). Das unterstreicht die Anwesenheit des Sohnes Gottes in der Welt der Menschen. Er nimmt Teil an ihren Umständen, während Er persönlich der Ewige ist.

Andreas führt Petrus zum Herrn

Andreas war ein Jünger Johannes’ des Täufers, der durch das Zeugnis des Johannes dem Herrn nachgefolgt ist. Der Evangelist erwähnt zur näheren Beschreibung des Andreas, dass er ein Bruder von Simon Petrus ist. Andreas ist so vom Herrn erfüllt, dass er es nicht für sich behalten kann. Er muss mit anderen darüber sprechen. Es kennzeichnet im Allgemeinen einen Menschen, der Christus gefunden hat und Ihm nachfolgt, dass er andere sucht, um mit ihnen über Ihn zu sprechen.

Andreas beginnt zu Hause damit. Der erste, den er trifft, ist sein eigener Bruder Simon. Das steht hier ausdrücklich: seinen eigenen Bruder. Wenn jemand den Herrn Jesus als seinen Heiland kennengelernt hat, wird er zuerst dafür sorgen, dass seine eigene Familie Ihn ebenfalls kennenlernt.

Andreas gibt ein kurzes, aber kräftiges Zeugnis über seinen „Fund“. Es gibt für ihn keinerlei Zweifel; deshalb bezeugt er mit Bestimmtheit, dass er den Messias gefunden hat. Johannes fügt wieder die Übersetzung hinzu. Christus ist die griechische Übersetzung des hebräischen Messias. Beide Namen bedeuten „Gesalbter“.

Über den Herrn Jesus als Messias wird hauptsächlich in Verbindung mit Israel gesprochen. Als Christus steht Er seit seiner Himmelfahrt vor allem in Verbindung mit den Ratschlüssen Gottes für die Gemeinde (Apg 2:36; Eph 1:3). Das sehen wir beispielsweise deutlich im ersten Kapitel des Epheserbriefes, wo wir die höchsten Segnungen finden, die das Teil des Gläubigen sind, der zur Gemeinde gehört. Mehrere Male lesen wir dort den Ausdruck „in Christus“; dadurch wird deutlich gemacht, wie die Segnungen das Teil des Gläubigen geworden sind.

Das Zeugnis des Andreas ist nicht nur ein persönliches Zeugnis. Er sagt: „Wir haben den Messias gefunden.“ Es ist ein Zeugnis, das auch von anderen bestätigt wird und dadurch an Kraft zunimmt. Andreas ist ein echter Evangelist. Er zeugt von Christus und führt seinen Bruder zu Ihm. Der Herr Jesus ist der Mittelpunkt, um den Menschen versammelt werden. Petrus wird nicht durch ein Wunder oder besonders beeindruckende und überzeugende Rhetorik für den Herrn gewonnen, sondern durch das einfache und echte Zeugnis seines Bruders.

Als Petrus zu dem Herrn kommt, blickt Er ihn an. Mit seinen alles durchdringenden Augen durchschaut Er Petrus vollständig. Er weiß, wer Petrus ist, und kennt sowohl seine Herkunft als auch seine Zukunft. Er weiß, dass er Simon heißt und wie sein Vater heißt. Dann gibt der Herr ihm einen neuen Namen. Das zeigt seine Autorität über Simon. Namen geben oder verändern können nur Personen, die über anderen stehen (vgl. Dan 1:7).

Der Herr nennt Simon „Kephas“, und wieder gibt Johannes die Übersetzung. Kephas ist das aramäische Wort für „Stein“. Im Weiteren wird Johannes ihn Petrus nennen, das ist das griechische Wort für „Stein“. Dieser Name, den der Herr ihm gibt, ist ein Hinweis auf den Dienst des Petrus. Petrus wird ein Stein in dem Gebäude sein, das Gott zu seiner eigenen Ehre und zur Ehre seines Sohnes bauen würde. Dieses Gebäude ist die Gemeinde. In seinem ersten Brief spricht Petrus von Gläubigen als von lebendigen Steinen, die zu einem geistlichen Haus aufgebaut werden (1Pet 2:4; 5).

Der Herr Jesus findet Philippus

Wieder einen Tag später will der Herr nach Galiläa aufbrechen. Dann findet Er Philippus. Hier geht die Initiative vom Herrn aus. Andreas konnte bezeugen, dass sie Ihn gefunden hatten, hier findet der Herr jemanden. Er sucht Menschen, die Ihm folgen wollen. Das sagt Er nun auch zu Philippus, der sein Jünger wird. Johannes erwähnt noch, dass Philippus aus Bethsaida war, derselben Stadt, aus der auch Andreas und Petrus kamen.

Philippus bringt Nathanael zum Herrn

Auch Philippus kann über seinen „Fund“ nicht schweigen. Er findet Nathanael, dem er bezeugt, dass er „Jesus, den Sohn des Joseph, den von Nazareth“ gefunden hat. Auch er spricht in der Mehrzahl: „Wir haben den gefunden …“ Er untermauert sein Zeugnis und dessen Zuverlässigkeit, indem er auf das hinweist, was Mose und auch die Propheten über Ihn geschrieben haben (5Mo 18:18; Jes 7:14; Jes 9:5; Lk 24:27). Philippus kennt die Schriften, glaubt ihnen und sieht sie deshalb als erfüllt, als er Christus begegnet. Deshalb hat er auch keinen Zweifel, dass dieser niedrige Mensch aus Nazareth, der als Jesus, der Sohn des Joseph bekannt ist, der verheißene Messias ist.

Das Zeugnis des Philippus wird nicht sofort angenommen. Nathanael sagt, dass aus Nazareth nichts Gutes kommen könne und dass deshalb sicher auch der Messias nicht von dort kommen könne. Philippus trifft bei Nathanael auf Vorurteile. Hätte er gesagt, er habe Christus, den Sohn Davids, aus Bethlehem gefunden, wäre die Reaktion Nathanaels anders ausgefallen. So erwartete Nathanael Ihn. Vorurteile sind kein geringes Hindernis. Wir müssen lernen, dass keiner ohne weiteres für den Herrn gewonnen wird. Wir sollten uns auch durch Vorurteile, die andere gegen Ihn haben, nicht entmutigen lassen. Philippus argumentiert nicht, sondern schlägt Nathanael vor, mitzukommen und Ihn selbst zu sehen.

Dann geht Nathanael mit, um zu sehen, wer Er wohl sein könne. Doch dann entdeckt er, dass der Herr ihn bereits früher gesehen hat. Überall in diesem Evangelium ist der Herr Jesus Gott. Er sieht, worüber Nathanael nachdenkt. So wie viele andere wird auch Nathanael von der Predigt des Johannes beeindruckt gewesen sein. Sicher wird ihn das zum Nachdenken darüber gebracht haben, dass das Kommen des Messias wohl sehr nahe sein könnte.

Der Herr kennt Nathanael als einen aufrichtigen Juden, der sein Kommen erwartete. Deshalb kann Er ihn so ansprechen. Nathanael ist darüber erstaunt. Seine Frage: „Woher kennst du mich?“, macht deutlich, dass er noch nicht weiß, wer ihm da gegenübersteht. Der Herr überzeugt Nathanael dadurch, dass Er ihm sagt, Er habe ihn bereits gesehen, ehe Philippus ihn rief, und Er habe auch die Stelle gesehen, wo er war. Während Nathanael dachte, niemand sähe ihn, sah der Herr ihn dort unter dem Feigenbaum. Und als er dort war, sah der Herr auch die Überlegungen seines Herzens.

Es ist nicht ohne Bedeutung, dass der Herr den Feigenbaum erwähnt. Der Feigenbaum ist ein Symbol für Israel. In Nathanael können wir daher auch ein Bild des gläubigen Überrestes sehen, der für Christus das wahre Israel ist. Darin ist kein Trug, sondern das wahre Israel kennt Ihn und erwartet Ihn. Das wahre Israel weist die Kennzeichen des Messias auf, von dem es heißt, dass „kein Trug in seinem Mund gewesen ist“ (Jes 53:9).

Nach diesen Worten ist Nathanael in seinem Herz und Gewissen überzeugt, dass Er der Sohn Gottes ist, Gottes auserwählter König. Nach dem anfänglichen Zögern, als Philippus ihn rief, folgt nun ein spontanes Bekenntnis. Das Bekenntnis Nathanaels ist das Bekenntnis jedes gottesfürchtigen Juden. Es ist das Bekenntnis, dass der Herr Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes als Mensch auf der Erde, jedoch beschränkt auf Israel.

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