John 10:11-16

Ich bin der gute Hirte

Der Herr macht auf den großen Gegensatz zwischen dem Dieb und dem guten Hirten aufmerksam. Ein Dieb kommt heimlich und unerwartet und ohne jegliches Mitleid. Er beutet die Schafe aus, und nicht nur das. Er kommt nicht nur, um zu stehlen, sondern auch um zu schlachten, also zu töten, und will sogar jede Spur seiner Bosheit verwischen, indem er alles verdirbt. Er gibt nichts, sondern nimmt alles, bis hin zum Leben und auch noch dessen Resten.

Wie völlig anders ist der Herr Jesus. Er ist nicht gekommen, um etwas zu nehmen, sondern um etwas zu geben, und zwar Leben, und das in Überfluss. Er gibt das Leben in seiner reichsten und überfliesenden Form, das ist das ewige Leben. Um das geben zu können, hat Er nicht nur sein Leben in die Waagschale gelegt, sein Leben riskiert, sondern Er hat es tatsächlich gegeben. Das ist der Beweis, dass Er der gute Hirte ist.

Das Gute an diesem Hirten ist nicht, dass Er seine Schafe herausführt und ihnen ewiges Leben gibt, sondern dass Er für sie sein Leben in den Tod gibt. Die herrliche Folge davon ist, dass Er seine Schafe herausführt und ihnen ewiges Leben gibt. Seine Schafe sind Ihm so wertvoll, dass Er, um ihnen Leben in Überfluss geben zu können, für sie in den Tod gehen wollte. In der Hingabe seines Lebens handelt Er hier selbst völlig freiwillig. Sie ist der größte Beweis seiner Liebe zu den Schafen. So lässt Er seine Jünger in Freiheit gehen, als sie kommen, um Ihn gefangen zu nehmen (Joh 18:8).

Welch einen Gegensatz bildet dieses Handeln zum Handeln eines Mietlings. Der Mietling zeigt einen anderen Aspekt eines falschen Hirten, außer dem, was der Herr zuvor über die Diebe und Räuber gesagt hat. Der Mietling braucht nicht unbedingt böse zu sein wie der Dieb oder der Räuber. Sein Interesse gilt jedoch nicht in erster Linie den Schafen, sondern dem Geld. Deshalb flieht ein Mietling, sobald Gefahr droht. Er denkt nicht an die Schafe, sie liegen ihm nicht am Herzen. Er sorgt sich nur um sein eigenes Leben. Er hat keinerlei Beziehung zu den Schafen.

Bei dem guten Hirten ist das ganz und gar anders. Der Herr Jesus ist der gute Hirte; Er eine enge Beziehung zu den Schafen. Er kennt sie, sie sind sein, Er widmet ihnen seine Aufmerksamkeit und sorgt für sie. Das gegenseitige Kennen des Hirten und Schafe beruht auf dem engen Band, das zwischen dem Hirten und den Schafen besteht. Dieser Hirte kennt die Bedürfnisse jedes einzelnen Schafes ganz genau. Weil eine Beziehung besteht, kennen die Schafe, die Ihm angehören, Ihn auch. Sie wissen, wer Er ist, der für sie sorgt.

Genauso wie der Vater den Sohn kennt, kennt der Hirte und seine Schafe. Das gegenseitige Kennen des Vaters und des Sohnes ist vollkommen. So ist es auch mit dem Kennen des Herrn Jesus und der Seinen. Der Sohn ist die Freude des Herzens des Vaters. Auf dieselbe Weise sind die Schafe die Freude seines Herzens. Das gegenseitige Kennen basiert darauf, dass die Schafe dasselbe Leben haben wie der gute Hirte. Um das zu ermöglichen, hat der Herr Jesus sein Leben für die Schafe gelassen.

Eine Herde, ein Hirte

Bis jetzt hat der Herr Jesus über Schafe aus Israel gesprochen und dabei unterschieden zwischen Schafen, die keine Beziehung zu Ihm haben, die Ihn also abweisen, und Schafen, die Er seine eigenen Schafe nennt ‒ das ist der gläubige Überrest aus Israel. Nachdem Er nun darüber gesprochen hat, dass Er sein Leben für die Schafe aus Israel lässt, die Ihm angehören – und das ist ja die Voraussetzung für das gegenseitige Kennen –, spricht Er jetzt auch von anderen Schafen. Mit diesen anderen Schafen meint Er die Schafe aus den Nationen.

Sein Tod kann nicht auf die verlorenen Schafe des Hauses Israel beschränkt bleiben. Der Tod des Herrn Jesus hat die große Wertschätzung seines Vaters, und das ist der Anlass dafür, dass eine besondere Herde gebildet wird, deren Hirte Er ist. Diese Herde wird aus seinen eigenen Schafen bestehen, die Er aus dem Hof Israels herausgeführt hat, und aus Schafen, die nicht aus diesem Hof sind. Er steht im Begriff, Schafe hinzuzufügen, die bisher außerhalb des Hofes Israels waren. Das sind, wie gesagt, die Schafe aus den Nationen. Damit deutet der Herr die Berufung einer Gruppe aus den Heiden an. Den entsprechenden Anfang sehen wir in zwei Beispielen im Buch der Apostelgeschichte: in dem Kämmerer aus Äthiopien (Apg 8:27-39) und dem römischen Hauptmann Kornelius und seinen Freunden (Apg 10:24; 44-48).

Der Herr bringt alle diese Schafe als eine Herde nicht in einen neuen Hof, wo Er der Hirte wäre. Er macht sie auch nicht zu einer Herde, um sie dann in mehreren Höfen unterzubringen. Das schiene so, als wäre Uneinigkeit etwas Gutes, vielleicht sogar beabsichtigt. Das ist leider genau das, was wir in zahllosen Gruppen und Glaubensgemeinschaften in der Christenheit sehen. Nein, es gibt überhaupt gar keinen Hof mehr.

Das Kennzeichen der Gemeinde, gesehen als eine Herde mit einem Hirten, ist Einheit in Freiheit. Das Judentum hielt die Schafe durch äußere Grenzen zusammen, durch Gesetze und Gebote. Die neue Einheit wird durch die persönliche Ausstrahlung und Anziehungskraft des Hirten zusammengehalten. Das ist das Wesen des Christentums. Dazu war nicht nur der Tod, sondern auch die Auferstehung nötig. Das zeigt uns der folgende Vers.

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