John 17:1-5

Die Verherrlichung des Sohnes

Dieses Kapitel ist beispiellos in seiner Tiefe und in seinem Ausmaß. Es atmet vollkommene Heiligkeit, Hingabe und Liebe. Wir dürfen zuhören, wie der Sohn dem Vater sein Herz öffnet, in dem Augenblick, als Er im Begriff steht, zu sterben und die Seinen zu verlassen, um zum Himmel zu gehen.

Weil wir den Sohn zum Vater sprechen hören, können wir nicht von einem „hohenpriesterlichen Gebet“ reden, denn dann würden wir Ihn als Menschen zu Gott sprechen hören. Wenn wir überhaupt von einem Gebet sprechen können, dann in dem Sinn, dass der Sohn vertrauliche Bitten an den Vater richtet, nicht, um den Vater wegen etwas anzuflehen.

Wir hören, wie der Sohn den Vater bittet, Ihn zu verherrlichen, dann für seine Jünger zu sorgen, wenn Er nicht mehr bei ihnen wäre, und den Jüngern schließlich einen Platz bei Ihm in der Herrlichkeit zu geben. Das sind Bitten, die nicht so sehr Wünsche sind, sondern der Sohn teilt Dinge mit dem Vater, die genauso im Herzen des Vaters leben. Der Herr weiß das alles, aber auch wir sollen wissen, dass Er sich beim Vater für uns verwendet. Dieses Gebet zeigt uns Ihn als den, der Fürsprache für uns einlegt.

Sein Gebet, das eine wunderbare Einheit bildet, können wir grob in zwei Teile einteilen. Im ersten Teil, den Joh 17:1-8, spricht der Herr zum Vater im Blick auf seine Verherrlichung und seine Beziehung zu seinen Jüngern. Im zweiten Teil, den Joh 17:9-26, geht es um die Jünger, die Er deutlich von der Welt unterscheidet. Neben dieser groben Einteilung kann man auch eine feinere Einteilung in sieben Punkte vornehmen:

1. Der erste Teil umfasst die Joh 17:1-5. Darin bittet der Herr Jesus den Vater, Ihn aufgrund des Werkes, das Er vollbracht hat, als Menschen zu verherrlichen.

2. Im zweiten Teil, den Joh 17:6-8, spricht Er mit dem Vater darüber, was Ihm die Jünger bedeuten.

3. Die Joh 17:9-12 bilden den dritten Teil. Hier bittet Er seinen Vater, seine Jünger in Einheit zu bewahren.

4. Im vierten Teil, den Joh 17:13-19, befiehlt Er seine Jünger dem Vater an im Blick auf die Bewahrung in der Welt.

5. Im fünften Teil, den Joh 17:20; 21, weitet Er sein Gebet aus und bittet den Vater um die Einheit aller Gläubigen auf der Erde.

6. Der sechste Teil, die Joh 17:22; 23, handelt von einer Einheit, die noch in der Zukunft liegt und die bei seiner Offenbarung sichtbar werden wird.

7. Den siebten Teil haben wir schließlich in den Joh 17:24-26, wo uns gezeigt wird, wie wir mit dem Sohn im Vaterhaus sein werden.

Nach diesen einleitenden Bemerkungen wollen wir uns nun dem Gebet zuwenden. Dabei werde ich mich so kurz wie möglich fassen, denn die Behandlung dieses Gebetes gibt einem das Empfinden, man wollte mit einer Taschenlampe die Sonne erleuchten. Beim Lesen dieses Kapitels ist vor allem wichtig, dass der Heilige Geist bei jedem Leser die zu diesem Kapitel passenden Empfindungen bewirken kann. Ich hoffe, dass dies bei mir so ist und dass ich in dieser Betrachtung etwas davon weitergeben kann. Mir selbst hat geholfen, was andere in diesem Gebet an Schönheiten entdeckt haben. Ich hoffe, dass diese Betrachtung beim Leser das gleiche Ergebnis bewirkt.

Wenn der Herr sich in seinem Gebet an den Vater wendet, tut Er das, indem Er seine Augen zum Himmel erhebt. So hat Er auch am Grab des Lazarus seine Augen emporgehoben (Joh 11:41). Dort hat Er den Vater um die Auferstehung des Lazarus gebeten. Hier bittet Er jedoch nicht um seine Auferstehung, sondern um seine Verherrlichung. Dennoch geht es bei der Bitte um seine Verherrlichung nicht um Ihn selbst. Er fügt unmittelbar hinzu, dass Er mit seiner Bitte die Verherrlichung des Vaters im Blick hat.

Mit dieser Bitte stellt der Herr sich hinter das Werk, als habe Er es schon vollbracht. Deshalb sagt Er, dass die Stunde gekommen ist. Damit meint Er die Zeit, wenn Er zum Vater zurückkehren wird. Wenn Er dann darum bittet, dass der Vater Ihn verherrlicht, bedeutet das, dass Er diese Bitte als Folge seines vollbrachten Werkes äußert. Und wenn Er um seine Verherrlichung bittet, will Er wiederum den Vater verherrlichen. Das bedeutet, dass Er, wenn Er im Himmel verherrlicht ist, fortfahren wird, den Vater zu verherrlichen. Er hat den Vater auf der Erde und am Kreuz verherrlicht, und Er wird das auch im Himmel tun.

Es wird den Vater in Verbindung mit der Gewalt über alles Fleisch verherrlichen, die Er aufgrund seines Werkes vom Vater bekommen hat. Er bleibt immer dem Platz treu, den Er eingenommen hat, und übt von sich aus keine Gewalt aus. Die Gewalt über alles Fleisch wird Er ausüben, wenn Er zurückkommt, um Israel und die Welt zu richten. In der gegenwärtigen Zeit gebraucht Er diese Gewalt, um all denen ewiges Leben zu geben, die der Vater Ihm gegeben hat. Nachdem der Sohn nun im Himmel ist, verherrlicht Er seinen Vater dadurch, dass Er denen, die der Vater Ihm gegeben hat, ewiges Leben gibt. Er verherrlicht noch jeden Tag den Vater in jedem Sünder, der zum Glauben kommt.

„Dies aber ist das ewige Leben“

Das ewige Leben, das jeder Sünder, der zum Glauben an den Herrn Jesus kommt, erhält, ist ein neues Leben, das ihm innerlich zuteilwird. Es ist eine neue Geburt, eine neue Natur. Es ist ein Leben in dem Gläubigen, ein Leben, das ihm gegeben ist (Joh 10:28; 1Joh 5:11). Es ist ein Leben, das er hat (Joh 3:16; Joh 5:24; Joh 6:47; 54; 1Joh 5:13), weil der Sohn sein Leben ist (1Joh 5:11; Kol 3:3; 4). Doch hier spricht der Herr Jesus in einer anderen Bedeutung über das ewige Leben. Es geht Ihm hier nicht um das ewige Leben in dem Gläubigen, sondern um ewiges Leben als eine Lebenssphäre, in die der Gläubige eintritt. Wir hören den Sohn über das ewige Leben als eine Umgebung sprechen, eine Lebenssphäre, ein Leben, in dem man lebt.

Es besteht also einen Unterschied zwischen dem Leben, das in jemandem ist, und dem Leben, in dem jemand lebt. So sprechen wir einerseits über pflanzliches Leben, tierisches Leben oder menschliches Leben. Damit meinen wir, etwas existiert als Pflanze oder Tier oder jemand existiert als Mensch. Andererseits sprechen wir auch vom Stadtleben, Landleben und von einem mühsamen Leben. Damit meinen wir den Zustand des Lebens, eine Lebensweise, eine Umgebung, in der jemand lebt. So ist es auch mit dem ewigen Leben. Es ist sowohl ein Lebensprinzip in uns (ein Leben, durch das wir leben), als auch eine Lebensweise, in die wir eintreten (ein Leben, in dem wir leben). Um dieses zweite geht es bei dem, was der Herr Jesus hier andeutet, wenn Er sagt: „Dies aber ist das ewige Leben …“

Das ewige Leben ist die Kenntnis dessen, den der Sohn als Vater anspricht (Joh 17:1), und die Kenntnis des Sohnes, den der Vater gesandt hat. Er ist der einzige wahrhaftige Gott. So war Er auch im Alten Testament bekannt. Doch neu ist jetzt – und das ist zugleich das ewige Leben –, diesen einen wahren Gott durch eine lebendige Beziehung zu Ihm als persönlichen Vater zu kennen und Jesus Christus, als von Ihm gesandt, wodurch der Vater gekannt werden kann.

Der Sohn spricht über sich selbst als „Jesus Christus“. „Jesus“ ist der Name seiner Erniedrigung, „Christus“ ist der Name, mit dem Gott Ihn auserwählt und verherrlicht hat. Das geht viel weiter, als Ihn nur als Messias zu kennen. Das bedeutet, Ihn so zu kennen, wie der Vater Ihn kennt, und das aus einer persönlichen Beziehung mit Ihm heraus. Bei der Kenntnis des ewigen Lebens geht es also um eine lebendige Beziehung zu göttlichen Personen. Diese Kenntnis führt in die Sphäre des ewigen Lebens, die Sphäre, in der das ewige Leben genossen wird.

Zusammengefasst können wir vielleicht sagen, dass das ewige Leben dies ist: Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn in dem Sinn, dass jemand dasselbe Teil genießt wie der Vater und der Sohn, und das gemeinsam mit ihnen.

Die Bitte um Verherrlichung

Der Herr Jesus hat den Vater auf der Erde verherrlicht, auf diesem kleinen Planeten im unermesslichen Universum, wo Er durch die Sünde des Menschen und dessen Nachkommen sehr entehrt wurde und noch entehrt wird. Der Sohn kann im vollkommenen Bewusstsein sagen, dass Er in allem den Willen des Vaters getan und Ihn daher verherrlicht hat. Das könnte ein gewöhnlicher Mensch niemals sagen, denn das, was ein Mensch tut, ist niemals vollkommen. Der Sohn kann das sogar im Voraus sagen, denn Er ist der ewige Sohn, obwohl Er das Werk als Mensch vollbracht hat. Das Werk, von dem Er hier spricht, ist das gesamte Werk der Offenbarung des Vaters.

Bevor wir in eine Lebensverbindung mit dem Vater kommen konnten, musste der Vater zunächst offenbart werden. Der entsprechende Höhepunkt ist das Kreuz, hier nicht als Ausweg aus unserer Sündennot, sondern das Kreuz, wodurch das Herz des Vaters für die Seinen vollständig offenbart ist. Aufgrund dieses herrlichen Werkes bittet der Sohn als der auferstandene Mensch um die Herrlichkeit, die Er als Gott ewig besitzt. Er bittet um eine Herrlichkeit, die Er nie verloren hat. Er ist Mensch geworden, hat jedoch nie aufgehört, Gott zu sein, und somit hat Er sich nie seiner Herrlichkeit entledigt.

Seine Bitte bedeutet daher auch, diese Herrlichkeit auf eine neue Weise zu empfangen, und zwar als Mensch. Als Mensch hat Er diese Herrlichkeit nie besessen, denn Er war nicht immer Mensch. Er ist Mensch geworden und bleibt es in Ewigkeit. Nun erbittet Er dieselbe Herrlichkeit als Mensch, die Er als Sohn ewig besitzt. Das erbittet Er, weil Er diese Herrlichkeit mit uns Menschen teilen will. Wenn Er nicht Mensch geworden wäre, hätte Er seine Herrlichkeit niemals mit uns teilen können, denn wir können nicht Gott werden.

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