John 19:15

Pilatus überliefert den Unschuldigen

Pilatus ist im Inneren überzeugt von der Unschuld Christi und von der Macht, über die Er verfügt. Es bleibt aber leider bei einer rein verstandesmäßigen Einsicht. Sein Gewissen ist angesprochen, aber er beugt sich nicht vor seinem Gefangenen. Dazu liebt er seine Position und die Anerkennung seines Chefs in Rom zu sehr. Deshalb bleibt er ein Spielball der Juden, die den Druck auf ihn jetzt noch erhöhen. Ihre Antwort klingt nach einer Drohung, dem Kaiser Bericht zu erstatten, dass er jemand freilässt, der eine Bedrohung für das Kaiserreich darstellt. Diese Heuchler! Niemals würden sie das ihnen verhasste Regime anerkennen, aber jetzt, da es ihnen zupass kommt, heucheln sie, als ob sie dem Kaiser treu seien.

Jetzt erliegt Pilatus dem Druck. Er fasst den Beschluss, dass der Sohn Gottes getötet werden soll. Gegen alle Unschuldsbeweise entscheidet er, Ihn kreuzigen zu lassen. Wir müssten eigentlich ausrufen: „Wo bleibt hier das Recht?!“ Aber hier sind Mächte am Werk, die sich nicht durch menschliche Überlegungen steuern lassen, sondern nur durch den bösen Vorsatz der Juden. Aus der Perspektive des Glaubens allerdings wirkt hier eine noch größere Macht, nämlich die Macht Gottes, die alles lenkt nach dem Rat seines Willens.

Wie schon öfter bemerkt worden ist, heißt das nicht, dass Pilatus nicht in vollem Umfang die Verantwortung für die Verurteilung des Herrn Jesus trägt. Als richterliche Gewalt, die verpflichtet ist, ein gerechtes Urteil zu sprechen, versagt er jämmerlich. Aber er liebt sich selbst und die Ehre seines Herrn in Rom mehr als Gott. Er denkt sogar überhaupt nicht an Gott.

So führt er den Herrn Jesus hinaus. Um seinem falschen Beschluss einen Anschein von Autorität zu geben, nimmt er formell auf dem Richterstuhl Platz, um das Urteil dort zu bestätigen. Der Name dieses Ortes wird sowohl auf Griechisch als auch auf Hebräisch angegeben. Das bekräftigt die Tatsache, dass die Verurteilung Christi sowohl durch Heiden als auch durch Juden geschieht und dass so die ganze Welt an der Ermordung des Sohnes Gottes schuldig ist.

Dies alles findet während der Vorbereitungen für das Passahfest statt. Dazu mussten die Juden ihre Häuser durchsuchen, um jedes bisschen Sauerteig daraus zu entfernen (2Mo 12:15). Sauerteig ist ein Bild der Sünde (1Kor 5:6-8). Während sie also mit größter Sorgfalt auch die kleinsten Krümel Sauerteig ausfegen, um äußerlich für das Passah rein zu sein, verunreinigen sie sich auf gröbste Weise, begehen die allergrößte Sünde, indem sie das wahre Passahlamm ermorden. Die Mücke entfernen sie, aber das Kamel verschlucken sie (Mt 23:24).

Johannes vermerkt genau den Zeitpunkt, zu dem Pilatus das Urteil ausspricht (vgl. Joh 1:39; Joh 4:6; 52). Nach römischer Zeitrechnung ist es ungefähr 6 Uhr morgens. Sie sind früh aktiv, um die in der Nacht gewissenlos ersonnenen Pläne der bösen Taten beim ersten Tageslicht schamlos auszuführen.

Pilatus weiß, dass er verloren hat. Deshalb weist er die Juden noch einmal sarkastisch auf ihren König hin. Auf dieses verächtlich gesprochene Wort „Siehe, euer König!“ brechen die Juden in Wut aus. In dem zweifachen Ruf „Hinweg, hinweg!“ bricht ihr ganzer Hass aus ihnen heraus. Das ist ihre Urteilsbestätigung. Der Herr muss ans Kreuz.

Noch ein letztes Mal unternimmt Pilatus einen Versuch, sie umzustimmen, indem er sie fragt, ob er wirklich ihren König kreuzigen soll. Darauf geben sie die inhaltsschwere Antwort: „Wir haben keinen König als nur den Kaiser.“ Mit diesen Worten sprechen sie ihre eigene Verurteilung aus. Sie verleugnen ihren Messias und fordern mit diesem schicksalhaften Wort das Gericht Gottes über sich selbst heraus. Unter dessen schrecklichen Folgen seufzen sie bis zum heutigen Tag.

Barabbas und der Kaiser – diese beiden Namen, für die sie sich entschieden haben – fassen ihre ganze Elendsgeschichte von zwanzig Jahrhunderten zusammen. Sie haben in ihrem eigenen Land unter Räuberbanden gelitten (dafür steht Barabbas) sowie auch unter Feinden von außen (dafür steht der Kaiser von Rom). Sie sind gewissermaßen zwischen zwei Mühlsteinen zermahlen worden. Die prophetische Tragweite ihrer Wahl wird erst ihr Ende finden, wenn die Juden im Sohn Gottes ihren wahren König erkennen werden.

Dann übergibt Pilatus Ihn in die Hände der Juden, um Ihn kreuzigen zu lassen; die Ausführenden dieser Kreuzigung sind die Soldaten des Pilatus.

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