John 19:28

Das Sterben des Herrn

Nachdem der Herr die Seinen der gegenseitigen Fürsorge anvertraut hat, weiß Er in seiner göttlichen Allwissenheit und Weisheit, dass Er nun alles vollbracht hat, was Ihm zur Offenbarung des Vaters auf der Erde aufgetragen war. Etwas anderes bleibt noch zu tun: das Erfüllen eines bestimmten Schriftwortes, das Er bei allem Leiden nicht vergisst. Sein Wort „Mich dürstet!“ ist nicht in erster Linie Ausdruck eines körperlichen Bedürfnisses, sondern einer geistlichen Not. Dies ist ganz in Übereinstimmung mit diesem Evangelium, worin Er uns immer in seiner Erhabenheit über dem Leiden vorgestellt wird, obwohl Er dieses in voller Tiefe empfindet.

Nach diesem Ausruf wird Ihm Essig angeboten, den Er auch annimmt. Es ist für Ihn eine zusätzliche Qual, zu sehen, dass direkt beim Kreuz ein Gefäß voll Essig steht, der für Ihn aber unerreichbar ist. Zur festgesetzten Zeit aber bekommt Er etwas davon, damit ein bestimmtes Schriftwort seine Erfüllung findet (Ps 69:22). Als auch dieses letzte Schriftwort erfüllt ist, das in der Zeit seines Lebens auf der Erde in Erfüllung gehen musste, spricht Er dieses Wort, das nur Er sagen kann: „Es ist vollbracht!“

Es hat Diener gegeben, wie z. B. Paulus, die sagen konnten, sie hätten ihren Lauf vollendet (2Tim 4:7). Kein Diener aber hat es je gewagt, zu sagen, dass sein Dienst vollbracht und abgerundet war. Alle Diener haben gearbeitet, aber nach Ablauf ihres Lebens haben andere ihr Werk fortgeführt. Wir können wohl eine bestimmte Aktivität abrunden und sagen, sie sei fertig; sie wird aber nie unser alleiniges Werk sein, und sie wird immer mit menschlicher Unvollkommenheit behaftet sein.

Der Herr Jesus aber hat das Ihm aufgetragene Werk vollkommen erfüllt und ein ewig gültiges und unveränderliches Resultat damit hervorgebracht. Er konnte die Vollkommenheit dieses Werkes auch selbst beurteilen, wohingegen alle anderen die Beurteilung ihres Werkes zu dem von Ihm festgesetzten Zeitpunkt (2Kor 5:10) demütig abwarten müssen.

Der Ausruf „Es ist vollbracht!“ ist im Griechischen nur ein einziges Wort: tetelestai! Welches Wort hat jemals so viel Inhalt gehabt? Es weist uns nicht in erster Linie auf das Werk am Kreuz hin, das für uns verlorene Sünder vollbracht worden ist, sondern beinhaltet zuerst das Werk, zu dessen Erfüllung Er auf die Erde gekommen war: die Verherrlichung des Vaters (Joh 17:4). So passt auch dieses Wort genau in dieses Evangelium hinein.

Hiernach neigt der Herr sein Haupt. Das bedeutet: Er legt es in Ruhe nieder. In seinem Erdenleben hatte Er keinen Ort, wo Er sein Haupt hinlegen konnte. Hier, auf Golgatha, findet Er einen solchen Platz und kann im Tod Ruhe finden. Er übergibt seinen Geist seinem Vater. Wir hören hier nicht, wie Er seinen Geist in die Hände des Vaters übergibt; das tut Er als der wahrhaftige Mensch im Lukasevangelium (Lk 23:46). Hier übergibt der Sohn seinen Geist – als eine Handlung, die Er aus freiem Willen, mit göttlicher Vollmacht ausübt. Niemand nimmt Ihm das Leben, sondern Er lässt es von sich selbst (Joh 10:18). Wie bei allem in diesem Evangelium geht auch in seinem Tod die Initiative von Ihm aus.

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