John 19:36

Die durchstochene Seite des Herrn

Nun haben die Juden ihr Ziel erreicht: Jesus ist tot. Ihre Sorge gilt nun der Aufrechterhaltung der äußeren Reinheit. Der dem Passahmahl unmittelbar folgende Sabbat ist zugleich der erste Tag des Festes der ungesäuerten Brote, dem eine besondere Heiligkeit geziemt. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung dieses Sabbats wollen sie die Vorschrift, dass die Leiber von Gehängten nicht über Nacht am Kreuz hängen bleiben dürfen (5Mo 21:22; 23), um so sorgfältiger beachten. Man stelle sich vor, wie ihr Land sonst verunreinigt würde! Dass sie soeben durch die Ermordung des Sohnes Gottes ihr Land zu einem Blutacker gemacht haben (Mt 27:7; 8), kommt ihnen nicht in den Sinn.

Pilatus erfüllt ihre Bitte, die Beine der Gekreuzigten zu brechen, und schickt ein paar Soldaten, um diese Aufgabe auszuführen. Dadurch würde dann der Tod sehr schnell eintreten, der sonst manchmal Tage auf sich warten ließe. Es fällt auf, dass sie zuerst die Beine der beiden anderen Männer brechen, die mit dem Herrn gekreuzigt sind. Sie gehen also nicht von links nach rechts oder umgekehrt vor, sondern von außen nach innen. So wird wiederum alle Aufmerksamkeit auf Ihn gelenkt – auch jetzt, da Er tot am Kreuz hängt. Als die Soldaten zu Ihm kommen, sehen sie, dass Er schon gestorben ist. Deshalb sehen sie davon ab, Ihm die Beine zu brechen. Ihre logische Folgerung, dass dies nicht mehr nötig sei, fällt mit der Erfüllung der Schrift zusammen.

Und doch kann einer von ihnen es nicht lassen, Ihm auch nach seinem Tod noch Schmach zuzufügen. In einer Aufwallung von Verachtung sticht er mit einem Speer dem Herrn in die Seite. Es ist eine völlig sinnlose, respektlose Handlung, die nur dazu dient, seiner Geringschätzung dieser Person Ausdruck zu geben. Die Folge aber, das Blut und das Wasser, das aus der Seite des Herrn Jesus hervorkommt, zeigt, wie Gott über seinen Sohn denkt. Damit beweist Er seine überwältigende Gnade – sogar für solche Verächter seines Sohnes. Das Blut und das Wasser aus der Seite des Herrn zeigen den Sinn seines Werkes an, sowie den unschätzbaren Wert, den es für Gott hat.

Zunächst beweisen das Wasser und das Blut, dass der Herr wirklich gestorben ist. Ihre Bedeutung geht aber über die Feststellung des Todes hinaus. Das Blut ist die Grundlage für die Vergebung von Sünden, denn ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung (Heb 9:22). Es reinigt von Sünden im Blick auf Gott, so dass der Sünder mit Gott versöhnt wird und Gott ihm alle Segnungen geben kann, die Er in seinem Herzen hatte und ihm schenken wollte. Das Wasser – ein Bild des Wortes Gottes – offenbart dem Sünder, wer er selbst ist, so dass er zur Bekehrung und zum Bekenntnis seiner Sünden kommt. Dann vergibt Gott die Sünden und reinigt den Sünder (Joh 15:3; 1Joh 1:9).

In seinem ersten Brief schreibt Johannes auch über das Wasser und das Blut (1Joh 5:6). Blut spricht von Versöhnung aufgrund von Gericht. Wasser spricht von Reinigung aufgrund von Erkenntnis und Bekenntnis von Sünden. Versöhnung aufgrund von Gericht und Bekenntnis von Sünden sind untrennbar miteinander verbunden. In seinem Brief fügt Johannes noch den Geist hinzu, durch den wir wissen, dass wir ewiges Leben empfangen haben. Blut und Wasser kamen aus einem gestorbenen Heiland, der Geist kommt von einem verherrlichten Heiland. So haben wir ein dreifaches Zeugnis, dass wir, die wir in uns selbst kein Leben haben, in dem Sohn das ewige Leben besitzen.

Johannes legt hier großen Nachdruck darauf, dass sein Zeugnis wahr ist. Er hat sich diese Dinge nicht ausgedacht. Er weiß genau, wovon er spricht. Er hat es selbst gesehen, ist völlig davon überzeugt, und er wünscht, dass jeder, der sein Evangelium liest, zum Glauben kommt. Dabei verweist er nicht nur auf sein eigenes Zeugnis von der Wahrheit, sondern er beruft sich auch auf die Schrift. Jeder kann durch das Lesen der Schrift erkennen, dass sich alles auf den Herrn Jesus bezieht.

So bildet die Schrift die sichere Grundlage für den Glauben an Ihn. Wenn die Schrift sagt, dass irgendetwas Ihm nicht widerfahren wird, dann geschieht das auch nicht. Auch im Unterlassen von Dingen, die für Ihn eine Unehre bedeuten würden, wird die Schrift erfüllt. Das Brechen der Beine (Ps 34:21) würde symbolisch einen unvollkommenen Wandel andeuten, aber der Herr hat in seinem ganzen Leben auf der Erde Gott verherrlicht. Darum wird mit Nachdruck darauf hingewiesen, damit Ihm nicht nach seinem Tod noch etwas nachgesagt würde, was seine Vollkommenheit antasten könnte.

Johannes führt noch eine weitere Schriftstelle an, um seine Bezeugung der Wahrheit noch mehr zu befestigen. Diesmal ist es eine Schriftaussage über etwas, was Ihm positiv widerfahren würde. Der Speerstich in die Seite des Herrn musste geschehen, damit die Schrift erfüllt werden könnte: „Sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben“ (Sach 12:10; s. auch Off 1:7). Die Erfüllung liegt noch in der Zukunft, aber die Voraussetzung für die Erfüllung ist schon geschehen.

Was für ein starkes, dreifaches Zeugnis (das eigene Zeugnis von Johannes und zwei Aussagen der Heiligen Schrift), um jeden Leser von der Wahrheit des Lebens, des Todes und der Wiederkunft des Herrn Jesus völlig zu überzeugen! In der Stelle in Sacharja 12 (Sach 12:10) ist nämlich zugleich auch die Voraussage der Auferstehung, der Verherrlichung und der Rückkehr Jesu eingeschlossen. Daher zitiert Johannes diese Stelle auch in dem von ihm geschriebenen Buch der Offenbarung (Off 1:7).

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