Luke 10:25-28

Ein Gesetzgelehrter versucht den Herrn

Nachdem der Herr die herrlichen himmlischen und ewigen Dinge über den Vater und den Sohn entfaltet hat, steht ein Gesetzgelehrter auf und ergreift das Wort. Er hat ein Gespür dafür, dass der Herr über Dinge spricht, die nicht mit dem Gesetz in Einklang zu bringen sind, also schließt er, dass sie dazu im Widerspruch stehen. Wenn der Herr sagt, dass Er von Gott kommt, sollte Er doch gewiss das Gesetz wahren. Darum legt der Gesetzgelehrte Ihm einen Fallstrick. Der Heilige Geist vermerkt, dass der Gesetzgelehrte beabsichtigt, den Herrn zu versuchen.

Die Frage des Gesetzgelehrten ist, was er tun müsse, um ewiges Leben zu erben. Für ihn ist es unmöglich, dass das ohne das Gesetz geschehen könnte. Nach seiner Beurteilung würde der Herr sich in seinem Anspruch, der Christus zu sein, unglaubwürdig machen, wenn Er einen anderen Weg zeigte. Und wenn Er sich nur auf das Gesetz beziehen würde, dann war Er nicht der Gnädige, der Er zugleich vorgab zu sein.

Der Gesetzgelehrte fragt nicht: „Was muss ich tun, um errettet zu werden?“, sondern er stellt mit seiner Frage etwas zur Diskussion, worauf er mit seiner Kenntnis des Gesetzes doch eine Antwort hat. Seine Frage ist nicht ehrlich gemeint, sie ist für ihn einfach theoretisch. Er ist nicht wirklich um das Heil seiner Seele besorgt, und er hat keinen Begriff von seinem eigenen Zustand oder von Gott.

Das Gesetz geht nicht von der Tatsache aus, dass ein Sünder hoffnungslos verloren ist, es bietet ihm aber auch keine Erlösung an. Das Gesetz kann nur an die Verantwortung eines Menschen appellieren, aber weil der Mensch ein Sünder ist, kann er dieser Verantwortung niemals gerecht werden. Der arme, verzweifelte Kerkermeister in Philippi stellte wohl die Frage, wie er errettet werden könne (Apg 16:30), die Frage, die sich für einen Sünder viel eher schickt.

In seiner Reaktion auf die Frage dreht der Herr die Verhältnisse um. Er wird der Frageseller, und der Gesetzgelehrte muss Ihm antworten. Er fragt ihn nicht nur, was im Gesetz geschrieben steht, sondern auch, wie er liest. Der Herr stellt dem Gesetzgelehrten die richtige Frage, denn der stellt sich ja auf die Grundlage des Gesetzes.

Das ewige Leben zu erben, war für ihn etwas, was man durch eigene Anstrengung erreichen konnte. Er suchte sein Heil in der Erfüllung des Gesetzes. Der Herr antwortet in seiner Weisheit dem Toren nach seiner Narrheit (Spr 26:5). Ein Narr denkt, dass er das Gesetz halten und auf diese Weise das ewige Leben erben könne. Mit seiner Frage will der Herr ihn davon überzeugen, dass alle Versuche, auf dieser Grundlage das ewige Leben zu erben, völlig nutzlos sind.

Der Gesetzgelehrte beantwortet die Frage, was im Gesetz geschrieben steht. Ohne sich dessen bewusst zu sein, beantwortet er auch die Frage, wie er liest. Er weiß genau, was dort steht, aber er liest es, ohne dass sein Herz daran beteiligt ist. So können auch wir mit der Schrift umgehen. Wir wissen wohl, was da steht, und kennen die richtigen Antworten auf biblische Fragen. Das ist jedoch nur Theorie, wenn nicht die ganze Schrift unser Herz und unser Leben bestimmt.

Der Herr sagt dem Gesetzgelehrten, dass er recht geantwortet habe. Er bewertet dessen Antwort als richtig. Das steht tatsächlich da. So hat Er es aufschreiben lassen. Wenn der Gesetzgelehrte sich daran hält, wird er leben, das heißt, dass er das ewige Leben als Erbteil empfangen wird.

Der Gesetzgelehrte hat auf die Frage des Herrn geantwortet, aber er empfindet, dass er sich geschlagen geben muss. Das will er jedoch nicht zugeben, und er hat sofort eine andere Frage, die an seine eigene Antwort anknüpft. Er fragt, wer sein Nächster sei. Auch auf diese Frage erwartet er eine Antwort, die dem Gesetz entspricht. Es könnte also nur jemand aus dem Volk Gottes sein. Wenn der Herr die Antwort nicht geben würde, könnte Er nicht der Christus sein. Der Mann begreift nicht, dass er dabei ist, die Weisheit Gottes herauszufordern, und dass er sich selbst eine Schlinge legt.

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