Luke 18:13

Der Pharisäer und der Zöllner

In diesem Gleichnis beschreibt der Herr wieder neue Charakterzüge, die dem Reich entsprechen, in das solche, die Ihm nachfolgen, eingehen werden. Selbstgerechtigkeit ist alles andere als eine Empfehlung, in das Reich einzugehen. Menschen, die auf sich selbst vertrauen, dass sie gerecht seien, haben kein Bedürfnis, zu beten. Sie werden auch nicht mutlos und brauchen kein Glaubensvertrauen, das sich im Gebet mit der Bitte um Hilfe an Gott wendet.

Der Herr erzählt dieses Gleichnis im Blick auf die, die von sich meinen, sie seien anderen haushoch überlegen, und die auch verächtlich auf die anderen herunterschauen. Er stellt zwei Menschen einander gegenüber, die beide zum Tempel gehen, um zu beten. Sie sind ganz gegensätzlich.

Er beschreibt zuerst die Haltung und das Gebet des Pharisäers. In ihm erkennen wir den älteren Sohn aus Kapitel 15 und den reichen Mann aus Kapitel 16. Dagegen sehen wir in dem Zöllner den jüngeren Sohn und Lazarus. Der Pharisäer vertritt die religiöse Welt in der höchst ehrbaren Ausprägung. Der Zöllner steht für die Menschen, die keine Ehre aufzuweisen haben, aber die, was sie auch gewesen sein mögen, nun reumütig sich selbst verurteilen und auf das Erbarmen Gottes rechnen.

Wir lesen von dem Pharisäer, dass er hintrat oder sich hinstellte. Auch der Zöllner stand. Doch es liegt ein feiner Unterschied darin, wie sie stehen. Der Pharisäer stellt sich hin, als wollte er zu einer Versammlung sprechen. Bei dem Zöllner ist es das gewöhnliche Wort für „stehen“ im Gegensatz zu „sitzen“.

Der Herr spricht über das Beten des Pharisäers. Er betete „bei sich selbst“. Das soll sich so anhören, als konnten andere nicht hören, was er sagte. Doch wenn wir sein Gebet lesen, ist das eigentlich gar kein Beten, von Gott etwas erbitten. Es ist auch kein Dank an Gott dafür, wer Er ist. Er ist so außerordentlich zufrieden mit sich selbst, dass er nur sich selbst Gott empfiehlt. Er dankt Gott für all das, was er nicht ist.

Es ist auch kein Bekennen von Sünden. Er nennt nicht einmal irgendein Bedürfnis, etwas, was er nötig hätte. Er selbst ist der Gegenstand seiner Danksagung. Er war nicht, wie die anderen, gewalttätig und verdorben und auch nicht wie der Zöllner. Wenn er über „diesen Zöllner“ spricht, hören wir eine Spur von Verachtung heraus. Der Mann ist für ihn ein verachteter Zöllner, weil er mit dem Feind paktierte.

Schließlich erörtert er ausführlich seine Gewohnheiten. Er lobt sich für sein Fasten und seine übertriebene religiöse Gewissenhaftigkeit. Nicht, dass er Falsches behauptet, nicht, dass er Gott ausschließt, aber er vertraut auf diese Dinge. Sie bilden die Grundlage seiner Gerechtigkeit vor Gott. Er meint, all dies mache ihn angenehm vor Gott. Von anderen Menschen hält er nichts. Das kommt daher, dass er noch nie seine eigenen Sünden so gesehen hat, wie Gott sie sieht. Dieser Pharisäer ist ein „Gläubiger“, aber dann einer, der gewaltig an sich selbst glaubt.

Wie völlig anders sind da die Haltung und das Gebet des Zöllners. Der Zöllner bleibt von fern stehen. Er fühlt sich wie die Aussätzigen, von denen das auch gesagt wird (Lk 17:12). Er anerkennt, wie unwürdig er ist, in die Nähe Gottes zu kommen. Er wagt nicht einmal, die Augen zum Himmel zu erheben, sondern steht mit geneigtem Haupt und schlägt sich an die Brust als Zeichen seiner tiefen Reue. Er steht da als einer, der Gott um Gnade anfleht.

Indem er von sich als „dem Sünder“ spricht, sagt er gleichsam, er sei der einzige Sünder (vgl. 1Tim 1:15). Er sagt nicht so allgemein, er sei „ein Sünder“, als sei er einer der vielen und wolle sich ein bisschen in der Masse verstecken. Er sieht nur sich und wie unwürdig und sündig er in den Augen Gottes ist.

Zugleich fleht er Gott um Gnade an. Er tut das, ohne etwas von seinen Sünden zu vertuschen. Ein Mensch nimmt die Gnade nur in Anspruch, wenn er davon überzeugt ist, dass er nichts verdient. In dem Wort „gnädig“, das der Zöllner gebraucht, ist die Bitte um Versöhnung eingeschlossen. Bei Gott gibt es keine Gnade ohne Versöhnung.

Der Herr erklärt den Zöllner für gerecht, weil dieser die richtige Haltung vor Gott eingenommen und Gott die richtige Stellung gegeben hat. Der Zöllner wird ein Gerechter, weil er ein Bußfertiger geworden ist. Gerechtfertigt bedeutet: recht getan, was dem Recht entspricht. Gott erklärt, dass der Zöllner richtig gehandelt hat, indem er sich als Sünder bekannte, und als Folge davon erklärt Gott den Zöller für frei von seinen Sünden.

Im Brief an die Römer behandelt Paulus die Lehre von der Gerechtigkeit Gottes. Da wird klar, was es bedeutet, wenn Gott jemanden für gerecht erklärt. Das heißt, dass so jemand nie gesündigt hat, weil ein anderer da ist, der sagt, dass Er diese Sünden getan und dafür auch das Gericht getragen hat.

Der Zöllner ist wirklich frei von der Last seiner Sünden. Das ist das Teil jedes Menschen, der wie der Zöllner seine Sünden aufrichtig bekannt hat und im Glauben sieht, dass das Werk Christi auch für ihn vollbracht ist und Gott es vollkommen angenommen hat.

Der Zöllner hat sich selbst erniedrigt und ist dadurch an das Herz Gottes erhöht worden. Der Pharisäer, „jener“, geht zwar sehr selbstzufrieden nach Hause, aber er hat seine Schuld vergrößert. Er hat sich selbst erhöht und wird erniedrigt werden, wenn er am großen weißen Thron vor dem Richter, dem Herrn Jesus, stehen wird.

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