Luke 23:39

Gebet und verspottet

Mitten in der Verwerfung sehen wir, wie der Herr sich mit der Bitte an seinen Vater wendet, seinen Mördern zu vergeben, weil sie nicht wissen, was sie tun. Ist das nicht unbegreifliche Gnade? Es kommt nicht ein Wort der Rache über seine Lippen, sondern ein Wort, aus dem seine Liebe zu diesem Volk hervorstrahlt. Das erste Wort, das Er am Kreuz spricht, ist ein Wort der Vergebung.

Aufgrund dieser Fürbitte hält Petrus, nachdem der Heilige Geist ausgegossen ist, seine Rede an die Juden (Apg 3:17). Auch die Bekehrung von Saulus, dem Christenhasser und Christenverfolger, findet aufgrund dieses Gebetes statt (1Tim 1:13). Hätten wir gesagt, dass sie nicht wussten, was sie taten? Der Herr sagt es, und folglich ist es so. Im tiefsten Innern wussten sie es nicht, sonst hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt (1Kor 2:8).

Während der Herr betet, vertreiben sich die Soldaten die Zeit damit, seine Kleider zu verteilen. Die waren das Einzige, was Er hinterließ. Das Volk steht da und schaut allem zu. Auch als Er am Kreuz hängt, lassen seine Feinde Ihn nicht in Ruhe. Zufrieden schauen sich die Obersten das Ergebnis ihrer Bemühung an. Es ist ihnen nun doch gelungen, Ihn aus dem Weg zu schaffen. Sie hören nicht auf, Ihn zu beschimpfen und Ihn herauszufordern, sich selbst zu retten. Hat Er nicht auch andere gerettet? Ihre Bemerkung, er habe andere gerettet, ist wahr. Sie bezeugen mit dieser Bemerkung sein Werk der Gnade, das Er unter ihnen getan hat, aber in ihren Herzen hat es nichts bewirkt.

Sie treiben ihren Spott damit, dass Er der Christus Gottes ist. Das soll Er mal unter Beweis stellen, indem Er sich selbst rettet. Sie sprechen von Dingen, deren Wahrheit sie in keiner Weise auch nur annähernd vermuten. Er ist der Auserwählte, obwohl alles dagegen spricht, als Er dort als der Elende am Kreuz hängt, ein Inbegriff der Verachtung und Schwäche.

Allem Anschein nach will Gott mit Ihm nichts mehr zu tun haben, und es sieht so aus, als hätten die religiösen Führer recht, dass Er ein Verführer ist. Doch gerade in diesen Augenblicken ist Er ganz besonders der Auserwählte Gottes, der Mann, der vollkommen allem entspricht, was Gott von einem Menschen fordert. Weil Er andere retten will, kann Er sich selbst nicht retten.

Die Soldaten machen mit, wenn es darum geht, Ihn zu verspotten. Sie treten herzu und bieten Ihm sauren Wein an. Vielleicht müssen wir uns das so vorstellen, dass sie den sauren Wein nahe an seine Lippen bringen, ohne dass Er ihn wirklich erreichen kann. Das sind Tantalusqualen für jemanden, der quälenden Durst hat. Dass der Herr vom Durst geplagt ist, lesen wir in den Psalmen (Ps 22:16). Lukas berichtet nicht, wie der Herr darauf reagiert. Es geht ihm um die Beschreibung des Menschen, der sich unter Anführung Satans auf die grauenhafteste Weise gegen den Christus Gottes gewandt hat.

Während die Obersten den Herrn auffordern, sich selbst zu retten und damit zu zeigen, dass Er der Christus ist, fordern die Soldaten von Ihm, sich selbst zu retten und dadurch zu zeigen, dass Er der König der Juden ist. Die Aufschrift, die zum Spott über Ihm angebracht ist, lautet: „Dieser ist der König der Juden.“ Und das ist Er. In seiner Schande wird seine Herrlichkeit offenbar, und das, obwohl der Mensch Ihn zutiefst erniedrigen will. Bald wird Er sich als König offenbaren.

Zum dritten Mal ertönt die spöttische Herausforderung, sich selbst zu retten. Diesmal kommt sie von einem der gehängten Übeltäter, der Ihm auch als dem Christus zuruft, sich zu retten und zugleich auch ihn zu retten. Der Übeltäter denkt nur an eine Befreiung für den Augenblick. Es ist nicht die Bitte eines aufrichtigen Herzens, sondern Lästerung. Auch dieser Mann, der so nah vor der Pforte des Todes ist, schließt sich denen an, die den Herrn lästern. Der Hass des gottlosen Menschen ist so groß, dass er sogar in eigenen Todesleiden den Herrn lästert.

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