Matthew 15:3

Menschliche Tradition gegenüber Gottes Gebot

Während der Herr so vielen Menschen Barmherzigkeit erweist, brechen die Führer des Volkes in diese liebliche Szene ein und beklagen sich über Äußerlichkeiten, die sie für ihren Frömmigkeitskult eingerichtet haben. Die gesetzlichen Formalien haben sie für das, was vor ihren Augen geschah, völlig blind gemacht. Eine solche pharisäische Haltung erleben wir auch heute bei Streitfragen, die durch Überlieferungen und Gewohnheiten verursacht werden, die nicht auf deutliche Aussagen des Wortes Gottes gegründet sind. Jetzt sprechen die Pharisäer den Herrn an, weil sie in der Handlungsweise der Jünger eine Übertretung ihrer Überlieferungen sehen. Sie fragen gar nicht erst, was das Wort Gottes dazu sagt, sondern beurteilen die Handlungen nach ihren eigenen Normen, die für sie ein so enormes Gewicht haben.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten haben also bei den Jüngern des Herrn eine Übertretung wahrgenommen: Die Jünger haben nämlich mit ungewaschenen Händen Brot gegessen! Das ist ein typisches Kennzeichen von Gesetzlichkeit, die einen Menschen nur nach seinem äußeren Handeln beurteilt. Der Herr weist diese Kritik dadurch zurück, dass Er sie auf das hinweist, was sie selbst tun. Das ist nämlich unvergleichlich viel schlimmer als der Verstoß gegen eine menschliche Tradition. Sie übertreten nämlich ein Gebot Gottes – und das nur um ihrer Überlieferung willen.

Die Überlieferungen der Alten waren ursprünglich als Schriftauslegung gedacht. Im Lauf der Zeit sind sie allerdings der Schrift gleichgestellt worden und sogar zu Vorschriften geworden, die im Widerspruch zur Schrift stehen. So sind die Überlieferungen der Alten zu Traditionen entartet, die eine verpflichtende und verbindliche Hinzufügung zur Schrift darstellten. Dabei ist der Geist dieser Vorschriften im Widerspruch zu dem Geist der Heiligen Schrift. Diese Tatsache macht der Herr offenbar und prangert sie an. Er beschuldigt die Pharisäer, dass sie selbst das Gebot Gottes übertreten.

Als Beispiel für ihre Übertretung führt der Herr ein sehr wichtiges Gebot an, das Gott gegeben hat. Es ist das Gebot, Vater und Mutter zu ehren (2Mo 20:2; 5Mo 5:16), und dass, wer Vater und Mutter flucht, des Todes schuldig ist (2Mo 21:17; 3Mo 20:9). Alle irdischen Segnungen der Kinder Israels hingen von der Befolgung dieses Gebotes ab. Wer Vater und Mutter ehrte, sollte ein langes Leben haben und so auch lange den Segen Gottes genießen (Eph 6:2). Wer das Gegenteil tat, sollte sterben und so den Segen nicht mehr genießen können.

Nach der Erinnerung an dieses Gebot legt der Herr messerscharf dar, auf welch raffinierte Weise die Pharisäer diese beiden göttlichen Gebote ausgehebelt hatten. Mit einem geschickt ersonnenen Kunstgriff hatten sie bewirkt, dass das Geld, das die Menschen im Volk Gottes eigentlich für ihre bedürftigen Eltern verwenden sollten, nun in ihre eigenen Taschen floss. Sie hatten nämlich noch ein kleines Gebot hinzugefügt. Die Juden sollten einfach zu Vater oder Mutter sagen: „Dieses Geld habe ich zu einer Opfergabe für den Tempel bestimmt.“ Damit war dann ihre Verpflichtung, für die Eltern zu sorgen, erfüllt und das Geld floss in den Schatzkasten des Tempels, somit also in die Tasche der Pharisäer. Wenn die Eltern dann in Not waren, konnte man ihnen einfach sagen, dass das Geld eine Gabe für Gott war; damit war man dann entlastet und hatte das Gebot erfüllt, die Eltern zu versorgen und zu ehren.

Auf diese Weise hatten die Pharisäer das Wort Gottes zu Gunsten ihrer Überlieferung kraftlos gemacht. Die eigentliche, wahre Bedeutung des göttlichen Gesetzes wurde so völlig verschleiert und verkannt.

Wir müssen aufpassen, dass nicht auch wir in diesen selben Fallstrick geraten. Die Belehrungen, die Diener Gottes uns hinterlassen haben, dürfen wir uns dankbar aneignen. Wenn wir richtigen Gebrauch davon machen, führen sie uns immer zur Quelle zurück, d. h. zur Heiligen Schrift selbst. Es kann aber allzu leicht geschehen, dass wir die Belehrung der treusten Diener zu einer Art Talmud machen (= ein jüdisches Buch mit rabbinischen Kommentaren über das Alte Testament). Dann würde diese Belehrung wie ein Nebel, hinter dem das reine Wort Gottes verborgen bleibt.

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