Matthew 20:20-29

Ein Platz im Reich

Nach seinen beeindruckenden Worten über sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung kommt die Mutter von Johannes und Jakobus zu Ihm. Bevor sie Ihm eine Frage stellt, huldigt sie Ihm, d. h., sie ist sich seiner Erhabenheit wohl bewusst. Dann kommt sie noch nicht sofort mit ihrer Bitte heraus, sondern fragt den Herrn zuerst, ob sie Ihm eine Bitte vorbringen darf. Obwohl der Herr weiß, womit sie sich beschäftigt, ermuntert Er sie, zu fragen, was sie will. Nun trägt sie ihre Bitte vor: ob ihre Söhne einen vornehmen Platz in seinem Reich haben dürfen. Diese Bitte zeigt, dass sie in dem Herrn den künftigen König sieht.

Der Herr antwortet der Mutter, sie wisse nicht, um was sie da bittet. Das ist natürlich ein Vorwurf. Eine solche Frage hätte sie besser nicht gestellt. Die Söhne werden ihre Mutter wohl aufgefordert haben, den Herrn um die begehrte Stellung in seinem Reich zu bitten. Das Motiv dieser Bitte bringt der Herr ans Licht, indem Er den Söhnen jetzt eine Frage stellt.

Der Herr reagiert mit einer Frage über das Trinken eines Kelches. Das bedeutet, es geht dabei um eine Art von Leiden. Die Söhne antworten, dass sie den Kelch des Herrn trinken können. Ist das Übermut? Der Herr antwortet nicht, dass sie den Kelch trinken können, sondern dass sie ihn trinken werden. Über ihre Stellung in seinem Reich spricht der Herr gar nicht. Das ist allein Sache des Vaters, der für jeden einen Platz bereitet hat.

Was die Mutter zugunsten ihrer Söhne vom Herrn erbittet, bekommt sie nicht. Dies ist das einzige Mal, dass ein Elternteil etwas für die eigenen Kinder erbittet und beim Herrn keine Erhörung findet. Das liegt daran, was erbeten wird. Eine Bitte um Hilfe aus einer Not wird immer erhört. Hier aber wird um eine Belohnung, einen Ehrenplatz für die Söhne gebeten, und darauf kann der Herr nicht eingehen.

Als die zehn anderen Jünger dies alles hören, nehmen sie es den beiden Brüdern sehr übel. Warum aber nahmen die Zehn es Johannes und Jakobus übel? Waren sie etwa nicht frei von konkurrierenden Wünschen?

Nicht herrschen, sondern dienen

Der Herr ruft nun alle seine Jünger zu sich. Ihre Stellung in seinem kommenden Reich beschäftigt sie alle so sehr, dass der Herr ihnen darüber etwas klarzumachen hat. Um sie über das Dienen zu belehren, verweist Er zunächst auf das, was in der Welt üblich ist. Sie kennen ja die Welt und wissen genau, wie es dort zugeht. Man strebt nach Macht, die Großen und Obersten haben alles zu bestimmen, und die anderen haben nichts zu melden.

Unter den Gläubigen sollte es aber völlig anders zugehen als in der Welt. Der Geist Christi ist ein Geist des Dienens, der zur Wahl der niedrigsten Stellung und zur völligen Hingabe für andere führt. Er bedeutet Verzicht auf alles, um vertrauensvoll von der Gnade des Herrn abhängig zu sein, dem wir dienen. Diese Bereitschaft, den niedrigsten Platz einzunehmen, soll so konsequent sein, dass wir Knechte aller werden. Das muss die Gesinnung derer sein, die in dem Reich beheimatet sind, wie es jetzt von dem verworfenen Herrn errichtet wird.

Im Reich Gottes gelten Regeln, die den Regeln der Reiche dieser Welt genau entgegengesetzt sind. Im Reich Gottes führt entschiedene Dienstbereitschaft zu wahrer Größe. In dieser Welt kommt Größe durch Herrschaft und Macht über andere zum Ausdruck, unter den Heiligen aber durch Dienen und Sorge für andere.

Bei „Groß-werden-wollen“ kommt zum Ausdruck, wie jemand sich vor den Mitmenschen darstellt. Wer im Reich Gottes groß werden will, erreicht dies, wenn er anderen dienen will. Bei „Erster-sein-wollen“ geht es um die Rangordnung. Ein Sklave ist jemand, der vollständig das Eigentum eines Herrn ist und keinerlei Selbstbestimmungsrecht hat. Seine ganze Existenz wird von seinem Herrn bestimmt. Bei einem Diener steht seine Tätigkeit, seine Bereitschaft zum Dienen im Vordergrund. Bei einem Sklaven geht es allein um den Willen seines Herrn, der ganz allein über das Leben des Sklaven verfügt.

Der Herr selbst ist das große Vorbild eines Menschen, der nach den Regeln des Reiches der Himmel lebt. Aus diesem Grund ist Er dort der Größte und der Erste. Er hat zudem ein Werk vollbracht, in dem wir Ihm nicht folgen können, das Werk der Erlösung. Sein Dienst ging so weit, dass Er sein Leben hingab. Nur dieses vollkommene Leben sowie dessen Hingabe in den Tod konnte das Lösegeld für „viele“ sein, d. h. für alle, die an Ihn glauben.

Heilung von zwei Blinden

Der Herr spricht also von seinem Leben als Lösegeld. Mit diesem Gedanken tritt Er jetzt seine letzte Reise nach Jerusalem an. Jericho, die Stadt des Fluches, hat der Herr schon vorher aufgesucht und dort Segen gebracht. Nun geht Er mit seinen Jüngern nach Jerusalem, um dort für allen Segen, den Er gebracht hat und noch bringen wird, die Grundlage zu legen. Von diesem Segen angezogen folgt ihnen eine große Volksmenge und verlässt Jericho mit Ihm. Wohin sein Weg führt, begreifen sie allerdings nicht.

Während Er unterwegs ist, appellieren zwei Blinde, die am Weg sitzen, an sein Erbarmen (vgl. Mt 9:27). Als sie hören, dass der Herr gerade vorüber kommt, rufen sie Ihn an. Sie müssen schon früher von Ihm gehört haben. Ihre Augen waren zwar blind, aber sie hatten erleuchtete Augen des Herzens (vgl. Eph 1:18). Jetzt ist ihre Chance da, und sie ergreifen sie. Die Volksmenge aber will sie zum Schweigen bringen. Immer, wenn jemand den Herrn anruft, gibt es Menschen, die das verhindern wollen. Die beiden Blinden haben aber eine große Glaubenskraft. Sie gehören zu den „Gewalttuenden“, die das Reich an sich reißen (Mt 11:12). Anstatt zu schweigen, rufen sie um so lauter nach dem Erbarmen des Herrn.

„Und Jesus blieb stehen“. Was für ein großer Herr! Während Er auf dem Weg nach Jerusalem ist und der Gedanke an das Ihm dort Bevorstehende sein Inneres beschäftigen könnte, lässt Er sich durch einen Schrei um Erbarmen aufhalten. Dann nimmt Er sich Zeit für sie und ruft sie. Auch hier kommt die Frage des Herrn, was Er nach ihrem Willen für sie tun solle (vgl. Mt 20:21). Er weiß es, aber Er möchte es von ihnen selbst hören.

Auch aus unserem Mund möchte der Herr gern hören, was wir von Ihm wünschen. Sie sagen es Ihm ohne umständliche Worte: Ihre Augen sollen geöffnet werden!

Der Herr heilt sie. Er tut das nicht als Wohltäter, sondern als jemand, der an ihrer Not Anteil nimmt. Voller Erbarmen, angerührt von ihrem Elend und innerlich bewegt, berührt Er den kranken Punkt. Das Ergebnis ist sofort zu sehen: die beiden begleiten Ihn sofort auf seinem Weg nach Jerusalem.

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