Proverbs 30:8

Agurs Gebet

Nach der Offenbarung Gottes in der Schöpfung (Spr 30:4) und in seinem Wort (Spr 30:5; 6) folgt das Gebet (Spr 30:7). Wort und Gebet gehören immer zusammen. Agur hat sein absolutes Vertrauen zum Wort Gottes ausgedrückt. Nun wendet er sich im Gebet an Gott. Er lebt mit dem Gott, dem er vertraut und in dem er sich birgt. Durch sein Gebet nimmt er die Stellung der Abhängigkeit von Gott ein. Er verlässt sich nicht auf sich selbst, sondern vertraut allein auf Gott. In diesem Vertrauen spricht er ein kurzes und kräftiges Gebet.

Er bittet um „zweierlei“. Die beiden Dinge wird er sogleich nennen, doch zuerst bittet er Gott, sie ihm nicht zu verweigern, bevor er stirbt. „Ehe ich sterbe“ bedeutet: solange ich lebe. Indem Agur das so sagt, macht er deutlich, dass er in dem Bewusstsein lebt, dass das Leben auf der Erde begrenzt ist, und auch, dass es darum geht, bis ans Ende auszuharren. Die Erinnerung an das Sterben, bedeutet auch, dass er sich der Tatsache bewusst ist, dass er Rechenschaft ablegen muss für das, was er in seinem Leben getan hat. Agur will zur Ehre Gottes leben und nicht von Ihm gerichtet werden.

Was Agur in den Spr 30:8; 9 sagt, zeigt große Selbsterkenntnis. Er ist sich der Gefahr des Sündigens bewusst. Zuallererst erkennt er die Gefahr von „Eitlem“ in seinem Herzen und des „Lügenwortes“ in seinem Mund (Spr 30:8). Hier geht es um die Gesinnung, das Innenleben, die Motive. Es geht um Sünde und Lüge, durch die sich die Sünde ausdrückt, um das Eitle im Denken und die Lüge im Reden.

Sein Gebet ist, dass Gott all das von ihm entfernen möge. In Spr 30:6 hat er zu seinen Kindern oder Schülern Ithiel und Ukal gesagt, dass sie nichts zum Wort Gottes hinzufügen sollen, damit sie sich nicht als Lügner erweisen. Nun erkennt er selbst seine Schwachheit und Neigung zum Sündigen und bittet Gott, ihn nicht in Versuchung zu führen, sondern ihn zu bewahren vor dem Bösen und dessen Einflüssen (Mt 6:13). Wer andere warnt, muss beten, dass er selbst vor dem Bösen bewahrt wird, vor dem er warnt.

Agur erkennt, dass allein Gottes Gnade ihn davor bewahren kann. Er weiß, dass er zu Eitlem und Lüge fähig ist und dass er in sich selbst keinerlei Kraft hat, diesen zu widerstehen. Doch Gott hat diese Kraft. So findet er Ruhe in Gott im Hinblick auf diese Gefahren.

Es gibt jedoch auch noch andere Gefahren, die mehr in den Umständen lauern; dadurch werden die Motive oder der Charakter des Menschen bedroht (Spr 30:8). Er wünscht sich Ausgewogenheit in seinen materiellen Umständen. Er sucht keine großen Dinge im Leben. Konkret bittet er Gott, ihm weder Armut noch Reichtum zu geben. Er möchte vielmehr, dass Gott ihn mit dem ihm „beschiedenen Brot“ speist.

Das ihm beschiedene Brot ist das Brot, das täglich nötig ist. Das entspricht dem, was der Herr Jesus seine Jünger zum Thema Gebet lehrte: „Unser nötiges Brot gib uns heute“ (Mt 6:11). Mehr ist Reichtum, weniger ist Armut: „Wenn wir aber Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen“ (1Tim 6:8). Es geht Agur an sich nicht um Armut oder Reichtum, sondern um das, was damit verbunden ist, wozu beides führen kann. Darüber spricht er in Spr 30:9.

Agur wünscht sich die glücklichste Art des Lebens. Armut und Reichtum haben beide ihre Gefahren. Er will frei sein von den Sorgen, die die Armut mit sich bringt. Auch will er nicht den Versuchungen erliegen, die mit dem Reichtum verbunden sind. Frei zu sein von beiden Gefahren, betrachtet er als den besten Weg, Gott zu dienen.

Er macht keine Vorschrift, als wäre dies der einzige Weg, auf dem ein Mensch glücklich sein und Gott dienen kann. Gott kann jemanden reich machen. Dann kann er Gott mit seinem Reichtum dienen. Wenn Gott jemanden arm macht, darf er in seinen Umständen auf Gott vertrauen. Paulus hat im Leben gelernt, mit beiden Umständen umzugehen (Phil 4:12).

In Spr 30:9 sagt Agur, worin die Gefahren von Reichtum und Armut liegen. Wenn er einer der beiden Gefahren erliegt, kann ihn das zur Sünde führen. Dadurch würde sein Leben keine Frucht mehr für Gott bringen. Das würde Saatkörnern gleichen, die unter die Dornen fallen; der Herr Jesus sagt dazu im Gleichnis vom Sämann: „Der aber in die Dornen gesät ist, dieser ist es, der das Wort hört; und die Sorge der Welt und der Betrug des Reichtums ersticken das Wort, und er bringt keine Frucht“ (Mt 13:22). Den „Betrug des Reichtums“ finden wird in dem Wort „satt“ (Spr 30:9), und die „Sorgen der Welt“ finden wir in dem Wort „verarmen“ (Spr 30:9).

Agur erkennt, dass er in der Gefahr steht, von Gott unabhängig zu werden, Ihn nicht mehr nötig zu haben und Ihn dadurch zu verleugnen, wenn er zu viel hat (5Mo 8:11-14). Dann würde er wie der ungläubige Pharao handeln, der ebenfalls sagte: „Wer ist der HERR?“ (2Mo 5:2). Die herausfordernde Frage „Wer ist der HERR?“ bedeutet, dass jemand sich Ihm nicht verpflichtet fühlt, ohne Ihn leben kann und mit sich genug hat. Der Wunsch Agurs, nicht zu viel zu besitzen, betrifft seinen Umgang mit dem HERRN. In seinem Denken geht es um Gott.

Die Gefahr, die mit Armut verbunden ist, liegt mehr darin, etwas Falsches zu tun. Armut bringt die große Versuchung mit sich, unehrlich zu sein und zu stehlen. Was macht jemand, wenn er sehr hungrig ist und irgendwo etwas Essbares sieht, was einem anderen gehört? Man kann sich selbst damit beruhigen, dass der andere es nicht braucht und man es nötig hat, um am Leben zu bleiben. Vielleicht denkst du dabei an deine Kinder, die Hunger leiden. In diesem Fall scheint es gerechtfertigt zu sein. Doch Diebstahl ist niemals gerechtfertigt, wie sehr man im Fall von Hunger auch dafür Verständnis haben kann (Spr 6:30; 31).

Warum fürchtet sich Agur vor dem Stehlen? Weil er dann ins Gefängnis kommt? Nein, er fürchtet sich davor, weil dann der Name Gottes verunehrt wird. Agur war bekannt als ein treuer, gottesfürchtiger Gläubiger. Welche Schande würde er auf den Namen Gottes werfen, wenn er stahl. Er sagt ausdrücklich mein Gott, was zeigt, dass er in einer persönlichen und lebendigen Beziehung mit Ihm lebt. Deshalb ist ihm der Gedanke unerträglich, dass er sein Bekenntnis dieses Namens durch eine sündige Tat beschmutzen könnte. Deshalb bittet er Gott, ihn nicht verarmen zu lassen. So wie sich sein Denken bei der Gefahr des Reichtums um Gott dreht, so ist das auch im Blick auf die Armut der Fall.

Agur gibt uns das seltene Beispiel eines Menschen, der um seine Schwachheit weiß und sie offen bekennt. Er erklärt, dass er sich selbst nicht traut. Wir sind durchaus in der Lage, ganz allgemein festzustellen, dass dem Menschen nicht zu trauen ist, doch es ist etwas ganz anderes, wenn wir sagen: „Ich traue mir selbst nicht.“ Agur traute sich selbst nicht, sondern vertraute auf Gott.

Wir haben gesehen, wie Agur seine eigene Unkenntnis zugab (Spr 30:2; 3) und sich für die Sicherheit im Leben auf Gottes Wort stützte (Spr 30:5; 6). Weiter haben wir gesehen, dass er Gott bittet, ihn vor allen Fällen von Versuchung zu bewahren (Spr 30:7-9). Er hat über seine Unwissenheit gesprochen, doch er beruft sich auf das Wort Gottes und betet – beides zeugt von großer Weisheit und Kenntnis. Darin ist er viel weiser und hat weitaus mehr Kenntnis, als die Menschen im Allgemeinen. Er erkennt die Gefahr der Armut und er kennt die ernsten Gefahren des Reichtums, auf den ein Mensch so leicht vertraut und wodurch er vergisst, dass er Gott alles zu verdanken hat.

Sein Gebet erinnert an das Gebet des Jabez (1Chr 4:10), allerdings steht es im Gegensatz dazu. Vielleicht müssen wir zugeben, dass wir eher geneigt sind, das Gebet des Jabez zu beten als das des Agur.

Copyright information for GerKingComments