Proverbs 8:30

Weisheit ist eine ewige Person

In den vorherigen Versen haben wir den Ruf der Weisheit gehört. Ihr Ruf ist ohne Ausnahme an alle Menschen ergangen. In den Spr 8:22-31 bezeugt die Weisheit, wer sie ist. Diese Verse sind eine schöne Beschreibung des Herrn Jesus, denn es geht um Ihn. Er ist der ewige Sohn, die Weisheit in Person. Wenn wir die Frage stellen würden, wie lange Gott schon weise ist, lautet die Antwort einfach: Die Weisheit existiert, seitdem Gott existiert, also ewig. Zu keinem Zeitpunkt hätte man sagen können, Gott sei nicht weise gewesen und wäre es erst später geworden. Somit haben wir auch die angemessene, passende Antwort auf die Frage, wie lange der Herr Jesus existiert.

Dies geht schon aus dem Ersten hervor, was die Weisheit über sich sagt. Sie war bei Gott, dem HERRN, bevor irgendeines der Werke Gottes in Erscheinung trat (Spr 8:22). Vor der Gründung der Welt war die Weisheit als eine selbstständige Person bei Gott. Der Evangelist Johannes bestätigt das: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott“ (Joh 1:1). „Das Wort“ ist der Herr Jesus.

Es ist bemerkenswert, dass die Weisheit damit beginnt, über den HERRN, den Gott des Bundes, mit seinem Volk zu sprechen. Sie ist eng mit Ihm verbunden. Wie eng, sagt sie anschließend. Der HERR besaß sie „im Anfang seines Weges“. Eine falsche und irreführende Übersetzung besagt, dass der HERR sie „erschuf“ anstatt „besaß“. Aber Christus, der Sohn, sagt als die Weisheit, dass der HERR Ihn besaß „im Anfang seines Weges, vor seinen Werken, von jeher“ (vgl. Mich 5:1).

Als Gott seinen Weg mit der Welt begann, als Er seine Werke zustandebrachte, tat Er es durch den Sohn, der „von jeher“, also von Ewigkeit her, bei Ihm war. Christus ist der Anfang der Schöpfung Gottes, was bedeutet, dass Er am Anfang aller Werke von Gottes Schöpfung steht, dass Er die Schöpfungswerke begonnen und auch vollendet hat (1Mo 1:1; 31; Joh 1:3; Kol 1:16; 17; Heb 1:2). Aus Ihm ist die ganze Schöpfung entstanden. Er war bei Gott als die Weisheit aller Werke Gottes. Alle Werke Gottes kamen durch seine Weisheit zustande. Die Weisheit selbst ist also nicht erschaffen, sondern ist von Ewigkeit her bei Gott.

Die Weisheit ist von Ewigkeit her gesalbt (Spr 8:23). „Eingesetzt“ heißt wörtlich „durch Salbung eingesetzt“. Salbung hat mit der Bestimmung für einen bestimmten Zweck zu tun. Im Alten Testament wurden Könige und Priester gesalbt, um das zu sein, wozu sie bestimmt waren. Ebenso ist die Weisheit, Christus, von Gott zu einem bestimmten Werk vorherbestimmt. Ähnliches sehen wir in Bezug auf Christi Versöhnungswerk, zu dem Er als Lamm von Gott „zuvor erkannt ist vor Grundlegung der Welt“ (1Pet 1:20). Das Werk, um das es hier im Buch der Sprüche geht, ist das Werk der Schöpfung. Die Weisheit war da „von Anbeginn, vor den Uranfängen der Erde“.

Dass die Weisheit „geboren“ ist – was zweimal gesagt wird, nämlich in den Spr 8:24; 25 –, bedeutet, dass Christus in einem bestimmten Moment begann, als Schöpfer zu handeln. Was in Gott gegenwärtig ist, wird sichtbar – ähnlich wie bei der Geburt eines Kindes. Ein Kind befindet sich bereits vor der Geburt im Mutterleib, wird aber erst bei der Geburt sichtbar. Weisheit beweist ihre Präexistenz, indem sie handelt, wenn es noch nichts gibt: „als die Tiefen noch nicht waren“ und „als noch keine Quellen waren, reich an Wasser“ (Spr 8:24). Dasselbe gilt für „die Berge“ und „die Hügel“ (Spr 8:25), die ebenfalls ihre Entstehung Ihm verdanken, der da war (Ps 90:2).

In diesem gesamten Abschnitt liegt der Schwerpunkt auf der ewigen (Vor-)Existenz Christi. Es ist äußerst wichtig, daran festzuhalten. Alles, was besteht, ist durch Ihn erschaffen und hat somit einen Anfang, während Er keinen Anfang hat. So etwas wie „ewige Materie“ gibt es nicht. Nur der dreieine Gott ist ewig. Der Sohn war da, „als die Erde und die Fluren noch nicht gemacht“ waren (Spr 8:26). Nach dem Wasser und den Höhen in den beiden vorhergehenden Versen scheint es hier eher um die bewohnbaren Teile der Erde zu gehen. „Schollen des Erdkreises“ ist die Bezeichnung für die Bestandteile der Erde, einschließlich der Bodenschätze. Alles hat einen Anfang, und zwar durch Ihn.

Im Anfang war das Wort. Dies bedeutet, dass Er bei allem dabei war, was einen Anfang hat, während Er selbst keinen Anfang hat. Er ist der Anfang von allem (Joh 1:1). Gott ist der große Architekt, der alles durch Weisheit erbaut hat. Er hat alles durch den Sohn erschaffen (1Kor 8:6). Alles ist durch das Wort geworden. Diese Stelle aus Sprüche 8 wird in den ersten Versen von Johannes 1 erklärt (Joh 1:1-3).

Der Sohn ist auch an der Bereitung des Himmels beteiligt (Spr 8:27). Er war kein Zuschauer, sondern der Hersteller (Heb 1:10). Er hat dem Himmel die Form, den Glanz und die Bekleidung – bestehend aus Sonne, Mond und Sternen – gegeben. Der Himmel wurde von Ihm als einen die Fläche der Tiefe überspannenden Kreis gezogen, so wie man einen Kreis mit einem Zirkel zeichnet (vgl. Jes 40:22; Hiob 26:9; 10). Innerhalb dieses Kreises hat Er die Wolken befestigt, so dass sie das Wasser festhalten können, um es zu seiner Zeit und wo Er will auf die Erde zu gießen (Spr 8:28; Hiob 26:8; Hiob 37:11). Auch „die Quellen der Tiefe“ sind stark und können durch die Kraft, die Er ihnen gibt, hervorsprudeln.

Der Ort des Meeres wurde nicht durch Evolution bestimmt, sondern vom Sohn zugewiesen (Spr 8:29). Darüber hinaus hat Er auch befohlen, dass das Meer sich an die von Ihm gesetzte Grenze hält und sie nicht überschreiten wird (Jer 5:22; Hiob 38:10; 11). Er hat die Grundfesten der Erde so festgestellt, dass die Erde unerschütterlich ist (Ps 104:5).

Alle von der Weisheit soeben beschriebenen Schöpfungshandlungen zeugen von der göttlichen Weisheit, die ihnen zugrunde liegt. Das beweist die ewige Existenz der Weisheit vor der Schöpfung. Gott hat sich sein Werk ausgedacht und mit Weisheit ausgeführt, und zwar durch seinen Sohn.

In Spr 8:30 geht es nicht mehr um die Schöpfung, sondern um die Beziehung zwischen dem HERRN, Jahwe, und der Weisheit. Die Weisheit war ewig „bei ihm“. Sie wird von Gott geliebt, weil die Weisheit die Person Christi ist. Er ist das Wort, das am Anfang bei Gott war (Joh 1:1). Im Neuen Testament sehen wir dieselbe Liebesbeziehung in der Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn. Dabei handelt es sich um eine Beziehung ewiger Liebe (Joh 17:5; 24).

Obwohl es in der Ewigkeit keine Zeit gibt, wird es hier dennoch so ausgedrückt, dass sich der Vater „Tag für Tag“ an seinem Sohn erfreute. So lässt Er uns an den Empfindungen seines Herzens für seinen Sohn teilhaben. Zugleich ist das ein Beispiel dafür, dass wir uns jeden Tag mit dem Sohn beschäftigen, Ihn sehen und uns an Ihm erfreuen. Kann es denn für uns noch einen anderen Gegenstand der Liebe und Freude geben als Ihn, der das Herz Gottes erfüllt?

Er ist von Ewigkeit her Gottes „Wonne“, sich „vor ihm … ergötzend allezeit“. Diese Ausdrücke zeigen, wie sehr Gott Ihn liebt und wie Er sich an Ihm erfreut. Niemals gab es eine Zeit, in der dies anders war. Gott blickte ewig mit der größten, tiefsten Liebe und Freude auf Ihn. Die Ursache dafür ist die zwischen beiden Personen bestehende, vollkommene Einheit in Natur, Eigenschaften und Wünschen. Von jeher besteht zwischen Ihnen eine vollkommene Harmonie in Gedanken und Gefühlen. Alles, was Gott ist, sah und sieht Er in seinem Sohn.

Das änderte sich auch nicht, als der Sohn als Schöpfer tätig wurde, denn sein Schöpfungswerk ist die Ausführung des Vorsatzes Gottes. Als Er die Himmel und die Erde schuf, war Er gleichsam mit einem Spiel beschäftigt, das Er mit großer Freude spielte. Das erinnert an die Befriedigung, die Er hatte, als Er alles nach der Schöpfung sah und als „sehr gut“ bezeichnete (1Mo 1:31).

Durch das, was der Sohn geschaffen hat, entsteht ein neues Gebiet, in dem der Sohn selbst seine Freude findet (Spr 8:31). Er, der immer die Freude des Herzens Gottes war und vor dessen Angesicht Er „spielte“, tat dies auch in der Welt der Erde Gottes – ganz so, als hätte Er etwas entdeckt, das Ihn mit Freude erfüllt, nämlich die „Menschenkinder“, die Er „meine Wonne“ nennt.

Er hat Freude an allen seinen Schöpfungswerken, aber Er findet eine besondere Freude am Menschen. Diese zeigt sich am deutlichsten darin, dass Er selbst Mensch geworden ist. Schon als Er die Welt schuf, jubelten die Engel (Hiob 38:6; 7). Aber als der Sohn Mensch wurde, sahen sie Gottes Freude an den Menschen und lobten Ihn neidlos mit den Worten: „Herrlichkeit Gott in der Höhe und Friede auf der Erde, an den Menschen ein Wohlgefallen“ (Lk 2:14).

Gott hat seine Freude an Menschen. Deshalb wurde Christus Mensch. Gott hat kein Wohlgefallen an sündigen Menschen. Er hat Wohlgefallen an diesem einen Menschen, seinem Sohn Jesus Christus, der durch sein Kommen Gottes Wohlgefallen an allen Menschen zum Ausdruck brachte; denn Er kam, um Menschen vor dem ewigen Gericht zu retten. Jeder Mensch, der seine Sünden bekennt und an Christus und sein Erlösungswerk am Kreuz glaubt, wird an Gottes Wohlgefallen teilhaben. Gott freut sich über jeden Menschen, der mit seinem Sohn verbunden ist durch den Glauben an sein Werk.

Die Weltgeschichte ist kein Zufall mit einmaligem, spontanem Auftritt des Sohnes Gottes. Schon am Anfang aller Wege Gottes steht die Weisheit, die Personifizierung des Herrn Jesus. Darin liegt die tiefgründige Absicht mit der Welt und ihrer Geschichte. In Hebräer 1 wird dies in aller Kürze dargestellt (Heb 1:2; 3). Christus ist der Mittelpunkt der Wege Gottes.

Seine Person zu kennen, ist nicht nur die Antwort auf die Fragen unseres Herzens, sondern führt uns in die Welt des Vaters und des Sohnes ein. Das Reden der Weisheit vermittelt uns schon hier einen Eindruck von der Ewigkeit. Wir sind nicht nur Zuschauer des majestätischen und souveränen Handelns der Weisheit, sondern haben durch seine Gnade Anteil an diesem ewigen Plan Gottes. Wir sind in das Haus der Weisheit eingetreten, wie wir in Sprüche 9 sehen.

Diese Weisheit ist es, die jede Handlung Gottes mit der Erde geleitet hat, sei es die Schöpfung oder die Heilsgeschichte. Alle Dinge sind durch Ihn und für Ihn. Diese Herrlichkeit als Mittler steht hier vor uns in der Freude, die Gott an dem Herrn Jesus hat. Und Er ist kein Mittler der Engel, sondern Er freut sich an den Menschenkindern (Heb 2:16).

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