Psalms 102

Text: Psalm 102,1-28 Der 102. Psalm hat eine ausführliche Überschrift: Ein Gebet des Elenden so er betrübt ist, und seine Klage vor dem HErrn ausschüttet. Da der Verfasser nicht genannt, noch sonst zu erkennen gegeben wird, so kann sichs ein jeder Elender desto näher auf sich selbst zueignen, und ein treffliches Muster davon nehmen, was der Glaube unter allerlei Druck und Not für einen Zugang zu GOtt habe, und daraus erkennen, daß viel an GOtt sei, das ein elender zu seinem Trost ergreifen könne. O wie viel Klagen und Seufzer hat GOttes Ohr schon vor sich kommen lassen! Wie bald sind aber wir überdrüssig und unwillig, wenn der Elende seine Klage vor uns ausschütten will? Luther sagt: Es ist ein Betpsalm, darin die lieben alten Väter des Gesetzes, der Sünden und des Sterbens müde, so herzlich sich sehnen und rufen nach dem Reich der Gnade in Christo verheißen, denn außer Christo ist ja nichts, denn ein elend jämmerlich Leben. Aber in Christi Reich ist ewiges Leben, und der Zeit kein Ende. Solch sein Reich komme! Übrigens wechseln Im Psalmen 2) nun miteinander ab: Klage, Gebet und Trost aus GOtt und seinen Werken, daß man also zwei Teile machen könnte. Davon der erste vom 2-23. Vers., der andere Teil aber vom 24-29. Vers ginge, und jeder Klage, Gebet und Trost in sich hielte. Das erste Ausschütten des Herzens im Gebet und Klage mit einem umständlichen aus GOtt und seinen Werken geschöpften Trost,. V.2-23. Nochmalige Klage und Gebet, darunter aber der Elende den Trost von der ewigen Gnade im Reich GOttes ergreift, V.24-29. So empfindlich hier die göttliche Traurigkeit beschrieben wird, so ist doch selbst unter solchem Heulen und Seufzen im tiefsten Grund mehr Zufriedenheit, als unter aller Welt Freude. Denn es ist mehr Übereinstimmung mit dem Willen GOttes, mehr Untertänigkeit unter GOtt dabei, mehr Freude, als bei aller Lustbarkeit, die ein stetes Streiten wider GOtt mit sich führt. Auch als ein einsamer Vogel auf dem Dache ist man doch dem Himmel näher, als einer, der sich in der Welt anbauen und fest setzen will. Doch spürt man freilich, daß man nicht im Himmel ist, sondern zwischen dem Weltleben und dem ewigen Leben einsam im Glauben schweben muß, wie unser sel. Luther über diesen Psalmen sagt. Es wird aber auch an die Welt kommen, daß sie noch mehr als Rohrdommels Heulen erfahren muß. Straußen werden da wohnen, Feld=Geister werden da hüpfen, Eulen in ihren Palästen heulen, Drachen in ihren lustigen Schlössern, das hat schon das alte Babel bei seiner Zerstörung erfahren, und dem jetzt noch stehenden Babel wirds auch nicht besser gehen, wenn sie nach Offenb. 18:2 eine Behausung der Teufel, und eine Behausung aller unreinen Geister, und ein Behältnis aller unreinen und feindseligen Vögel werden wird, wovon die empfindlichen Folgen sich über Alle, die vom Wein ihrer Hurerei getrunken haben, ausbreiten werden. O, wie viel besser ist es hier mit Zion und über Zion zu weinen! Wer hier zeitlich hat geweint, der darf nicht ewig klagen.
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