‏ 1 Samuel 8:4-8

Das Volk will einen König haben

Der Wunsch, einen König zu haben, wird von „allen Ältesten von Israel“ geäußert. Die Führer, die Väter des Volkes, gehen dem Volk voran. Die Weisheit ist nicht immer bei den Alten zu finden, wie Elihu sagt: „Nicht die Bejahrten sind weise, noch verstehen die Alten, was recht ist“ (Hiob 32:9). Es ist ein allgemeiner Wunsch. In dem bösen Handeln der Söhne Samuels hat das Volk eine Entschuldigung gefunden, um einen König zu verlangen. Um ihr Begehren nach einem König zu begründen, missbraucht das Volk den Fehler Samuels in der Beurteilung seiner Söhne. Es ist ein Beweis dafür, dass sie blind für das eigene Versagen sind und für die Tatsache, dass ein König es nicht besser machen wird. In 1Sam 8:7 sagt der HERR, was der wahre Grund ist, und der ist, dass sie Ihn nicht mehr wollen.

Das ist auch der eigentliche Grund für das Einführen allerlei Ämter in der Christenheit. Der religiöse Mensch will sichtbare Herrschaft haben. Die unsichtbare Leitung des Heiligen Geistes erfüllt nicht den Wunsch des Menschen. Der Mensch muss auf einen diplomierten Pastor oder einen Papst mit seinen Mitarbeitern verweisen können. Die Kirche muss von der Wirtschaft lernen. Die Kirche ist zu einem Betrieb geworden, der geführt werden muss. Es gibt ein Produkt, das an den Mann gebracht werden muss.

Dinge müssen für alle Menschen, für Gläubige und Ungläubige, wiedererkennbar sein. Der unsichtbare Gott ist zu weit weg und muss nähergebracht werden, greifbar gemacht werden, wahrnehmbar für die Sinne des Menschen. Man muss Ihn riechen, hören, sehen, erfahren können.

Die Ältesten untermauern ihre Bitte um einen König mit zwei Argumenten. Das erste ist, dass Samuel alt ist und das zweite, dass seine Söhne böse sind. Wenn es echte Argumente wären, hätten sie früher über das Alter von Eli klagen müssen, der viel älter war, und über das Verhalten seiner Söhne, die viel schlechter waren. Wir hören nicht, dass sie sich je darüber beschwert hätten. Darum sind es Scheinargumente. Wenn man etwas gerne möchte, findet man wohl immer einen Anlass.

Es wurde berechnet, dass Samuel hier zwischen sechzig und siebzig Jahre alt gewesen sein muss. Dann ist man zwar im fortgeschrittenen Alter, aber doch nicht richtig alt. Es ist kein einziger Hinweis darauf zu finden, dass er vergesslich wurde oder andere Alterserscheinungen zeigte. Er war noch kräftig. Das wird deutlich, als er später Agag mit dem Schwert in Stücke haut (1Sam 15:33). Es gibt noch einen dritten Grund, warum das Volk einen König will. Der kommt später ans Licht (1Sam 12:12).

Der Wunsch, einen König zu haben, ist in sich nicht verkehrt. Gott möchte seinem Volk einen König geben, sie dürfen selbst danach fragen (5Mo 17:14-20). Aber das Volk möchte einen König nach eigenem Geschmack, um sich mit den Völkern messen zu können. Sie wollen keinen König, der ihnen den Willen Gottes vorstellt und nach seinem Willen regiert. Auch wollen sie nicht auf Gottes Zeit und Gottes Wahl warten. Sie wollen einen König und sie wollen ihn jetzt. Darum ist ihre Frage hier verkehrt und nicht nach Gottes Willen. Es geht nicht allein darum, worum man bittet, sondern mit welchem Ziel und in welcher Gesinnung. Sie wollen etwas Sichtbares, etwas, wovor sie niederfallen können.

Ihr Verlangen entstammt dem, was sie bei den Völkern um sie herum sehen. Sie möchten „gleich allen Nationen“ sein. Die haben einen König, daher wollen sie auch einen König. Dieses Wort muss für den HERRN besonders schmerzhaft gewesen sein, da Er sie doch von allen anderen Völkern abgesondert hat, um sein Volk zu sein, ein Volk, das seine Tugenden verkündigt. Es ist ihr Ruhm, dass sie sich gerade von den anderen Völkern unterscheiden (4Mo 23:9).

Samuel soll auf das Volk hören

Aus der Antwort des HERRN in 1Sam 8:7 könnten wir schließen, dass die persönlichen Gefühle Samuels verletzt sind und dass das Verlangen des Volkes ihm deshalb nicht gefällt. Das ist jedoch nur eine Vermutung. Wenn aber etwas an Verletztheit vorhanden sein sollte, dann lässt sich Samuel in jedem Fall nicht dadurch leiten. Er bringt diese Dinge vor den HERRN. Seine Reaktion ist Gebet. Das sollte die Reaktion auf jede Enttäuschung sein, der man im Leben begegnen kann. Er ist der geistliche Führer und wird zur Seite gesetzt, aber er beklagt sich nicht und klagt das Volk auch nicht an – im Gegensatz zu Elia (Röm 11:2b).

Er fühlt sich auch nicht beleidigt. Ein Mann mit seinem Geist und seiner Gesinnung kann das ertragen. Nie hat er seine eigenen Interessen gesucht. Er hat seine Position auch nicht eingefordert. Es ist die Position, die der HERR ihm gegeben hat. Er ist auch nicht plötzlich als Prophet erschienen, sondern in diese Stellung hineingewachsen. Jeder konnte sein ganzes Leben beobachten. Er hat auch den Tod von Eli und seinen Söhnen nicht dazu benutzt, Führer des Volkes zu werden. Immer hat er auf Gottes Zeit und Gottes Auftrag gewartet. Dass das Volk diesen Mann verwirft, ist dann auch nicht zu entschuldigen.

Der HERR besänftigt die verärgerten Gefühle Samuels, indem Er ihn an die dauernde Undankbarkeit des Volkes Ihm selbst gegenüber erinnert. Gott sagt dann auch zu Samuel, dass das Volk, indem sie einen König wie alle Völker verlangen, in Wirklichkeit Ihn als König verwirft. Gott wird von seinem Volk ein größeres Unrecht angetan, als sie es Samuel antun. Diese Antwort des HERRN ist auch eine Ermutigung für Samuel, falls er sich fragen würde, ob sie ihn verwerfen, weil er auf die eine oder andere Weise versagt hat. Ein geistlich gesinnter Mensch wird in solchen Situationen zuerst sich selbst prüfen.

Samuel soll auf die Stimme des Volkes hören. Er muss ihnen vorstellen, worum sie bitten, auch wenn sie nicht in Übereinstimmung mit Gottes Willen bitten. Sie müssen lernen, was es heißt, einen König nach ihrem eigenen Geschmack zu haben. Erst wenn sie das erfahren haben, gibt Gott ihnen den König nach seinem Herzen. In dem Buch Hosea kommt Gott auf ihre Bitte hier zurück. Da hören wir, dass Er ihnen einen König in seinem Zorn gegeben hat (Hos 13:10; 11).

Auf die Stimme des Volkes zu hören, ist Demokratie. Das finden wir in der Politik und in der Kirche. Es gibt nichts Undeutlicheres und Unbeständigeres als den Willen des Volkes (vgl. Apg 19:32; Lk 23:23). Wenn der Mensch etwas unbedingt will, gibt Gott manchmal, was er fordert (Ps 106:15; Ps 78:26-31). Manchmal enthält uns Gott in seiner Liebe etwas vor und manchmal gibt Er uns etwas in seinem Zorn.

Gott kennzeichnet das Volk durch das fortwährende Verwerfen von Ihm. Samuel macht nun dieselbe Erfahrung. Die Auflehnung des Volkes zeigte sich auch bei mehr als einer Gelegenheit gegenüber Mose und Aaron. Das Verlangen, einen König zu haben, ist der Tiefpunkt von einer jahrzehntelangen Unzufriedenheit mit dem Ort, an den die Gnade sie gebracht hat. In seiner Gnade verbindet Gott Samuel mit sich selbst und lässt ihn an der Schmach teilhaben, die das Volk Ihm immer wieder angetan hat (vgl. Mt 10:24; Joh 15:18; 20). Paulus sehnte sich nach einer solchen Gleichgestaltung mit Christus (Phil 3:10; 11).

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