‏ Acts 1:6

Das Reich und seine Zeugen

Ein Zusammensein mit dem Herrn ist eine schöne Gelegenheit, Fragen zu stellen. Die Jünger machen Gebrauch davon. Sie stellen keine Fragen über den Heiligen Geist, sondern über das Reich. Sie möchten gern wissen, ob Er jetzt das tut, worauf sie immer gewartet haben.

Ihre Frage zeigt, dass sie noch immer an ein irdisches Reich denken, vielleicht gerade deshalb, weil Er auferstanden ist. Mit seiner Auferstehung sind auch ihre alten Erwartungen wieder „auferstanden“. Möglicherweise haben sie an Joel 3:1 gedacht, wo das Kommen des Geistes mit dem Kommen des Reiches verbunden wird. Von der christlichen Form des Reiches, der verborgenen Form, ist hier nicht die Rede.

Ihre Frage ist für den Herrn der Anlass, ihnen zu sagen, was geschehen wird und wie sehr sich die Situation im Vergleich zu der Zeit vor seinen Leiden verändert hat. Das Reich in seiner sichtbaren Form ist bis zu dem Zeitpunkt, den der Vater bestimmt hat, aufgeschoben. Der Herr Jesus hat für sie eine Aufgabe, die zu der neuentstandenen Situation passt. Sie brauchen sich weiter keine Sorgen über den Zeitpunkt der Wiederherstellung des Reiches zu machen. Auch wir brauchen nicht über die Dauer der neuen Zeitspanne zu spekulieren, die mit der Himmelfahrt des Herrn Jesus begonnen hat.

Dem Ausdruck „Zeiten oder Zeitpunkte“ begegnen wir auch in 1. Thessalonicher 5 (1Thes 5:1; vgl. Dan 2:21; Pred 3:1). Da geht es um die Frage, was nach Gottes Plan mit der Erde geschehen wird. Hier geht es um die Frage, wann das Reich aufgerichtet wird. Sowohl mit „Zeiten“ als auch mit „Zeitpunkten“ sind gewisse Zeitabschnitte gemeint. Es sind Synonyme, die einander ergänzen. Es gibt allerdings einen bemerkenswerten Unterschied.

Bei „Zeiten“ geht es um die Zeitspanne, um das, was nach Verlauf einer Zeit geschieht. Im Griechischen wird das Wort chronos gebraucht. Wir finden das Wort in unserem Wort „Chronometer“ wieder; das ist ein Gerät, mit dem früher die Zeit gemessen wurde. So lesen wir in Galater 4, dass Gott seinen Sohn sandte, als die „Fülle der Zeit [chronos]“ gekommen war (Gal 4:4). Das bedeutet, dass der Herr Jesus auf die Erde gekommen ist, nachdem eine gewisse Zeit vergangen war und Gott die Zeit für geeignet erachtete, seinen Sohn zu senden.

Bei „Zeitpunkten“ geht es nicht um die Dauer, sondern um das, was eine bestimmte Zeit kennzeichnet, um den Charakter dieser Zeit. Im Griechischen wird hier das Wort kairos gebraucht. So ist die Rede von einer Zeit, in der der Mensch ohne Gesetz lebte (Röm 5:13). Nach Verlauf einer Zeit gab Gott durch Mose seinem Volk das Gesetz, so dass sie unter Gesetz lebten (Joh 7:19). Die Nationen ließ er „in den Zeiten der Nationen“ (Lk 21:24) ihren eigenen Weg gehen. Die verschiedenen Zeitspannen, die manchmal hintereinander liegen und manchmal gleichzeitig stattfinden, haben alle ihre eigenen Kennzeichen. Jede Zeit hat deutlich gemacht, wer der Mensch ist und dass er völlig darin versagt, Gott zu dienen. Alle diese unterschiedlichen Zeiten münden ein in die „Fülle der Zeiten“ (Mehrzahl von kairos) (Eph 1:10), das ist die Zeit des tausendjährigen Friedensreiches. Diese Zeit wird eine Zeit des Friedens sein, weil dann der Friedefürst regieren wird. Dann werden „die Zeiten [Mehrzahl von kairos] der Erquickung kommen“ (Apg 3:20).

Nachdem der Herr gesagt hat, womit sie sich nicht beschäftigen sollen, sagt Er nun, womit sie sich sehr wohl beschäftigen sollen: Sie sollen nämlich seine Zeugen sein. Bevor Er ihnen jedoch diesen Auftrag gibt, sagt Er ihnen zunächst zu, dass sie dafür die Kraft des Heiligen Geistes empfangen werden. Er hat ihnen das Kommen des Heiligen Geistes bereits in den Apg 1:4; 5 verheißen, doch hier (in Apg 1:8) sagt Er, dass der Heilige Geist sie befähigen wird, ihren Auftrag zu erfüllen. Die Kraft des Heiligen Geistes ist nötig, um ein wirklich christliches Zeugnis geben zu können.

„Zeugen“ ist ein Schlüsselwort in diesem Bibelbuch. Es kommt ungefähr dreißigmal vor. Wir haben nicht alle die Gabe eines Evangelisten, wir können aber alle Zeugen sein. Das Ergebnis ist, dass wir Menschen retten (Spr 14:25).

Der Herr sagt, dass sie mit ihrem Zeugnis in Jerusalem beginnen sollen, der Stadt, wo Er gekreuzigt wurde. Dann wird der Kreis größer und kommen auch Juda und Samaria unter den Einfluss des Wortes Gottes. Schließlich lässt Er das Licht seines Evangeliums bis an das Ende der Erde scheinen (Jes 49:6).

Praktisch bedeutet das für uns, dass wir zuallererst in dem Haus und in der Straße, wo wir wohnen, und an dem Arbeitsplatz, wo wir arbeiten, Zeugnis ablegen sollen (vgl. Lk 8:39). Danach kann der Herr uns dann in einem größeren Kreis als seine Zeugen gebrauchen. Das Licht, das zu Hause am hellsten scheint, scheint auch am weitesten. Mit der Erwähnung des immer größer werdenden Kreises, in dem das Zeugnis für Ihn abgelegt wird, gibt der Herr uns zugleich eine Einteilung der Apostelgeschichte:

1. Das Zeugnis in Jerusalem haben wir in den Kapiteln 1–7.

2. Das Zeugnis in Judäa und Samaria reicht von Kapitel 8,1–9,31.

3. Das Zeugnis bis an die Enden der Erde sehen wir im Rest des Buches, von Kapitel 9,32–28,31.

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