Acts 22:4

Früherer Lebenswandel des Paulus

Paulus redet seine Zuhörer mit „Brüder und Väter“ an. Die Anrede als „Brüder“ drückt seine Verbundenheit mit ihnen aus, während er mit „Väter“ (des Volkes) seinen Respekt zum Ausdruck bringt. Er bittet sie, seiner Verteidigung ihnen gegenüber zuzuhören.

Es war bereits totenstill auf dem Platz, doch es wird noch stiller, als sie hören, wie er sie in ihrer eigenen Sprache anredet. Er kommt ihnen so nahe wie möglich. Die Verteidigung des Paulus besteht aus dem Bericht über seine Bekehrung. Er erzählt hier der jüdischen Volksmenge seine Geschichte. In Kapitel 26 wird er seine Bekehrungsgeschichte ein weiteres Mal erzählen, und zwar vor König Agrippa und seinem Gefolge, also einem Publikum, das aus hochgestellten Menschen besteht. In Kapitel 9 hatten wir die Geschichte ebenfalls schon vor uns, und zwar dort so, wie sie der Heilige Geist Lukas eingegeben hat, damit er sie aufschreibe.

In seiner Verantwortung den Juden gegenüber, will er ihnen zeigen, dass er ein treuer und kein abgefallener Jude ist. Auch macht er klar, dass, wenn er überall Nachfolger für den Messias macht, ohne sie zu verpflichten, das Gesetz zu halten, er das nicht aus eigenen Motiven heraus tut, sondern weil er dazu eine Berufung von oben, aus dem Himmel, erhalten hat. Er hat sie vom Herrn Jesus empfangen. Den Namen des Herrn Jesus nennt er übrigens nur einmal.

Er wiederholt vor dem Volk das, was er auch zu dem Obersten bezüglich seiner Herkunft gesagt hat. Er ist ein jüdischer Mann, also einer von ihnen. Er ist in Tarsus in Zilizien geboren, also in der heutigen Türkei, wo es eine große jüdische Gemeinschaft gab. Stephanus hatte in Jerusalem mit Juden aus Zilizien noch Wortstreit geführt (Apg 6:9), doch diese Männer konnten dem Geist und der Weisheit des Stephanus nicht widerstehen. Hier steht ebenfalls ein Jude aus Zilizien, jedoch ein ganz anderer Jude als der, der seinerzeit dem Tod des Stephanus zustimmte. Wie diese Veränderung zustande gekommen ist, wird er gleich berichten.

Zunächst nimmt er seine Zuhörer noch mit auf seine Lebensreise und betont, wie viel er und seine Zuhörer gemeinsam haben. Er erzählt, dass er von Tarsus nach Jerusalem („diese Stadt“) umgezogen ist, um hier erzogen zu werden. Paulus ist in Tarsus mitten im Heidentum aufgewachsen. In Jerusalem ist er im väterlichen Gesetz unterwiesen worden, dem er sich auch in seinem gesamten Betragen völlig unterwarf.

Er hat zu den Füßen des allgemein geachteten Gamaliel gesessen und hat von ihm Unterricht erhalten. Gamaliel hatte nach der Überlieferung 500 Schüler, unter denen Paulus besonders herausragte (Gal 1:13; 14). Alle Traditionen, die mit dem Gesetz zusammenhängen, hat er in sich aufgenommen; sie haben ihn geformt. Alles was er lernte, setzte er mit unnachahmlichem Eifer in die Praxis um, so wie sie das noch immer tun. Was ihn selbst betrifft, so spricht er in der Vergangenheitsform, und was sie betrifft, in der Gegenwartsform.

Sein früherer Lebenswandel entspricht völlig ihren Vorstellungen. Er macht ihnen das Kompliment, dass sie Eiferer für Gott sind. Im Brief an die Römer sagt er dazu, dass es ein Eifer ohne Erkenntnis ist (Röm 10:2). Er legt dar, wie er in blindem Eifer für die Anwendung des väterlichen Gesetzes gegen alles in den Kampf zog, was die Bedeutung des Gesetzes beiseiteschob. Darum mussten die Christen es büßen.

Dieser neue „Weg“, diese neue Strömung oder Sekte oder Richtung im Judentum, wie das Christentum in der Anfangszeit noch gesehen wurde, war in seinen Augen eine enorme Bedrohung für die Religion der Väter. Jeder, der sich für diesen Weg entschied, verdiente es, getötet zu werden. Dazu lieferte er solche, die zu diesem Weg gehörten, ohne einen Unterschied zu machen zwischen Männern und Frauen, den Fesseln und Gefängnissen aus.

In seiner Leidenschaft reiste er dafür sogar nach Damaskus, um auch von dort Jünger gebunden nach Jerusalem zu bringen. Wenn er sie einmal hatte, tat er alles, damit sie ihm nicht mehr entkamen. Deswegen fesselte er sie und brachte sie gebunden nach Jerusalem. Die Zeugnisse betreffs der Wahrheit dieser Handlungen konnten beim Hohenpriester und dem ganzen Rat der Ältesten eingeholt werden. Sie wissen davon, denn sie haben ihn mit Briefen versehen, damit er seine „Arbeit“ tun konnte.

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