Hosea 1:1

Einleitung

Vorwort

Die sogenannten „kleinen Propheten“, von denen Hosea der Erste ist, gehören für die meisten Bibelleser nicht zu den Lieblingsbüchern der Bibel. Auch für mich haben sie lange Zeit den Platz eingenommen, den sie im Alten Testament in der Bibel haben: am Ende. Die Tatsache, dass sie sich am Ende des Alten Testamentes befinden, hat nichts mit ihrer Bedeutung im Verhältnis zu den ihnen vorausgehenden Büchern zu tun. Sie haben ihren Platz am Ende erhalten, weil sie historisch gesehen dorthin gehören. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die letzten Ereignisse in und um Israel, bevor der Vorhang für dieses Volk fiel und auf die Zeit danach.

Die Tatsache, dass sie bei meinem Bibelstudium zu Schluss kamen, hat damit zu tun, dass ich nicht so recht wusste, wie ich sie lesen sollte und welchen Nutzen ich aus ihnen ziehen konnte. Als ich gebeten wurde, Vorträge über Hosea zu halten, musste ich nicht lange überlegen. Es gab mir die Gelegenheit, dieses Buch von dem Platz am Ende zu nehmen und es bei meinem Studium der Heiligen Schrift vornan zu stellen.

Was ich über Hosea entdeckt habe und was ich durch die Vorträge mitteilen konnte, habe ich in diesem Kommentar ausgearbeitet, um es mit dem Leser teilen zu können. Ich hoffe und bete, dass der Leser genauso viel Segen beim Studieren dieses Buches erhält wie ich. Möge die Auswirkung davon in unserem Leben unter der kraftvollen Wirkung des Geistes Gottes zur Ehre des Herrn Jesus sichtbar werden.

Ger de Koning

Middelburg, 1e niederländische Fassung Oktober 2001 / Endfassung deutsche Übersetzung November 2022

Die kleinen Propheten

Die zwölf Bibelbücher, die als „die kleinen Propheten“ bezeichnet werden, sind vielleicht die am wenigsten gelesenen Bibelbücher und damit auch die am wenigsten bekannten unter den Christen. Aber auch diese „kleinen Propheten“ gehören zu den inspirierten Schriften, von denen wir lesen: „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in [der] Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2Tim 3:16; 17). Für die Propheten und damit auch für die „kleinen Propheten“ gilt folgendes Wort besonders: „Indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung [der] Schrift von eigener Auslegung ist“ (2Pet 1:20). Das bedeutet, dass wir alle Propheten und alle Bibelbücher brauchen, um Schrift mit Schrift vergleichen zu können.

Sie werden wegen des kurzen Inhalts ihrer Schriften, wenn man sie mit Propheten wie Jesaja und Jeremia vergleicht, „die kleinen Propheten“ genannt. Diese Propheten können als „große Propheten“ bezeichnet werden, weil ihre Bücher viel umfangreicher sind. Aber für die Autorität, mit der ihre Worte bekleidet sind, macht das keinen Unterschied. Sowohl für das, was wir von Jesaja und Jeremia haben, als auch für das, was wir von Hosea, Joel, Amos, Obadja und den folgenden acht „kleinen“ Propheten in der Bibel haben, gilt, dass der Inhalt mit der gleichen göttlichen Autorität bekleidet ist. Deshalb ist es gut und notwendig, dass die Christen auch auf die Botschaft dieser zwölf „kleinen Propheten“ hören, die von einigen als Ganzes gesehen und dann als „Das Buch der Zwölf Propheten“ bezeichnet werden.

Es ist nicht klar, warum die zwölf kleinen Propheten so angeordnet sind, wie wir sie in der Bibel haben. Sie sind nicht chronologisch geordnet. Wir können jedoch eine globale Einteilung nach den Perioden vornehmen, in denen sie prophezeit haben. Die Propheten Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha und Nahum prophezeien in der Zeit des Assyrischen Weltreiches. Habakuk und Zephanja prophezeien in der Zeit des Aufstiegs Babylons als Weltmacht. Die dritte Periode ist die nach der babylonischen Gefangenschaft. In dieser Zeit prophezeien die Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi.

Hosea hat eine aktuelle Botschaft

Was Gott durch diese zwölf Propheten zu seinem irdischen Volk zu sagen hat, spricht mit ebenso deutlicher Sprache zu dem himmlischen Volk Gottes in der heutigen Zeit. Die Frage ist allerdings, ob wir noch geöffnete Ohren haben für das, was Gott uns zu sagen hat. Wir werden sehen, wie aktuell die Botschaft von Hosea für den heutigen Christen ist. Ein Christ ist jeder, der behauptet, ein Christ zu sein, jeder, der sich selbst zu Gottes Volk rechnet. So wie Hosea das irdische Volk Gottes seinerzeit direkt anspricht, können wir die Worte Hoseas in einem übertragenen Sinn auf uns wirken lassen. Wir werden die Antwort auf die Frage finden: Was ist seine Botschaft für das Volk Gottes in dieser Zeit?

Die Person Hosea

Bevor wir auf „das Wort des HERRN, das an Hosea, den Sohn Beeris, erging“ (Hos 1:1) hören, ist es gut, zuerst einige Dinge über seine Person zu sagen, über Hosea als Propheten und über die Situation, in der sich Israel während seiner Verkündigung befindet. Vor diesem Hintergrund werden viele seiner Aussprüche für uns deutlicher werden.

Der Name Hosea bedeutet „Erlöser“, „Befreier“. Dieser Name bringt sofort zum Ausdruck, was Gottes Absicht mit der Verkündigung dieses Propheten ist. Er will sein Volk von der Macht der Sünde befreien. Sein Name erinnert an den Namen „Jesus“. Zu Josef wird gesagt, dass er dem Sohn, den Maria zur Welt bringen wird, den Namen „Jesus“ geben muss, mit der Erklärung: „Denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden“ (Mt 1:21). Mit diesem Ziel ist der Herr Jesus auf die Erde gekommen. Wenn Gott jemanden sendet, zum Menschen im Allgemeinen oder zu seinem Volk im Besonderen, tut Er das immer mit Blick auf das Wohlergehen des Menschen und seines Volkes.

Was wir außerdem noch über Hosea wissen, ist, dass er der „Sohn Beeris“ ist (Hos 1:1). Der Name Beeri bedeutet „meine Quelle“. Sagt das nicht etwas über die Quelle aus, mit der Hosea verbunden ist? Er bezieht die Kraft für seinen Dienst nicht aus seiner eigenen Kraft, sondern aus Gott. Gott ist seine Quelle, von Ihm bekommt er das, was er braucht, um das zu tun, was ihm gesagt wird. Zudem wäre er mit weniger nie in der Lage gewesen, seinen Dienst zu verrichten. Darüber hinaus ist nicht viel über die Person Hoseas bekannt.

Ein Prophet weist auf die Sünde hin

Für einen Propheten ist es auch nicht so wichtig, wer er ist, sondern welche Botschaft er bringt. Seine Person muss sich gleichsam hinter seiner Botschaft verbergen. Propheten sind beim Volk im Allgemeinen nicht so sehr beliebt. Das liegt daran, dass sie normalerweise auf der Bildfläche erscheinen, wenn etwas mit dem Volk Gottes nicht in Ordnung ist. Darauf sprechen sie das Volk dann an. Leider zeigt sich, dass das Volk als Ganzes nicht offen ist für die Stimme und das Herz Gottes, wie es durch den Propheten zum Ausdruck gebracht wird.

Gott, der will, dass das Volk seine Sünde bekennt und zu Ihm zurückkehrt, wird abgelehnt. Das zeigt sich deutlich am Schicksal, das viele Propheten erlitten haben. Der Herr Jesus sagt in seiner Wehklage über Jerusalem: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt!“ (Mt 23:37).

Das Volk ist blind für die Tatsache, dass Gott in seiner Liebe Propheten zu ihnen schickt. Er tut dies, weil das Leben in der Sünde, mit dem Rücken zu Gott gekehrt, einen Menschen nie glücklich macht. Wenn das Volk Gottes sich durch Götzendienst und andere Sünden schuldig macht, sprechen die Propheten im Namen Gottes zu dem Herz und dem Gewissen des Volkes. Sie warnen vor dem kommenden Gericht, das Gott bringen muss.

Deshalb wird ein Prophet oft als Unruhestifter angesehen, als ein pessimistischer Schwarzseher, der Ärger verursacht. So nennt Ahab den Propheten Elia jemanden, „der Israel in Trübsal bringt“ (1Kön 18:17). Ahabs böses Verhalten hat Gottes Gericht über Israel gebracht, aber er gibt Elia die Schuld dafür. Wir neigen auch manchmal dazu, die Schuld für das Unglück, das uns trifft, auf andere abzuwälzen; vor allem auf diejenigen, die uns auf unser sündhaftes Verhalten hinweisen.

Ein Prophet weist auch auf Segen hin

Aber Propheten sprechen nicht nur über Gericht. Das Gericht ist in der Regel für die Masse des Volkes, die sich weigert, Buße zu tun. Die Propheten sprechen auch über Segen für jeden Einzelnen, der auf das Wort Gottes hört. Diese Verheißung von Segen ist eine Ermutigung für alle, die inmitten einer untreuen Masse Gott treu bleiben und nach seinem Willen leben wollen, den Er in seinem Wort kundtut.

Es gibt einen Unterschied zwischen einem Propheten wie Hosea und Propheten wie Elia und Elisa. Es gibt kein Buch von Elia und Elisa in der Bibel, von Hosea wohl. Die Weissagungen von Elia und Elisa beziehen sich auf die Situation ihrer Zeit und sie verkünden im Hinblick darauf Gericht und Segen. Ihre Prophezeiungen haben keine Erfüllung in ferner Zukunft. Sie haben nicht im Hinblick auf die Wiederherstellung Israels im Zusammenhang mit der Ankunft des Messias prophezeit. Bei den Propheten, von denen wir ein Buch in der Bibel haben, ist hingegen genau das der Fall.

Die „schreibenden“ Propheten weisen immer auf die Person Christi und die Errichtung seines Reiches hin. Dieses Königreich, das als Tausendjähriges Friedensreich bezeichnet wird, ist immer noch zukünftig. Bei Hosea werden wir mehrere Hinweise auf diese Zeit und dieses Reich finden.

Die Zeit, in der Hosea lebt

Die Zeit, in der Hosea lebt, ist keine Zeit der Armut und Hungersnot, sondern eine Zeit großen Wohlstands und Überflusses. Das macht seine Weissagung nicht einfacher. Versuchen wir mal über Gericht zu predigen, wenn es den Menschen gut geht. Wenn sie zudem noch in die Kirche gehen, bestätigt ihr Gefühl zusätzlich, dass sie doch noch sehr treue und gesegnete Menschen sind. Sie folgern: „Wenn wir böse und sündhaft leben würden, würde es uns bestimmt nicht so gut gehen.“

Zu der Zeit, als Hosea prophezeite, gab es keine Hinweise darauf, dass ein Gericht unmittelbar bevorsteht. Jerobeam II. – als Unterscheidung zu Jerobeam I., dem ersten König des Zehnstämmereichs nach der Teilung Israels in zwei und zehn Stämme (1Kön 12:20) – regiert von 793 bis 753 v. Chr. Gott hat Jerobeam an die Macht gebracht, weil Er Mitleid mit dem Elend hat, in dem sich das Volk zu seiner Zeit befindet (2Kön 14:25-27).

Bevor Jerobeam König wird, ist die Situation in Israel kritisch. Das Volk wird von den Syrern zur Zeit seines Großvaters Joahas (2Kön 13:7) an den Rand des Abgrundes gebracht. Es gibt nur noch einen schwachen Schimmer der früheren Macht und Herrlichkeit Israels. Unter Joas, dem Vater von Jerobeam, rappelt sich Israel wieder etwas auf (2Kön 13:25). Unter Jerobeam setzt sich diese Wiederherstellung fort und er bringt das Land zu großem Wohlstand.

Zeiten des Wohlstands

In dieser Blütezeit – man könnte es ein goldenes Zeitalter nennen – weissagt Hosea. Jerobeam befindet sich dann im zweiten Abschnitt seiner Regierung. Damals genossen die Menschen alle Annehmlichkeiten und das Vergnügen, das der Wohlstand mit sich bringt, ohne dass sie selbst dafür kämpfen mussten. Sie wissen nur aus Erzählungen, dass es Kämpfe und Niederlagen gab, Zeiten, in denen Israel unterdrückt wurde. Was sie selbst an Überfluss und Wohlstand genießen, ist ihnen in den Schoß gefallen.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Wohlstand sehr selten zu einem Verhalten führt, das Gott gefällt. Vielmehr besteht die Tendenz, Gott zu vergessen, vor allem, wenn man sich nicht um diesen Wohlstand bemühen musste. Dieses Phänomen wurde als „die Krankheit des dritten Geschlechts“ bezeichnet. Diese „Krankheit“ entsteht so: Die erste Generation erwirbt, die zweite Generation erbt, die dritte Generation verdirbt.

Die erste Generation hat sich bemüht, Wohlstand zu erlangen. Die zweite Generation hat diesen Wohlstand ohne großen Aufwand geerbt. Dieser Wohlstand wird immer noch geschätzt, denn diese Generation erkennt die Anstrengungen an, die es gekostet hat, und ist (meist) dankbar dafür. Die dritte Generation hat jedoch keinerlei Verbindung zum Erwerb von Wohlstand, und es bedeutet ihr auch nichts, sie schätzt nicht, was sie besitzt.

Segen erhalten oder darum kämpfen

Das kann buchstäblich auf die Zeit angewendet werden, in der wir leben. Ich schreibe dies zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Meine Eltern erlebten den Zweiten Weltkrieg mit (1939-1945). Nach dem Krieg mussten sie hart für den Wiederaufbau der Niederlande arbeiten. Das hat eine Menge Mühe gekostet. Ich hörte ihre Geschichten über Unterdrückung und Armut, aber ich nahm nicht daran teil. Ich bin kurz nach dem Krieg geboren und in der Zeit aufgewachsen, als es wieder genug zu kaufen gab und auch die Mittel zum Kauf vorhanden waren. Trotzdem musste man zuerst noch gut aufpassen. Man konnte nicht alles kaufen, was man gerne gehabt hätte.

Unsere Kinder, geboren in den 70er Jahren und später, sind jedoch in Reichtum und Wohlstand aufgewachsen. Sie sind zunehmend von Luxus umgeben und von Dingen, die das Leben angenehm und einfach machen. Es wird ihnen in den Schoß gelegt. Aber sieht die Welt jetzt besser aus? Sind die jungen Menschen von heute glücklicher? Gibt es ein Fragen nach Gott? Immer mehr junge Menschen sind in einer Gesellschaft gefangen, die nur so weit auf sie achtet, solange sie sich an diesen jungen Menschen bereichern kann.

Was im gesellschaftlichen Bereich gilt, kann auch auf den geistlichen Bereich angewandt werden. Es gibt Christen, die sich reich in ihrem Wissen über geistliche Segnungen fühlen. Sie haben viel über den Herrn Jesus gehört, es wird zu Hause in der Bibel gelesen, sie besuchen Gemeinden, wo über Ihn gesprochen wird. Und doch hat all dies keine Auswirkung auf ihr Leben. Im Gegenteil, es scheint, dass ihr Wissen um diese geistlichen Segnungen sie nachlässig und gleichgültig macht. Schließlich wissen sie immer, wie alles läuft. Aber eine wirkliche Beziehung zu Gott und ein Leben, in dem sich Dankbarkeit in Verbindung mit Gottesfurcht zeigt, gibt es nicht.

Trotz des äußeren Wohlstandes enthüllt Gott durch Hosea den wahren Zustand seines irdischen Volkes. Durch diesen Propheten will Er auch den wahren Zustand seines „geistlichen“ Volkes in der heutigen Zeit enthüllen.

Dauer der Predigt

Wie bereits gesagt wurde, ist die Aufgabe von Hosea nicht einfach. Er bekommt deutlichen Gegenwind. Zusammen mit Amos und Micha hat er den vollständigen Verfall Israels, der zehn Stämme, angeprangert und das Gericht über das ganze Volk angekündigt. Amos wurde während des ersten Teils der Herrschaft von Jerobeam II. von Gott als Prophet zu den zehn Stämmen gesandt. Er ist der Vorläufer von Hosea. Aber auf Amos wurde nicht gehört. Jetzt ist Hosea an der Reihe.

Die Tatsache, dass die Predigt von Amos kaum zu Ergebnissen geführt hat, macht die Aufgabe von Hosea auch nicht einfacher. Dennoch geht er mutig an die Arbeit und prophezeit gegen das Böse seiner Zeit. Durch Hosea sendet Gott eine der letzten Warnungen an sein Volk. Deshalb spricht Hosea so nachdrücklich die Schwere der Sünde des Volkes an und verkündet das Gericht, das ganz sicher kommen wird, wenn sie nicht gehorchen. Wenn das Volk nicht auf seinen Aufruf hört, wird es mit ihnen als Nation zu Ende sein.

Der Zeitraum des Auftretens von Hosea beträgt mehr als 50 Jahre. Die ganze Zeit über war er Zeuge des Widerstands Israels gegen Gott. Er liebt sein Volk und deshalb bricht ihm ihr Zustand das Herz. An der langen Zeit, in der Hosea prophezeit, sehen wir, wie langmütig Gott ist. Er gibt seinem Volk durch Hosea eine letzte Chance, zu Ihm umzukehren. Vielleicht hat Hosea die Wegführung der zehn Stämme unter der Regierung von Israels letztem König, seinem Namensvetter Hosea, noch erlebt. Diese Wegführung findet im Jahr 722 v. Chr. statt. Er war bis zuletzt damit beschäftigt, das Volk davor zu warnen.

Wie Hosea predigt

In den vierzehn Kapiteln seines Bibelbuchs ermahnt Hosea das Volk und warnt und bestraft es, weil es von dem HERRN abgewichen ist. Er spricht zu dem Volk in Beispielen und einer kraftvollen und deutlichen Sprache. Er tut das nicht von oben herab, sondern als jemand, der zu diesem Volk gehört. Seine Aussagen berühren ihn selbst, sie gehen durch ihn hindurch wie ein Schwert. Daher der Schmerz seines Herzens, der immer wieder durch seine Prophezeiung hindurch gehört werden kann, besonders in Hosea 4–10.

Sein Stil ist außergewöhnlich kraftvoll und voller abrupter Übergänge. Er geht von Drohungen zu Versprechungen über, von einem kurzen Segenswort zu einer Szene des Blutvergießens, von erwiesenen Gütigkeiten in der Vergangenheit zu zukünftigen Wehen, die plötzlich über Ephraim kommen werden. Er spricht so, weil das Gericht vor der Tür steht.

Er hat es eilig, alles zu sagen, was zur Reue des Volkes beitragen kann. Manchmal wechselt er sein Thema so schnell und abrupt, dass es in diesen Fällen besser ist, von Aussprüchen zu sprechen als von Reden. Neben dem Gericht zeigt er aber auch immer wieder, wie Gott schließlich in Gnade mit dem Volk handeln und sie eines Tages zu ihrer Bestimmung führen wird.

Das Gebiet, in dem Hosea prophezeit

Das Gebiet, in dem Hosea predigt, ist das Zehnstämmereich. Es scheint, dass er selbst auch zum Zehnstämmereich gehört, denn er spricht von „unserem König“ (Hos 7:5) und zeigt damit an, dass er mit dem Volk, das er anspricht, eins ist. Hosea spricht zu Israel und Ephraim. Ephraim ist der bedeutendste Stamm des Zehnstämmereiches. Er spielt die Hauptrolle in der Untreue des Volkes. Gelegentlich spricht Hosea auch über Juda (Hos 4:15; Hos 5:5), aber kaum zu Juda. Hosea spricht zu Israel (oder Ephraim). Die Namen Israel und Ephraim werden fast 80-mal erwähnt, die von Juda nur 15-mal.

Die Einteilung des Buches

Die Einteilung des Buches ist recht einfach. Es gibt drei Teile:

1. Hosea 1–3. Hierin finden wir, wie sich Israel verhält und was Gott deshalb mit diesem Volk tun muss. Wir finden hier aber auch die Ratschlüsse Gottes bezüglich Israels und seiner Wege mit ihnen, wie Er seinen Plan der Liebe und Güte mit ihnen erfüllen wird, trotz der Haltung des Volkes. Jedes dieser Kapitel endet deshalb auch mit dem Segen, den Gott für das Volk letztendlich hat.

2. Hosea 4–13. Hier finden wir die Ermahnungen, die der Prophet im Namen des HERRN an das Volk richtet.

3. Hosea 14. Hier hören wir den Aufruf des Propheten an das Volk, Buße zu tun und wie das Volk ihm letztendlich gehorchen wird. Diese Bekehrung wird in den letzten Tagen, das ist die Endzeit, stattfinden. Das Resultat der Buße wird beschrieben.

Was das Buch Hosea mit uns machen soll

Bevor wir auf „das Wort des HERRN, das an Hosea, den Sohn Beeris, erging“ (Hos 1:1) hören, noch eine weitere Anmerkung. Wir können großen Nutzen aus dem ziehen, was Gott uns durch den Dienst Hoseas zu sagen hat, wenn wir beim Studieren dieses Buches mit erfasst werden von der intensiven Angst und den starken Gefühlen, die das Herz dieses Mannes Gottes erfüllen aufgrund

1. der Liebe zu seinem Volk und

2. des Schmerzes, von dem er weiß, dass dieser Schmerz Gott selbst durch ihre Untreue zugefügt wird.

Wenn das Wort Gottes so durch uns hindurchdringen und von uns Besitz ergreifen kann, dann werden wir Gottes Gefühle teilen können über die Dinge um uns herum, in der Welt im Allgemeinen, und insbesondere über das, was in der Christenheit geschieht. Diese Haltung gibt dem Heiligen Geist reichlich Gelegenheit, sein prägendes Werk in uns zu vollbringen. Die Auswirkung davon wird in unserem Leben zum Segen für unsere Umgebung und vor allem zur Freude und Ehre Gottes sein.

Einleitung

Hosea bekommt von Gott den Auftrag, eine Frau zu heiraten, die ihm untreu sein wird. Dadurch lernt er Gottes Gefühle mit Blick auf Israel kennen, das Ihm gegenüber untreu geworden ist. Gott kann Israel nicht mehr als sein Volk anerkennen. Dies kommt in den Namen zum Ausdruck, die Hosea seinen Kindern geben muss:

1. „Jisreel“ (Hos 1:4) bedeutet „Gott zerstreut“,

2. „Lo-Ruchama“ (Hos 1:6) bedeutet „Nicht-Begnadigte“ und

3. „Lo-Ammi“ (Hos 1:9) bedeutet „Nicht-mein-Volk“.

Hosea 1 kann wie folgt unterteilt werden:

1. Einleitung (Hos 1:1).

2. Das Volk verlässt Gott und wird dafür gerichtet (Hos 1:2-5).

3. Gott bricht die Beziehungen zu seinem Volk ab und hört auf, sich ihrer anzunehmen (Hos 1:6-9).

Das Wort des HERRN ergeht an Hosea

Der Prophet bringt nicht sein eigenes Wort, sondern das des HERRN. Es steht nicht geschrieben „die Worte (Plural) des HERRN“, sondern „das Wort des HERRN“. Das zeigt, dass alle Worte Gottes eine innere Einheit bilden. Jedes einzelne Wort im „Wort des HERRN“ bildet mit allen anderen gesprochenen Worten ein vollkommenes Ganzes.

Die Zeit, in der dieses Wort zu Hosea kommt, wird hauptsächlich anhand der Könige von Juda angedeutet. Vom Zehnstämmereich, in dem er doch auch prophezeit, erwähnt er nur Jerobeam, wogegen er nach Jerobeam noch sechs Könige erlebte. Allgemein wird angenommen, dass er mit der Nennung der Könige von Juda anerkennt, dass die Könige der Familie Davids nach der Wahl Gottes Anspruch auf den Thron Israels haben. Gott hat David versprochen, dass seine Nachkommen fortwährend regieren werden (2Sam 7:12; 13). Die Könige Israels, das Zehnstämmereich, sind keine Nachkommen Davids und können daher auf diese Verheißung keinen Anspruch erheben.

Von dem Zehnstämmereich nennt Hosea nur Jerobeam, weil er der letzte König Israels ist, durch den Gott handelt und Hilfe gegen den Feind verschafft. Er wird durch den HERRN gebraucht, um sein Volk zu erlösen (2Kön 14:27). Nach Jerobeam gibt es nur noch Unordnung, Totschlag und Anarchie (Hos 8:4). Deshalb erwähnt Hosea keinen der sechs Nachfolger Jerobeams, nämlich Sekarja, Sallum, Menachem, Pekachja, Pekach und Hosea. Es ist, als ob er sich dafür schämt. Er würde ihnen durch das Nennen ihrer Namen auch zu viel Ehre geben.

Jerobeam ist die dritte Generation nach Jehu, um den es in Hos 1:4 geht. Jehu wurde versprochen, dass er bis zur vierten Generation jemanden auf dem Thron haben wird. Der Vierte wird Jerobeams Sohn Sekarja sein. Jerobeam regiert lange: einundvierzig Jahre (2Kön 14:23). Sein Sohn Sekarja regierte für sehr kurze Zeit, nur sechs Monate (2Kön 15:8). Nach der kurzen Herrschaft Sekarjas folgt ein König dem anderen in rasantem Tempo, oft durch Mord. Durch die lange Herrschaft von Jerobeam zeigt Gott, dass Er Geduld mit dem Haus Jehus hat.

Während des Dienstes des Propheten Hosea werden vier Könige ermordet. Diese Zeit ist von großer politischer Instabilität geprägt. Auch gibt es diverse politische Gruppierungen. Die eine Gruppierung sucht ihr Heil bei dem nördlichen Nachbarn Assyrien, die andere Gruppierung befürwortet ein Bündnis mit dem südlich gelegenen Ägypten. Doch wo sind die Menschen, die ihr Vertrauen auf Gott richten?

Heute wird in der Christenheit auch mehr von kirchlichen Allianzen, erwartet sowie von Vereinbarungen und Verträgen nach dem Vorbild der Weltpolitik, als von einer Rückkehr zum Herrn und seinem Wort. Und wie steht es mit dem Vertrauen auf Gott im persönlichen Leben der Christen? Ist es nicht oft so, dass wir uns statt auf die Hilfe Gottes mehr auf Versicherungen verlassen, die wir abgeschlossen haben, auf soziale Hilfen, die wir als erworbene Rechte betrachten oder auf einflussreiche Menschen, die ein gutes Wort für uns einlegen können? Nehmen wir uns einmal kritisch unter die Lupe. Wenn wir tatsächlich entdecken, dass wir uns mehr auf andere Menschen und sonstige Hilfen stützen als auf Gott, dann sollten wir das als Sünde vor Gott erkennen und mit seiner Hilfe einen Neuanfang machen.

Dass in Hos 1:1 Juda und Israel als getrennte Reiche erwähnt werden, erinnert uns an die traurige Trennung, die im Volk Gottes geschehen ist. Durch die Untreue Salomos musste Gott dieses Gericht bringen (1Kön 11:11; 1Kön 12:16-19).

Die große Zerrissenheit in der Christenheit ist auch das Ergebnis fortwährender Untreue der Christen. Sehr früh schon in der Geschichte der christlichen Kirche sind die Christen in Gruppen auseinandergefallen. Der Hauptgrund dafür liegt in der Entstehung einer speziellen Klasse von Gläubigen, die für sich in Anspruch nimmt, den „einfachen“ Gläubigen das Wort Gottes auslegen zu können. Dadurch hat diese Sonderklasse eine herrschende Position in der Kirche erhalten. Der Unterschied zwischen „Geistlichen“ und „Laien“ war geboren.

Es konnte nicht ausbleiben, dass auch unter denjenigen, die die herrschende Klasse, den Klerus, bildeten, Unterschiede auftraten. Infolgedessen zerfiel das Ganze in unterschiedliche Gruppierungen und Parteiungen. Paulus weist die Korinther auf dieses Übel hin, wenn er das Denken in verschiedenen Gruppen als „menschliches Denken und Handeln“ bezeichnet (vgl. 1Kor 1:11; 12; 1Kor 3:4). Die Ergebnisse dieser Zerrissenheit zeigen sich in der Christenheit bis heute um uns herum.

Gott hält den Weg offen, um nach seinen Gedanken als sein Volk zu leben. Wo immer man Demut über den Zustand unter dem Volk Gottes findet und wo man nach seinem Willen fragt, wird Er diesen Weg zeigen. Sein Wort ist es immer noch wert, dass man ihm ohne Abstriche gehorcht. Wer sich von diesem Wort unterweisen lässt, darf die Gedanken Gottes hinsichtlich seiner Gemeinde auf der Erde in die Tat umsetzen, auch wenn es in großer Schwachheit geschieht.

Gott will die Botschaft Hoseas auch heute noch benutzen, um Christen wachzurütteln, damit sie aufs Neue und ausschließlich auf Gott und sein Wort vertrauen. Paulus hat die Tage, in denen wir leben, in seiner Abschiedsrede an die Ältesten der Gemeinde in Ephesus sehr scharf gezeichnet. Er weist sie und uns auf die einzige Stütze hin, die für die Gemeinde gültig bleibt: „Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das vermag, aufzuerbauen und das Erbe zu geben unter allen Geheiligten“ (Apg 20:32).

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