Isaiah 52:13

Erhaben und erhöht

Hier beginnt ein ganz neuer Abschnitt. Die Einteilung in Kapitel ist hier nicht glücklich. Jesaja 53 sollte mit Jes 52:13 dieses Kapitels beginnen. Die letzten drei Verse von Jesaja 52 und der gesamte Abschnitt von Jesaja 53 enthalten ein Hauptthema: den leidenden, verworfenen, versöhnenden und erhöhten Knecht des HERRN. Dieser ganze Abschnitt formt das Herzstück des zweiten Hauptteils des Buches Jesaja. Er steht genau in der Mitte dieses Hauptteils.

Wir können sagen, dass wir in diesem Abschnitt gewissermaßen in das Allerheiligste eintreten. Umso notwendiger ist es, sich diesem Abschnitt mit großer Ehrfurcht und Hochachtung betend zu nähern und ihn uns zu Herzen zu nehmen (vgl. 2Mo 3:5; Jos 5:15). Im Herzen dieses Abschnitts legt der HERR sein Herz offen. Und wer sonst ist das Herz Gottes als der Herr Jesus, der immer im Schoß des Vaters war und ist? Der Herr Jesus kam, um sich sündigen Menschen Gott in seiner Gnade zu offenbaren (Joh 1:18). In diesem Abschnitt geht es um Christus und sein Werk und dessen herrliche Folgen, sowohl für Gott als auch für uns.

Außerdem ist dies das vierte und letzte Lied oder die letzte Prophezeiung über den Knecht des HERRN. In den vorangegangenen drei Liedern bzw. Prophezeiungen haben wir gesehen, dass der Knecht der Auserwählte Gottes ist (Jes 42:1-9), der durch Israel Verworfene (Jes 49:1-13) und der abhängige und gehorsame Knecht (Jes 50:1-11). Nun aber wird die „Decke“ von Israels Angesicht weggenommen (2Kor 3:16) und der Arm des HERRN wird offenbart.

Der auserwählte und verworfene Knecht, gehorsam bis zum Tod am Kreuz, erweist sich als das Schuldopfer für Israel! Er stirbt als stellvertretendes Opfer für Israel. Sein Blut ist das Blut des neuen Bundes. Was Israel durch die Verwerfung Christi zum Bösen beabsichtigt hatte, das hat der HERR zum Guten gewendet. Der Knecht erweist sich als von Gott gesandt, „um ein großes Volk am Leben zu erhalten“ (1Mo 50:20).

Josephs Brüder erkannten nicht, dass der mächtige Vizekönig von Ägypten und ihr verstoßener Bruder ein und dieselbe Person sind. So erkennt auch Israel nicht, dass der entblößte, mächtige Arm des HERRN und der verworfene Jesus von Nazareth ein und dieselbe Person sind. So blind sind sie als Knechte des HERRN. Ein Schleier liegt über ihren Gesichtern. Aber der vollkommene Knecht ist gekommen, um den blinden Knecht zu heilen, um den Schleier von ihren Gesichtern zu nehmen.

So wie Joseph sich seinen Brüdern ohne Fremde in heiliger Abgeschiedenheit zu erkennen gab (1Mo 45:1), so wird sich der heilige Knecht dem gläubigen Überrest zu erkennen geben. Genau wie Thomas, ein Bild von dem Überrest, werden sie Ihn an seinen Wunden erkennen und sich vor Ihm niederwerfen und verkünden: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20:28).

Die insgesamt fünfzehn Verse dieses Abschnitts sind in Form eines Gedichts geschrieben, das aus fünf Strophen zu je drei Versen besteht. Diese fünf Strophen sind in einem sogenannten Chiasmus geschrieben, einer spiegelbildlichen Technik zur Betonung der mittleren Strophe.

1. Die Verherrlichung des Knechtes (Jes 52:13-15)

--2. Das Leiden des Knechtes (Jes 53:1-3)

----3. Die Versöhnung durch den Knecht (Jes 53:4-6)

--4. Das Leiden des Knechtes (Jes 53:7-9)

5. Die Verherrlichung des Knechtes (Jes 53:10-12)

a. In der ersten und fünften Strophe geht es um die Verherrlichung des Knechtes;

b. in der zweiten und vierten Strophe geht es um das Leiden des Knechtes;

c. in der mittleren Strophe geht es um die Sühne durch den Knecht.

Der HERR beginnt mit den Worten „siehe, mein Knecht“ (Jes 52:13). Alle Aufmerksamkeit ist auf Ihn gerichtet (vgl. Mt 25:6). Es geht nicht um Israel, sondern um den Messias. Der Zusammenhang mit dem unmittelbar Vorangegangenen ist treffend, auch wenn er in Form eines großen Kontrastes erfolgt. In dem Vorangegangenen steht die Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft im Vordergrund, und dahinter die zukünftige und endgültige Befreiung. Die Befreiung kann aber nur durch den Knecht des HERRN erfolgen, ungeachtet dessen, ob es sich um Juden oder Heiden handelt. Es ist keine Erfüllung irgendeiner Prophezeiung möglich ohne den Herrn Jesus und sein Werk am Kreuz.

Deshalb ruft Gott auf, auf Ihn zu schauen, zuerst in seinem Werk am Kreuz und dann in seiner erhabenen Stellung (Jes 52:13). Dann wird kurz seine Erniedrigung erwähnt, in Erwartung der kommenden Offenbarung in Macht und Herrlichkeit (Jes 52:14; 15). Das alles ist, in kompakter Form, das Thema, auf das nach dieser Einleitung die nächsten zwölf Verse eingehen.

„Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln“ (Jes 52:13a). Es gibt zwei Bedeutungen des Wortes „einsichtig“. Das erste ist Weisheit – ein Merkmal davon ist Besonnenheit – und das zweite ist Wohlstand oder Erfolg. Eine vollständige Wiedergabe des Textes könnte sein: „Wer verständig und weise handelt, hat am Ende Wohlfahrt.“ Dies beschreibt in kompakter Weise sein Leben auf der Erde einschließlich des Kreuzes, in allem, was Er sagt und tut, mit den damit untrennbar verbundenen positiven Folgen. Er hält sein Zeugnis aufrecht, ohne sein Leben bis zur festgesetzten Stunde aufzugeben. Niemals war mit einer Handlung größere Wohlfahrt verbunden als mit der Hingabe seines Lebens als williges und sühnendes Opfer (vgl. Jes 53:10).

„Er wird erhoben und erhöht werden und sehr hoch sein“ (Jes 52:13b). Das Ergebnis seines weisen und wohlwollenden Handelns ist, dass Gott Ihn über alle Maßen erhoben hat. Bei dieser Erhöhung gibt es drei Stufen: seine Auferstehung, seine Himmelfahrt und seine Verherrlichung zur Rechten Gottes (Apg 2:33; Phil 2:9; Heb 1:3; 13).

Der Grund für das Erstaunen und Entsetzen in Jes 52:14 ist die Tatsache seines Aussehens. Dieses ergibt sich aus den Grausamkeiten, die Ihm nach seiner Gefangennahme zugefügt wurden. Sein Gesicht und sein Körper wurden auf eine beispiellos grausame Weise zugerichtet. Die Soldaten schlugen Ihn mit einem nachgemachten Zepter auf sein Haupt und auf seine mit Dornen gekrönte Stirn, bis Er nicht mehr zu erkennen war. Die zugefügte Geißelung riss das Fleisch von seinem Rücken und auch von seiner Brust.

So war der Herr Jesus, als Er von Pilatus herausgeführt und dem Volk gezeigt wurde, um ihr Mitleid zu erregen und zu bewirken, dass sie nicht noch mehr von seinem Blut verlangen würden. Es war vergeblich. Es steigerte nur ihre Abscheu vor Ihm und die Forderung nach seinem Blut. Seine Erscheinung war so völlig anders als das, was sie vom Messias erwartet hatten, dass sie Ihn mit Bestürzung ansahen. So starrten sie Ihn an (Ps 22:18b).

Während Israel Ihn so verwarf, wird sich an dem zukünftigen Tag die Verachtung der heidnischen Nationen durch Pilatus in Staunen und Entsetzen über seine Macht und Herrlichkeit verwandeln. Das „so“ in Jes 52:15 schließt an das „als“ in Jes 52:14 an. Das Staunen wird so groß sein, dass die Könige von Sprachlosigkeit überwältigt sein werden, mit Stummheit geschlagen angesichts dessen, was sie sehen und wovon sie noch nie gehört haben. Der Schrecken seines Leidens wird durch den Schrecken seiner Verherrlichung noch weit übertroffen werden. „Ebenso wird er viele Nationen in Staunen versetzen“, bezieht sich auf den Segen, der aus seiner Erniedrigung kommt.

Zweimal drücken diese Verse großes Erstaunen und Entsetzen aus: zuerst über die furchtbare Erniedrigung des Messias, dann über seine ehrfurchtgebietende Verherrlichung. Jetzt haben die Herrscher immer noch den Mund voll von Prahlerei (Ps 2:1-3). Dann werden sie die Realität und Bedeutung dieser erstaunlichen Offenbarung hören. Sie werden sehen, dass das von ihnen bedrängte und unterdrückte Volk Gottes auserwähltes und geliebtes Volk unter einem König ist, der seine Herrlichkeit auf dieses Volk gelegt hat. Wenn sie es sehen und hören werden, so werden sie auch von ganzem Herzen glauben.

Dieser Vers bezieht sich jedoch nicht nur auf die Zukunft. Paulus wendet es auf die Verkündigung des Evangeliums in der Zeit zwischen dem Kreuz und der Wiederkunft an, das ist die Zeit, in der wir jetzt leben. Er zitiert diesen Vers, um das Evangelium an immer weiter entfernten Orten bekannt zu machen und seine Missionsreisen auf Gebiete auszuweiten, in denen das Evangelium noch nicht gepredigt wurde (Röm 15:20; 21).

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