Jeremiah 1:6

Die Berufung Jeremias

Obwohl Jer 1:4 nur wenige Worte umfasst, ist das, was er sagt, das Herzstück der Prophetie. Jeremias Berufung kommt nicht durch eine Vision, sondern durch das Hören des göttlichen Wortes. Es ist lehrreich, seine Berufung mit der von Amos (Amos 7:10-17), Jesaja (Jes 6:1-10) und Hesekiel (Hes 1:1-3; Hes 2:1-8) zu vergleichen.

Wir können in Jer 1:5 vier Handlungen Gottes gegenüber seinem Propheten feststellen. Gott hat ihn

1. erkannt,

2. gebildet,

3. geheiligt und

4. bestellt.

Es ist in der Tat ermutigend für Jeremia, zu wissen, dass Gott ihn speziell ausgerüstet hat, um seine Mission auszuführen. Die Erkenntnis dessen ist nicht bloßes Wissen, sondern die Erfahrung einer Beziehung (vgl. Amos 3:2a). Gottes Anspruch auf sein Leben hat Vorrang vor allen anderen Beziehungen, wie wir es bei dem vollkommenen Knecht des HERRN, dem Herrn Jesus, sehen (Jes 49:1-5).

Jeremias Heiligung bedeutet, dass er für einen bestimmten geistlichen Zweck abgesondert wurde. Hier sehen wir eine biblische Verknüpfung von Gottes Vorherwissen und seiner Heiligung des Dieners. Es ist wichtig, auch die Reihenfolge zu sehen:

1. Erstens: Er ist von Gott erkannt.

2. Dann wird er von Ihm im Mutterleib gebildet (vgl. Ps 139:13-16). Der HERR ist also sein rechtmäßiger Besitzer, der ihn benutzen kann, wie es Ihm gefällt.

3. Als nächstes heiligt Er Jeremia, das heißt, Er sondert ihn von allen anderen Israeliten ab.

4. Schließlich hören wir den Zweck von Gottes Absicht und Handeln, nämlich ihn als Propheten zu bestellen.

Die Betonung liegt auf der Initiative Gottes und der Souveränität seiner Wahl (vgl. Röm 9:21). Wozu Gott jemandem bestellt, dazu rüstet Er ihn auch zu. Wir sehen das Gleiche bei Johannes dem Täufer und bei Jeremia. Auch Johannes wurde vor seiner Geburt geheiligt (Lk 1:13-17).

Jeremia wird „zum Propheten an die Nationen“ bestellt. Er wird zu einem Propheten mit einem weltweiten Auftrag bestellt, so wie Paulus später der Apostel für die Nationen sein wird (Gal 1:15; 16a). Es beinhaltet auch, dass Israel in gewisser Weise zu den Nationen gezählt wird. Das liegt daran, dass es sich so sehr vom HERRN abwandte, dass es begonnen hat, sich wie die Nationen zu verhalten. Hätten sie sich nach Gottes Gedanken von den Nationen abgesondert, dann würden sie nicht zu ihnen gezählt werden (4Mo 23:9b).

Was Gott hier über Jeremia sagt, gilt im Prinzip für jeden Gläubigen. Jedes Kind Gottes ist von Ihm erkannt (Gal 4:9a) und wird von Ihm gebildet, geheiligt und auch zu einem bestimmten Dienst berufen. Kinder Gottes gehen nicht in der Masse unter, sondern jedes Kind Gottes darf erkennen, dass die Aufmerksamkeit Gottes auf ihn persönlich gerichtet ist.

Jeremia sieht sich selbst an und beurteilt sich als nicht geeignet für diese Aufgabe (Jer 1:6). Eine ähnliche Reaktion sehen wir bei Mose (2Mo 4:10) und Gideon (Ri 6:15), als sie vom HERRN berufen werden (vgl. 1Sam 3:15b). Mose sagt auch, dass er nicht sprechen kann, aber der Hintergrund bei ihm ist Unglaube, denn der HERR sagte zu Mose, dass Er ihm seine Worte in den Mund legen wird. Jeremia sagt, er sei zu jung. Das Wort, das Jeremia benutzt, wenn er sagt, er sei „jung“, ist das gleiche Wort, das von Sacharja gesagt wird (Sach 2:8).

Die Ähnlichkeit zwischen Mose, Gideon und Jeremia ist, dass sie sich selbst nicht für fähig halten, den Auftrag zu erfüllen. Der Grund ist, dass sie auf sich selbst schauen und nicht auf den, der ihnen den Auftrag gibt. Es geht nicht um den, der gesandt wird, sondern um den, der sendet.

Jeremia war mit seiner feinen Sensibilität die richtige Person, um ein Prophet zu sein. Niemand konnte die Gefühle Gottes besser teilen als er. Er hat ein Herz, das mit den Verurteilten mitfühlen kann. Der junge Prophet konnte zu dieser Zeit kaum ahnen, wie schwierig, hoffnungslos und herzzerreißend seine Aufgabe sein würde.

Die Antwort des HERRN bedeutet im Grunde, dass Jeremia überhaupt nicht an sich selbst denken soll (Jer 1:7; 8). Was der Diener tun kann oder nicht, ist nicht wichtig. Wichtig ist nur das, was Gott tun kann und tut (vgl. 1Kor 3:7). Der Diener muss nur gehorchen.

Gott irrt nie bei der Auswahl seiner Diener (Jer 1:7). Er versorgt alle, die Er beruft, mit der Kraft, dem Mut und der Hilfe, die sie brauchen. Außerdem wird Gottes Verheißung seiner Gegenwart die Furcht vertreiben (vgl. Hag 1:13). Es ist nicht die Gewohnheit irdischer Fürsten, mit ihren Gesandten zu gehen. Aber Gott geht mit denen, die Er sendet, und ist bei ihnen (Apg 18:9; 10a).

Jeremias Furcht ist ein weiterer Grund für sein Zögern (Jer 1:8; vgl. Hes 3:9). Er wird gnadenlos bekämpft und verfolgt werden. Aber der HERR wird ihn vor den Angriffen seiner Feinde schützen und ihm den geistlichen Mut geben, den er so sehr brauchen wird. Gott sorgt für alle Bedürfnisse derer, die Er in seinen Dienst ruft (Phil 4:19).

Als greifbaren Beweis dafür, dass der HERR Jeremia die Vollmacht für seinen Dienst gibt, berührt er seinen Mund (Jer 1:9; vgl. Jes 6:7). Die Frage ist nicht, ob ein Mensch gut oder schlecht reden kann, sondern ob er von Gott berührte, d. h. geheiligte Lippen hat. Diese hat Jeremia nun. Auf diese Weise wird er befähigt, Gottes Wahrheit auszusprechen, denn Gott selbst wird ihm seine Botschaft in den Mund legen. Von diesem Moment an werden Jeremias Worte Gottes Worte sein und er kann so tatsächlich als Sprachrohr Gottes auftreten (vgl. Jes 51:16; Hes 2:8; Hes 3:4; 2Mo 4:12; Mt 10:19; Lk 21:15).

Später wird Gott seine Worte im Mund Jeremias zu Feuer machen (Jer 5:14). Dass Gott seine Worte in seinen Mund legen wird, ist etwas, was Mose von dem Propheten sagt, den Gott in der Zukunft senden wird (5Mo 18:18), nämlich den Herrn Jesus. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass Jeremia ein Bild von dem Herrn Jesus als dem großen Propheten ist (vgl. Joh 12:49).

Das Ausrotten und Niederreißen geschieht nicht durch eine Tat mit einem Schwert, sondern durch sein Wort (Jer 1:10). Sein Wort aber ist ein lebendiges Wort, das etwas tut und etwas bewirkt. Sein Wort, sein Reden, ist mächtig. Jeremia denkt von sich, dass er nur ein Jüngling ist, aber Gott stellt ihn hier über die Könige der Nationen. Er wird den Aufstieg und Fall von Weltreichen und anderen Reichen ankündigen, nicht durch irgendeine eigene Autorität, sondern als einer, der im Namen Gottes spricht.

Der Inhalt von Jeremias Botschaft ist eine der wichtigsten Passagen des Buches. Er muss von Gericht und Verwüstung, von Umsturz und Zerstörung sprechen. Aber so groß und schrecklich Gottes Gerichte auch sind, es sind keine Gerichte ohne Gnade, denn ihr Zweck ist immer Wiederherstellung, Segen und Erneuerung. Deshalb muss Jeremia diese Gerichte auch ankündigen.

Gottes Absichten im Dienst des Jeremia sind also zweifach: destruktiv (zerstörend) und konstruktiv (aufbauend). Gottes Wort wird von Kraft begleitet, sodass die Prophezeiungen diese Ziele erreichen werden (Jes 55:10; 11). Im Dienst des Jeremia liegt die Betonung zweifellos auf dem destruktiven Element. Vier Verben werden verwendet, um dies auszudrücken:

1. „um auszurotten“

2. „und niederzureißen“,

3. „und zu zerstören“

4. „und abzubrechen“.

Zwei Verben weisen auf das konstruktive und wiederherstellende Element hin:

1. „um zu bauen“

2. „und um zu pflanzen“.

Bei diesen Tätigkeiten sehen wir den Propheten als Baumeister und Landwirt (vgl. 1Kor 3:6-10).

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