Job 22:5

Einleitung

Man könnte meinen, dass die Freunde durch Hiobs letzte Rede ihren Irrtum nun eingesehen haben. Sie wollen es vielleicht nicht gleich zugeben, aber vielleicht werden sie jetzt wenigstens dazu schweigen. Aber nein. Eliphas richtet sich noch einmal auf und antwortet Hiob in einer dritten Antwortrede. Und wie! Er wirft alle Vorsicht über Bord. Er löst die Bremse und beschuldigt Hiob ohne jede Zurückhaltung der schlimmsten Sünden. Die Anschuldigungen sind nicht mehr in seinen Worten versteckt, es sind keine Andeutungen oder Unterstellungen mehr. Unerbittlich benennt er die Verbrechen, die Hiob seines Erachtens getan hat.

Er macht keinen Versuch, Hiobs Argumente zu widerlegen (Hiob 21). In seiner Argumentation hämmert er weiter auf dem Gesagten „Du bist selbst schuld“ als Beweis für die Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit von Gottes Vergeltung. Seine Freundschaft zu Hiob zeigt sich seiner Meinung nach darin, dass er am Ende seiner Auseinandersetzung erneut versucht, ihn zur Umkehr zu bewegen (Hiob 22:21-30).

Die Größe von Hiobs Sünden

Eliphas ergreift erneut das Wort, um Hiob zu antworten (Hiob 22:1). Zunächst stellt er eine Reihe von rhetorischen Fragen. Er beginnt mit der Frage nach dem Verhältnis eines „Mannes“ – damit meint er Hiob – zu Gott (Hiob 22:2). Eliphas fragt, ob ein Mann für Gott „Nutzen“ bringe, weil Hiob auf seine Gerechtigkeit pocht. Als ob er Gott damit einen Gefallen täte. Gleichzeitig beklagt er sich über sein Elend. Die Frage enthält die Antwort. Hiob ist mit all seiner Gerechtigkeit für Gott nicht von Nutzen. Er sollte nicht denken, dass Gott ihn braucht. Als ob Gott gezwungen wäre, ihn für seine angebliche Gerechtigkeit zu ehren, anstatt ihn zu bestrafen, indem Er Unheil über ihn bringt.

Wenn Hiob sich überhaupt für einsichtig hält, dann nur zu seinem eigenen Vorteil. Gott ist nicht von ihm abhängig und hat Hiobs Einsicht nicht nötig. Gott braucht niemanden, keinen Menschen. Das Gegenteil ist der Fall, der Mensch braucht Gott. Hiob fügt der Freude des Allmächtigen nichts hinzu, indem er behauptet, er sei gerecht (Hiob 22:3). Er sollte diesen Anspruch auf seine Rechtschaffenheit besser fallen lassen. Es nützt auch Gott nichts, wenn er seine Wege „vollkommen“ macht und alles immer besser macht, um Gott dadurch einen Gefallen zu tun.

Eliphas vermittelt nur einen kalten Eindruck von Gott, als ob Er sich nicht für uns interessieren würde. Wenn wir uns daran erinnern, was Gott in Hiob 1 und 2 über seinen Diener Hiob sagt, wird deutlich, wie schlecht Eliphas Gott kennt. Hiob war durch sein Handeln und sein Verhalten eine Freude für Gott (vgl. Apg 10:35). Obwohl das, was ein Mensch tut, Gott an sich nichts nützt, hat Er doch Freude an der Rechtschaffenheit. Das Zeugnis des Geistes über Hiob in den ersten Kapiteln dieses Buches zeigt, dass Hiob Gott nicht diente, weil er dachte, er würde Gott nützen oder weil Gott davon profitierte. Hiob fürchtete und diente Gott, weil Er Gott ist. Gott weiß das sehr zu schätzen.

Mit dem nötigen Sarkasmus in der Stimme fragt Eliphas Hiob, ob Gott ihn vielleicht für seine Gottesfurcht bestraft und mit ihm „ins Gericht geht“ (Hiob 22:4). Natürlich strengt Gott einen Rechtsstreit gegen Hiob an, weil er Ihm so treu dient. In seiner ersten Rede sah Eliphas Hiobs Gottesfurcht noch als etwas an, das in ihm vorhanden war (Hiob 4:6), aber jetzt glaubt er das nicht mehr. Mit seiner sarkastischen Redeweise will er Hiob vom Gegenteil überzeugen. Hiob muss doch wohl klar sein, dass Gott einen Menschen nicht bestraft, wenn er Ihn fürchtet, sondern wenn er gegen Ihn sündigt.

Und dann beginnt Eliphas. Er beschuldigt Hiob offen der „Bosheit“ und „Ungerechtigkeit“ (Hiob 22:5). Mit „deinen“ Bosheiten und „deiner“ Ungerechtigkeit wird Hiob direkt angesprochen. Er lässt auch keinen Zweifel daran, dass es um mehr geht als um ein bisschen Bosheit und eine gelegentliche Ungerechtigkeit. Es geht um nichts Geringeres als „große“ Bosheit und Ungerechtigkeit „ohne Ende“. Um sein Argument zu untermauern, übertreibt Eliphas nun.

Obwohl Eliphas keine Beweise dafür hat, wirft er Hiob diese überwältigenden Anschuldigungen vor die Füße. Er schert sich nicht darum, dass man sich erstmal selbst prüfen muss, bevor man so etwas sagen kann. Daran mangelt es ihm, ebenso wie seinen Freunden (Mt 7:1-5). Was er tut, ist keine Fußwaschung (Joh 13:3-6). Hiob hat es gewagt, sich ihrem ach so bedeutenden Aufruf zur Umkehr zu widersetzen. Er hat dies in Begriffen über Gott getan, die äußerst unpassend sind, ihrer Meinung nach. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass Hiob völlig falsch liegt. Das ist alles, was sie brauchen. Hiob ist schuldig.

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